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Ergreifung des Täters, 10.2k

Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen.1

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oder vom naiven Verkennen des Widerspruchs zwischen bewußt artikuliertem Veränderungswillen und der alltäglich praktizierten Regenerationspolitik patriarchaler Strukturen innerhalb linker Zusammenhänge

„...das naive Übersehen der eigenen Herrschaftlichkeiten (kann) als ideologisches und damit zugleich als notwendiges verstanden werden: ideologisch, weil die Männer ihre patriarchalen Agentschaften verkennen; und notwendig, weil erst dieses phantasmatische, von Glaube, Hoffnung und Moral getragene Verkennen dem Patriarchat seine reale Schwerkraft verleiht.“2

Mit keinem Thema innerhalb unserer Strukturen tun wir uns3 so schwer wie mit diesem, obwohl es konstitutiv für linke Gesellschaftskritik ist. Und obwohl dessen Unmittelbarkeit so greifbar, so alltäglich ist – schließlich spielt jeder und jede von uns eine Rolle, die klar auch von den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen geprägt ist und sich die machtvollen Geschlechterverhältnisse durch alle Lebensbereiche durchziehen. Aber vielleicht ist dies gerade der Punkt, an dem wir weiterbohren sollten: Unser diffuses Wissen um die eigene Verstrickung in dieses machtvolle Geschlechterverhältnis und das bloße Erahnen der Tragweite, die ein Hinterfragen bezüglich der eigenen Praxis hätte, weil es jeden Bereich unseres Lebens durchzieht, verhindert die konkrete Thematisierung von patriarchalen Strukturen und Sexismus innerhalb linker Zusammenhänge.
Zwischen Demomobilisierung und Technics auf die Tagesordnung gesetzt, weil es wirklich auch ein wichtiges Thema ist, wird es entweder bei uns abstrakt oder desöfteren anlaßbezogen diskutiert, wenn in irgendeiner Stadt in irgendeiner Gruppe „irgendetwas zwischen irgendeinem Mann und irgendeiner Frau“ passiert ist, die man – gottsei auch dafür gedankt – nicht kennt. Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse werden wahlweise als Nebenwiderspruch (Es gibt doch grade echt wichtigeres zu tun!) marginalisiert, empört verleugnet (Wir sind doch keine Sexisten!) oder (auch ich fördere eine Frau!) – paternalistisch zugedeckt.
Allen Umgangsweisen gemein ist eine kugelsichere Distanz zum Thema, in der Gewissheit eben auch da ein Guter und insofern keinesfalls Teil des Gesprächsthemas zu sein. Ebenfalls gilt für die bisher praktizierten Diskussionsansätze die bedauerliche Feststellung, ein erhöhtes Frustrationspotential zu hinterlassen – zumindest bei vielen Frauen – und zielsicher ohne Konsequenzen im Sande zu verlaufen.
Der unausgesprochene Widerspruch nämlich bleibt weiter bestehen:
Die Kluft zwischen verlautbarten Theorien – also das was wir sagen – und unseren ‘praktizierten Theorien’, den Theorien, die unserem Handeln zugrunde liegen: Ein „normaler“ Antifa, Linker zu sein – nämlich ein männlicher, weißer, deutscher, heterosexueller, der empört oder überzeugt den Anspruch artikuliert, klar nicht sexistisch, eben auch in dieser Hinsicht ein „Guter“ – zu sein, andererseits aber alltäglich mit seinen Handlungen, Gesten, Äußerungen das herrschaftliche Geschlechterverhältnis in seinem Umfeld permanent aufs Neue wiederherstellt, reproduziert, seinen aktiven Anteil daran naiv verkennend.
Reden wir also Klartext: Feministische Kritik an linken Strukturen wird bisher bei uns weder tatsächlich ernst genommen noch als das begriffen, was sie ist: nämlich eine politische. Klar ist die Szene männerdominiert... allerdings darf man die historische Entstehung der Szene und ganz klar die Aktionsformen nicht ausblenden, außerdem ist die Szene eben Teil der Gesellschaft und die ist eben männerdominiert. So ist es, so war es und manchmal wird auch ausgesprochen, was eh alle denken: So wird es immer bleiben. Damit ist die Diskussion meist beendet, vielleicht noch mit dem Nachsatz, daß es sowieso auch gar nicht genügend politische Frauen gibt und daß sie eben ihren Mund aufmachen müssen, schließlich hindert sie niemand daran, nein sie werden sogar unterstützt. Erfahrungsgemäß erfolgt dann fast als logische Konsequenz der Zusammenschluß zu einer reinen Frauengruppe – im Bewußtsein nur damit eine wahrnehmbare Position und somit Macht zu erlangen, in Strukturen handlungsfähig zu werden, in denen sie nicht die Norm sind, sie nicht als gleichwertige Subjekte gedacht werden.
Daß sich immer mehr Frauen in der Szene mit Sexismus und der
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Funktionsweise patriarchaler Strukturen auseinandersetzen, ist weder darin begründet, sonst nicht zu wissen, womit sie sich sonst politisch auseinandersetzen könnten, noch weil sie es gerne tun. Sie tun es, weil die tägliche Praxis ihnen vor Augen führt, daß es zwingend notwendig ist, sich zusätzlich damit auseinanderzusetzen, um politisch handlungsfähig sein zu können. Genau diese Mechanismen nämlich schränken Frauen auch in der Szene in ihrer Handlungsfähigkeit ein. Sie fallen auch in der Szene – vielleicht ein wenig subtiler in politischen Zusammenhängen – aber ganz klar im subkulturellen Bereich – aus der gesetzten (männlichen) Norm und können dieser somit nie entsprechen. Denkt mann an Linke, denkt mann an Männer.
Unumwunden wird im Text die Frage gestellt, inwieweit und unter welchen Bedingungen Männer in der Szene überhaupt zu fortschrittlichem, emanzipatorischem Denken fähig sind. Sie tragen die gesellschaftliche Grundnorm der hegemonialen Männlichkeit4, die zugleich ihre eigene verinnerlichte und gelebte ist, unfähig sie als solche zu be- und schon gar nicht anzugreifen. Solange der Widerspruch zwischen eigenem postuliertem Anspruch und der eigenen alltäglichen Regenerationspolitik patriarchaler Strukturen von ihnen unangetastet bleibt und sie die von ihnen aktiv produzierten und genutzten Geschlechter-Realitäten in der Szene naiv verkennen, ist da wohl wenig zu hoffen.
Wenden wir uns also jener Aussage zu, die unbequem ist, weil sie strukturelle und individuelle Veränderungen einfordert, indem sie Subjekte im Machtverhältnis benennt:
Auch in unseren Zusammenhängen ist die gesellschaftlich-tradierte Norm der Hegemonialen Männlichkeit unangefochten akzeptiert und wird – meist sogar zufrieden und durchaus stolz – von den Männern in der Szene praktiziert. Der platte Spruch „Wir sind die Guten!“, der in Worte faßt, was die meisten Antifas tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, ist zwar nett, suggeriert aber, damit im Machtverhältnis auf der „guten“ Seite zu stehen, zumindest nicht „Täter“, „Herrscher“ zu sein, jedes Hinterfragen ist somit für sich nicht notwendig. Das Geschlechterverhältnis kennt jedoch kein Machtzentrum, sondern wird kollektiv und individuell – oft „in Komplizenschaft“ mit Frauen immer wieder aufs Neue manifestiert. Jeder trägt mit.
Der erste Schritt, einen Umgang mit dem Thema für uns zu entwickeln, heißt zunächst also das Wesen und die Mechanismen nachzuvollziehen, die patriarchale Strukturen ausmachen.
Wie kann also männliche Herrschaft erklärt werden? Die Grundlage schafft der dekonstruktivistische Ansatz, der klarstellt: Geschlecht an sich gibt es nicht, sondern es wird durch alltägliche Wiederholungen des doing gender konstruiert. Ein Prozeß also, der tagtäglich durch Handlungen, Gesten das ungleiche Geschlechterverhältnis wiederherstellt, an dem alle beteiligt sind.

Geschlecht ist nicht, sondern wird gemacht

„Die Geschlechtsidentität umfaßt auch jene diskursiven/kulturellen Mittel, durch die ‘geschlechtliche Natur’ oder ein ‘natürliches Geschlecht’ als ‘vordiskursiv’, d.h. der Kultur vorgelagert oder als politisch neutrale Oberfläche, auf der sich die Kultur einschreibt, hergestellt und etabliert wird.“5

Es gibt keine Natur von Geschlecht, die nicht immer bereits diskursiv fixiert und damit gesellschaftlich bestimmt wäre. Indem einerseits die Gesellschaft mit der Geburt eines Kindes an es geschlechtsspezifische
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Anforderungen und Zuweisungen vornimmt und andereseits die zugewiesene Identität vom Individuum – durch alltägliche Handlungen – immer wieder hergestellt und verinnerlicht werden. Geschlechtsidentität ist also nicht natürliche Folge der vorgegebenene natürlichen Gegebenheiten. „Geschlechter“ sind also nicht natürlich vorgegeben, sondern sind kulturell konstruiert: Der Körper muß also als Objekt kultureller Einschreibung betrachtet werden statt als Garant des wahren Seins. Folgt man diesem Ansatz, werden Männlichkeit und Weiblichkeit gesellschaftlich konstruiert und als entgegengesetzte Identitäten institutionalisiert. Sie werden durch Fixierung hierarchischer Differenzen, die immer schon in eine zwangsheterosexuelle Matrix eingeschrieben waren, definiert. Im Mittelpunkt steht somit nicht die vorgängige Natur, sondern jene unendlichen Wiederholungen des doing gender6, die die herrschaftliche Ordnung tagtäglich befestigen. Die männlichen bzw. weiblichen Identitäten und Geschlechterrollen folgen nicht naturgemäß aus der biologischen Anatomie. Daß sie andererseits auch nicht jeden Tag frei wählbar sind, wird gerade auf ihre starke kulturelle Verankerung auf allen Ebenen (sei es die strukturelle, symbolische, leibhaftige, etc...) zurückgeführt7: Zum einen durch unseren eigenen Körper, indem wir die sozialisierte Geschlechteridentität tief verinnerlicht haben und diese leben andererseits durch gesellschaftliche Institutionen, die vom Individuum permanent geschlechtsspezifische Handlungen abfragen. Geschlechteridentitäten sind also kulturelles Produkt und Ergebnis umfassender individueller Verinnerlichungsarbeit zugleich und erscheinen daher fast als ‘natürliches Schicksal’, sozusagen als die 2. Natur jedes Menschen.
Das Geschlechterverhältnis steht schon immer in dialektischem Verhältnis zu sozioökonomischen Existenzweisen, die historisch-spezifisch und materiell konkret geprägt sind: Indem die sozioökonomische Realität als gesellschaftliche Bedingungen sich in die Sozialisation, das Denken und Handeln des Individuums einschreiben, reproduziert das Individuum als Subjekt die kapitalistisch-patriarchale Gesellschaft und damit reproduziert sie sich selbst. Gerade durch das weitgehend Unbewußte des soziokulturellen Orientierungssinns der Erscheinung der Geschlechteridentitäten prägt der Habitus die private und öffentliche Arbeitsteilung, die Trennung der Gesellschaft in Privatheit und Öffentlichkeit. Naturalisierte Institutionen , wie z.B. die heterosexuelle Ehe, weibliche Reproduktion, männliches Brotverdienen,...) verfestigen durch Zuschreibung von Eigenschaften die symbolische Repräsentation der Geschlechter. Da auch diese Institutionen als auch die gesamte Gesellschaft beständiger Veränderung unterworfen sind, gibt es nicht die kapitalistischen patriarchalen Herrschaftsverhältnisse als etwas totales, sie sind vielmehr geprägt durch die Offenheit des Sozialen.

Konstruktion und Normsetzung der Hegemonialen Männlichkeit als Position des Souveräns
Die Idee des Anderen und die Spezifik im Geschlechterverhältnis

Der Körper des Mannes ist sinnhaft durch sich selbst, auch ohne den der Frau, während der ihre sinnentbölößt scheint, wenn man den männlichen nicht einbezieht.... Der Mann denkt sich ohne die Frau. Sie denkt sich nicht ohne den Mann. Und sie ist nichts anderses als das, was der Mann bestimmt. ....Sie wird mit Bezug auf den mann determiniert und differenziert, er aber nicht mit bezuig auf sie. Sie ist das Unwesentliche gegenüber dem Weesentlichen. Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: Sie ist das Andere“8

Dualistisches Denken – also Denken in Gegensätzen – und Alterität9 gibt es schon solang wie die Menschen selbst. Keine Gemeinschaft definiert sich nur als „die Eine“ ohne gleichzeitig die „andere“ entgegenzusetzen. Doch erst mit Hegel, der im Bewußtsein selbst eine grundlegende Feindschaft gegenüber jedem anderen Bewußtsein feststellte. Das Subjekt setzt sich nur, indem es sichentgegensetzt mit dem Anspruch, sich als das Wesentliche zu behaupten und „das Andere“, als das Unwesentliche, als Objekt zu konstituieren. Indem „dass Andere“ das selbe tut, entsteht eine Wechselseitigkeit.
Anders im Geschlechterverhältnis, wo diese Reziprozität nicht funktioniert: Während sich der Mann als das „Eine“, „das Wesentliche“ konstituiert und er die Frau als das „Andere“, als „das Unwesentliche“ setzt, setzt sich die Frau selbst nicht selbst als Subjekt, sondern nimmt die Definition des Mannes an. So bestimmt der Mann das Unwesentliche der Frau. Damit ist die hierarchische Ordnung hergestellt, der Mann steht oben, die Frau unten – er ist die Norm, sie die Abweichung. Er ist das Subjekt – sie das Objekt. Die gesamte menschliche Geschichtsschreibung, alle menschlichen Bereiche sind von diesem Prinzip durchzogen. Überall und zu allen Zeiten haben Männer bekundet, Krönung der Schöpfung zu sein – etwa in Religion: „Gelobt seist du, Gott, unser Herr und Herr der Welt, der mich nicht zu einem Weibe gemacht hat“ sprechen die Juden in ihrem Morgengebet, während die Jüdinnen beten: „Gelobt seist du, Gott, der mich nach seinem Willen geschaffem hat“. Oder in der der Philosophie von Platon, der den Göttern für deren Wohltaten dankte, daß sie ihn erstens frei und nicht als Sklaven erschaffen hatten und zweitens, daß er ein Mann und keine Frau geworden war.
Und während es früher noch explizit formuliert wurde, ist dieses Prinzip unterdessen so in die menschliche Kultur, in unseren Alltag eingeschliffen, daß es selbstverständliche Norm ist. Deutlich wird das beispielsweise an unserer scheinbar natürliche, normale Verwendung der Sprache: Wenn wir beispielsweise von „Referenten“ reden, haben wir im Kopf tatsächlich nur ein Bild männlicher Referenten, obwohl der Begriff geschlechtsneutral verwandt wird und Frauen „mitgemeint“, in ihn eingeschlossen sein sollen. (Im Gegensatz dazu das Bild, welches in unserer Vorstellung bei der Variante von „ReferentInnen“ erzeugt wird)10

Hegemoniale Männlichkeit

„Hegemoniale Männlichkeit bezeichnet jene herrschaftliche Systematik, die die unterschiedlichen Subjektpositionen zu einer fiktiven Einheit zusammenschnürt & zum phantasmatischen Fundament männlicher Souveränität verdichtet. Über die Schaltung ideologischer Knotenpunkte wird die politisch-ökonomische dominanz von Männern über Frauen geschaffen. Sie versprechen Männern essentielle Überlegenheit, die sich in struktureller Vormachtstellung (ökonomisch, politisch, sozial etc.) als auch in symbolischer Repräsentation (Sprache, wissenschaftlich, medial etc.) niederschlägt.“11

Durch tagtägliche unbewußte Unterscheidungen, die reflexartige Hierarchisierungen vornehmen, wird „hegemoniale Männlichkeit“ zur grundlegenden, für alle geltenden Norm erhoben. Die souveräne Position der „wahren“ heterosexuellen Männlichkeit produziert und klassifiziert nicht nur die „natürlich unterlegene“ Position der Weiblichkeit, sondern auch andere Formen der Männlichkeit als unterlegene, kranke impotente, gestörte etc. unter sich. Dieses System, flexibel und historisch stark veränderbar, nimmt Widersprüche, die das tradierte Geschlechterverhältnis angriffen, in sich auf und integriert sie als neuen Baustein in das Bild des hegemonialen männlichen Souveräns (z.B. die neue Vaterfigur, die postmoderne Feminiesierung der Männlichkeit: der nackte, schöne begehrenswerte Mann,...). Es zeigt sich also die ständige Flexibilität des patriarchalen Systems, das durch kapitalistische Krisen zu einer Vervielfältigung männlicher Positionen, nicht aber zu deren prinzipieller Entmächtigung und Aufhebung hegemonialer Männlichkeit führt, da die Einverleibung der Widersprüche immer auf der Abgrenzung zum „anderen Geschlecht“, zur Frau basiert. Die Pluralisierung von Männlichkeiten stellen tatsächlich die hohe Flexibilität und Erneuerungskraft patriarchaler Herrschaftsverhältnisse dar, statt Anzeichen ihrer gestörten Funktion zu sein.

Die totale Gesellschaft und das Subjekt: Möglichkeiten einer Veränderung

Bleibt die Frage nach den Veränderungsmöglichkeiten, die hegemonialen Männern in einer kapitalistisch-patriarchal geprägten Gesellschaft offenstehen. Gibt es Möglichkeiten für das Subjekt innerhalb der Gesellschaft verändernd zu wirken oder ist es Spielball der Gesellschaft? Ausgangspunkt ist die Erkenntnis- und Veränderungsfähigkeit des Subjekts, die natürlich für sich genommen nicht beanspruchen kann, die gesamte Gesellschaft zu verändern. Jedoch gibt es Möglichkeiten punktuelle Veränderungen – nämlich im eigenen Umfeld – zu realisieren. Die Erkenntnisfähigkeit ist aber an bestimmte Bedingungen geknüpft und somit kommen wir auf die Eingangsfrage zurück, ob unter den gegebenen Umständen Männer in der Szene überhaupt Träger, Subjekte fortschrittlicher, emanzipatorischer Politik werden können. Unter den beschriebenen Umständen nicht:
Gäbe es in unseren Zusammenhängen keine so geformte allgemeingültige Norm, müßten logischerweise sämtliche „besondere“ Perspektiven der unterschiedlichsten Leute innerhalb der Zusammenhänge in der Basis einer gemeinsamen Politik von Identität und Differenz explizit vorhanden sein, ohne eine Normierung und Hierarchisierung unter ihnen vorzunehmen, z.B. die Kritik von Frauen an unseren Strukturen. Aber wie bereits beschrieben, wird die hegemoniale männliche Norm auch hier aktiv immer wieder von Männern reproduziert und bestimmt, was wie Thema wird. Diese normierte Position allerdings aufzugeben heißt, eine Machtposition (die daraus resultierende eigene Freiheit beruht auf der Unfreiheit von „Anderen“) aufzugeben, sich von Privilegien zu trennen. Das ist exakt der noch fehlende Umstand, der bei Männern die Erkenntnis zuläßt, Akteur, Unterdrückender zu sein.

Die Aussaat von Widerstandspunkten „quer durch gesellschaftliche Schichtungen und die individuellen Einheiten“12 könnte auf diese Weise eine Reihe pointierter Störungen und Irritationen hervorrufen, Widersprüche dynamisieren. Diese gibt es im Alltag überall, an denen die hegemoniale Männlichkeit-Norm sichtbar gemacht und aufgebrochen werden kann. Damit tragen sie die Möglichkeit der punktuellen Veränderung in sich. Anstelle einer monolithischen Einheitsfront tritt dann die Mobilität spontaner Gegenkräfte. Einen adäquaten Umgang mit dem Thema innerhalb der Szene zu finden, setzt notwendig voraus, daß sich Männer ihrer machtvollen Rolle, ihres alltäglichen profitablen Mitbauens und Aufrechterhaltens des Geschlechterverhältnisses bewußt werden müssen. Sie befinden sich in permanentem Widerspruch zwischen postuliertem emanzipatorischen Anspruch und alltäglicher Regenerationspolitik. Nur so ist es möglich, alltägliche individuelle Handlungspraxen, wie frauenfeindliche Witze, heterosexistisches Besitzdenken, homophobe Abwehr und stillschweigende Männersolidarität hinterfragbar zu machen.

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Ergreifung II, 4.7k


Fußnoten:
1 Nach dem gleichnamigen Text von Siegfried Kaltenecker. In: Widersprüche. März 1999
2 Althusser, Louis (977): Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg, Berlin
3 Daß patriarchale Strukturen sowohl von Männern als auch von Frauen - natürlich in eindeutig verschiedenem Maße und aus einer anders zu bewertenden Stellung heraus - reproduziert werden, soll hiermit Rechnung getragen werden, wenn “uns” im folgenden Männer als auch Frauen in der Szene mein. Allerdings gilt es ebenso darauf hinzuweisen, daß dieses Thema logischerweise in keinster Weise ein Frauenthema ist....
4 Im Mittelpunkt folgender Betrachtungen steht die Konstruktion von Männlichkeit, für die das australische Forschertrio Tim Carrigan, Robert W. Connell und John Lee (1987) den Begriff hegemonial prägte. Sie fassen darunter “weiße, heterosexuelle Mitteleuropäer mit hohem Bildungsniveau, relativ gesichertem Einkommen und dem, was ‘an Körper, Geist und Seele gesund‘ bezeichnet wird”.
5 Butler, Judith (1991): Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/Main
6 Begriff, der den Prozeß der Geschlechterkonstruktion als aktive alltägliche individuelle Handlung, dem kollektive Muster zugrundeliegen, umfaßt.
7 Bourdieu (1997) führt es auf einen speziellen Habitus zurück, der als ”Transzendenz des Sozialen, die Körper geworden ist und als... körperliche Neigung, eine Identität zu verwirklichen, die als soziale essenz konstituiert und damit in Schicksal verwandelt wurde”
8 de Beauvoir, Simone: Das andere Geschlecht. S.12
9 Lèvi Strauss stellt die Fähigkeit, Beziehungen in Gegensatzsystemen zu denken als Merkmal des Übergangs vom Naturzustand zum Kulturzustand einer Gesellschaft als wesentliches Kriterium auf.
10 In diesem Sinne ist feministische Sprachkritik absolut angebracht, da die Sprache das Denken sichtbar macht und eben verinnerlichte patriarchale Muster aufspürt und benennt. Jedoch ist Sprache nur eine Erscheinungsform des Wesens.
11 Carrigan, Tim; Connell, Robert; Lee, Joseph (1987): Hard and heavy. Toward a new Sociology of Masculinity. In Kaufman, S.139-192
12 Nach Focault, Michel (1983): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit1 über die Schaffung von Widerstandspunkten


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last modified: 28.3.2007