oder vom naiven Verkennen des Widerspruchs zwischen
bewußt artikuliertem Veränderungswillen und der alltäglich
praktizierten Regenerationspolitik patriarchaler Strukturen innerhalb linker
Zusammenhänge
...das naive Übersehen der eigenen Herrschaftlichkeiten (kann)
als ideologisches und damit zugleich als notwendiges verstanden werden:
ideologisch, weil die Männer ihre patriarchalen Agentschaften verkennen;
und notwendig, weil erst dieses phantasmatische, von Glaube, Hoffnung und Moral
getragene Verkennen dem Patriarchat seine reale Schwerkraft
verleiht.2
Mit keinem Thema innerhalb unserer Strukturen tun wir uns3 so
schwer wie mit diesem, obwohl es konstitutiv für linke Gesellschaftskritik
ist. Und obwohl dessen Unmittelbarkeit so greifbar, so alltäglich ist
schließlich spielt jeder und jede von uns eine Rolle, die klar
auch von den gesellschaftlich vorgegebenen Geschlechterrollen geprägt ist
und sich die machtvollen Geschlechterverhältnisse durch alle
Lebensbereiche durchziehen. Aber vielleicht ist dies gerade der Punkt, an dem
wir weiterbohren sollten: Unser diffuses Wissen um die eigene
Verstrickung in dieses machtvolle Geschlechterverhältnis und das
bloße Erahnen der Tragweite, die ein Hinterfragen bezüglich der
eigenen Praxis hätte, weil es jeden Bereich unseres Lebens durchzieht,
verhindert die konkrete Thematisierung von patriarchalen Strukturen und
Sexismus innerhalb linker Zusammenhänge.
Zwischen Demomobilisierung und Technics auf die Tagesordnung gesetzt, weil es
wirklich auch ein wichtiges Thema ist, wird es entweder bei uns abstrakt oder
desöfteren anlaßbezogen diskutiert, wenn in irgendeiner Stadt in
irgendeiner Gruppe irgendetwas zwischen irgendeinem Mann und irgendeiner
Frau passiert ist, die man gottsei auch dafür gedankt
nicht kennt. Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse werden wahlweise als
Nebenwiderspruch (Es gibt doch grade echt wichtigeres zu tun!)
marginalisiert, empört verleugnet (Wir sind doch keine
Sexisten!) oder (auch ich fördere eine Frau!)
paternalistisch zugedeckt.
Allen Umgangsweisen gemein ist eine kugelsichere Distanz zum Thema, in der
Gewissheit eben auch da ein Guter und insofern keinesfalls Teil des
Gesprächsthemas zu sein. Ebenfalls gilt für die bisher praktizierten
Diskussionsansätze die bedauerliche Feststellung, ein erhöhtes
Frustrationspotential zu hinterlassen zumindest bei vielen Frauen
und zielsicher ohne Konsequenzen im Sande zu verlaufen.
Der unausgesprochene Widerspruch nämlich bleibt weiter bestehen:
Die Kluft zwischen verlautbarten Theorien also das was wir sagen
und unseren praktizierten Theorien, den Theorien, die unserem
Handeln zugrunde liegen: Ein normaler Antifa, Linker zu sein
nämlich ein männlicher, weißer, deutscher, heterosexueller, der
empört oder überzeugt den Anspruch artikuliert, klar nicht
sexistisch, eben auch in dieser Hinsicht ein Guter zu sein,
andererseits aber alltäglich mit seinen Handlungen, Gesten,
Äußerungen das herrschaftliche Geschlechterverhältnis in seinem
Umfeld permanent aufs Neue wiederherstellt, reproduziert, seinen aktiven Anteil
daran naiv verkennend.
Reden wir also Klartext: Feministische Kritik an linken Strukturen wird bisher
bei uns weder tatsächlich ernst genommen noch als das begriffen, was sie
ist: nämlich eine politische. Klar ist die Szene männerdominiert...
allerdings darf man die historische Entstehung der Szene und ganz klar die
Aktionsformen nicht ausblenden, außerdem ist die Szene eben Teil der
Gesellschaft und die ist eben männerdominiert. So ist es, so war es und
manchmal wird auch ausgesprochen, was eh alle denken: So wird es immer bleiben.
Damit ist die Diskussion meist beendet, vielleicht noch mit dem Nachsatz,
daß es sowieso auch gar nicht genügend politische Frauen gibt und
daß sie eben ihren Mund aufmachen müssen, schließlich hindert
sie niemand daran, nein sie werden sogar unterstützt.
Erfahrungsgemäß erfolgt dann fast als logische Konsequenz der
Zusammenschluß zu einer reinen Frauengruppe im Bewußtsein
nur damit eine wahrnehmbare Position und somit Macht zu erlangen, in Strukturen
handlungsfähig zu werden, in denen sie nicht die Norm sind, sie nicht als
gleichwertige Subjekte gedacht werden.
Daß sich immer mehr Frauen in der Szene mit Sexismus und der
Funktionsweise patriarchaler Strukturen auseinandersetzen, ist weder darin
begründet, sonst nicht zu wissen, womit sie sich sonst politisch
auseinandersetzen könnten, noch weil sie es gerne tun. Sie tun es, weil
die tägliche Praxis ihnen vor Augen führt, daß es zwingend
notwendig ist, sich zusätzlich damit auseinanderzusetzen, um
politisch handlungsfähig sein zu können. Genau diese Mechanismen
nämlich schränken Frauen auch in der Szene in ihrer
Handlungsfähigkeit ein. Sie fallen auch in der Szene vielleicht ein
wenig subtiler in politischen Zusammenhängen aber ganz klar im
subkulturellen Bereich aus der gesetzten (männlichen) Norm und
können dieser somit nie entsprechen. Denkt mann an Linke, denkt mann an
Männer.
Unumwunden wird im Text die Frage gestellt, inwieweit und unter welchen
Bedingungen Männer in der Szene überhaupt zu fortschrittlichem,
emanzipatorischem Denken fähig sind. Sie tragen die gesellschaftliche
Grundnorm der hegemonialen Männlichkeit4, die zugleich
ihre eigene verinnerlichte und gelebte ist, unfähig sie als solche zu be-
und schon gar nicht anzugreifen. Solange der Widerspruch zwischen eigenem
postuliertem Anspruch und der eigenen alltäglichen Regenerationspolitik
patriarchaler Strukturen von ihnen unangetastet bleibt und sie die von ihnen
aktiv produzierten und genutzten Geschlechter-Realitäten in der Szene naiv
verkennen, ist da wohl wenig zu hoffen.
Wenden wir uns also jener Aussage zu, die unbequem ist, weil sie strukturelle
und individuelle Veränderungen einfordert, indem sie Subjekte im
Machtverhältnis benennt:
Auch in unseren Zusammenhängen ist die gesellschaftlich-tradierte Norm der
Hegemonialen Männlichkeit unangefochten akzeptiert und wird meist
sogar zufrieden und durchaus stolz von den Männern in der Szene
praktiziert. Der platte Spruch Wir sind die Guten!, der in Worte
faßt, was die meisten Antifas tatsächlich für sich in Anspruch
nehmen, ist zwar nett, suggeriert aber, damit im Machtverhältnis auf der
guten Seite zu stehen, zumindest nicht Täter,
Herrscher zu sein, jedes Hinterfragen ist somit für sich nicht
notwendig. Das Geschlechterverhältnis kennt jedoch kein Machtzentrum,
sondern wird kollektiv und individuell oft in
Komplizenschaft mit Frauen immer wieder aufs Neue manifestiert. Jeder
trägt mit.
Der erste Schritt, einen Umgang mit dem Thema für uns zu entwickeln,
heißt zunächst also das Wesen und die Mechanismen nachzuvollziehen,
die patriarchale Strukturen ausmachen.
Wie kann also männliche Herrschaft erklärt werden? Die Grundlage
schafft der dekonstruktivistische Ansatz, der klarstellt: Geschlecht an sich
gibt es nicht, sondern es wird durch alltägliche Wiederholungen des
doing gender konstruiert. Ein Prozeß also, der tagtäglich
durch Handlungen, Gesten das ungleiche Geschlechterverhältnis
wiederherstellt, an dem alle beteiligt sind.
Geschlecht ist nicht, sondern wird gemacht
Die Geschlechtsidentität umfaßt auch jene
diskursiven/kulturellen Mittel, durch die geschlechtliche Natur
oder ein natürliches Geschlecht als vordiskursiv,
d.h. der Kultur vorgelagert oder als politisch neutrale Oberfläche, auf
der sich die Kultur einschreibt, hergestellt und etabliert
wird.5
Es gibt keine Natur von Geschlecht, die nicht immer bereits diskursiv
fixiert und damit gesellschaftlich bestimmt wäre. Indem einerseits
die Gesellschaft mit der Geburt eines Kindes an es geschlechtsspezifische
Anforderungen und Zuweisungen vornimmt und andereseits die zugewiesene
Identität vom Individuum durch alltägliche Handlungen
immer wieder hergestellt und verinnerlicht werden. Geschlechtsidentität
ist also nicht natürliche Folge der vorgegebenene natürlichen
Gegebenheiten. Geschlechter sind also nicht natürlich
vorgegeben, sondern sind kulturell konstruiert: Der Körper muß also
als Objekt kultureller Einschreibung betrachtet werden statt als Garant des
wahren Seins. Folgt man diesem Ansatz, werden Männlichkeit und
Weiblichkeit gesellschaftlich konstruiert und als entgegengesetzte
Identitäten institutionalisiert. Sie werden durch Fixierung hierarchischer
Differenzen, die immer schon in eine zwangsheterosexuelle Matrix eingeschrieben
waren, definiert. Im Mittelpunkt steht somit nicht die vorgängige Natur,
sondern jene unendlichen Wiederholungen des doing gender6,
die die herrschaftliche Ordnung tagtäglich befestigen. Die männlichen
bzw. weiblichen Identitäten und Geschlechterrollen folgen nicht
naturgemäß aus der biologischen Anatomie. Daß sie andererseits
auch nicht jeden Tag frei wählbar sind, wird gerade auf ihre starke
kulturelle Verankerung auf allen Ebenen (sei es die strukturelle, symbolische,
leibhaftige, etc...) zurückgeführt7: Zum einen durch
unseren eigenen Körper, indem wir die sozialisierte
Geschlechteridentität tief verinnerlicht haben und diese leben
andererseits durch gesellschaftliche Institutionen, die vom Individuum
permanent geschlechtsspezifische Handlungen abfragen.
Geschlechteridentitäten sind also kulturelles Produkt und Ergebnis
umfassender individueller Verinnerlichungsarbeit zugleich und erscheinen daher
fast als natürliches Schicksal, sozusagen als die 2. Natur
jedes Menschen.
Das Geschlechterverhältnis steht schon immer in dialektischem
Verhältnis zu sozioökonomischen Existenzweisen, die
historisch-spezifisch und materiell konkret geprägt sind: Indem die
sozioökonomische Realität als gesellschaftliche Bedingungen sich in
die Sozialisation, das Denken und Handeln des Individuums einschreiben,
reproduziert das Individuum als Subjekt die kapitalistisch-patriarchale
Gesellschaft und damit reproduziert sie sich selbst. Gerade durch das
weitgehend Unbewußte des soziokulturellen Orientierungssinns der
Erscheinung der Geschlechteridentitäten prägt der Habitus die private
und öffentliche Arbeitsteilung, die Trennung der Gesellschaft in
Privatheit und Öffentlichkeit. Naturalisierte Institutionen , wie z.B. die
heterosexuelle Ehe, weibliche Reproduktion, männliches Brotverdienen,...)
verfestigen durch Zuschreibung von Eigenschaften die symbolische
Repräsentation der Geschlechter. Da auch diese Institutionen als auch die
gesamte Gesellschaft beständiger Veränderung unterworfen sind, gibt
es nicht die kapitalistischen patriarchalen Herrschaftsverhältnisse
als etwas totales, sie sind vielmehr geprägt durch die Offenheit des
Sozialen.
Konstruktion und Normsetzung der Hegemonialen Männlichkeit als Position
des Souveräns Die Idee des Anderen und die Spezifik im
Geschlechterverhältnis
Der Körper des Mannes ist sinnhaft durch sich selbst, auch ohne
den der Frau, während der ihre sinnentbölößt scheint, wenn
man den männlichen nicht einbezieht.... Der Mann denkt sich ohne die
Frau. Sie denkt sich nicht ohne den Mann. Und sie ist nichts anderses als das,
was der Mann bestimmt. ....Sie wird mit Bezug auf den mann determiniert und
differenziert, er aber nicht mit bezuig auf sie. Sie ist das Unwesentliche
gegenüber dem Weesentlichen. Er ist das Subjekt, er ist das Absolute: Sie
ist das Andere8
Dualistisches Denken also Denken in Gegensätzen und
Alterität9 gibt es schon solang wie die Menschen selbst. Keine
Gemeinschaft definiert sich nur als die Eine ohne gleichzeitig die
andere entgegenzusetzen. Doch erst mit Hegel, der im
Bewußtsein selbst eine grundlegende Feindschaft gegenüber jedem
anderen Bewußtsein feststellte. Das Subjekt setzt sich nur, indem es
sichentgegensetzt mit dem Anspruch, sich als das Wesentliche zu behaupten und
das Andere, als das Unwesentliche, als Objekt zu konstituieren.
Indem dass Andere das selbe tut, entsteht eine Wechselseitigkeit.
Anders im Geschlechterverhältnis, wo diese Reziprozität nicht
funktioniert: Während sich der Mann als das Eine, das
Wesentliche konstituiert und er die Frau als das Andere, als
das Unwesentliche setzt, setzt sich die Frau selbst nicht selbst
als Subjekt, sondern nimmt die Definition des Mannes an. So bestimmt der Mann
das Unwesentliche der Frau. Damit ist die hierarchische Ordnung hergestellt,
der Mann steht oben, die Frau unten er ist die Norm, sie die Abweichung.
Er ist das Subjekt sie das Objekt. Die gesamte menschliche
Geschichtsschreibung, alle menschlichen Bereiche sind von diesem Prinzip
durchzogen. Überall und zu allen Zeiten haben Männer bekundet,
Krönung der Schöpfung zu sein etwa in Religion: Gelobt
seist du, Gott, unser Herr und Herr der Welt, der mich nicht zu einem Weibe
gemacht hat sprechen die Juden in ihrem Morgengebet, während die
Jüdinnen beten: Gelobt seist du, Gott, der mich nach seinem Willen
geschaffem hat. Oder in der der Philosophie von Platon, der den
Göttern für deren Wohltaten dankte, daß sie ihn erstens frei
und nicht als Sklaven erschaffen hatten und zweitens, daß er ein Mann und
keine Frau geworden war.
Und während es früher noch explizit formuliert wurde, ist dieses
Prinzip unterdessen so in die menschliche Kultur, in unseren Alltag
eingeschliffen, daß es selbstverständliche Norm ist. Deutlich wird
das beispielsweise an unserer scheinbar natürliche, normale Verwendung der
Sprache: Wenn wir beispielsweise von Referenten reden, haben wir im
Kopf tatsächlich nur ein Bild männlicher Referenten, obwohl der
Begriff geschlechtsneutral verwandt wird und Frauen mitgemeint, in
ihn eingeschlossen sein sollen. (Im Gegensatz dazu das Bild, welches in unserer
Vorstellung bei der Variante von ReferentInnen erzeugt
wird)10
Hegemoniale Männlichkeit
Hegemoniale Männlichkeit bezeichnet jene herrschaftliche
Systematik, die die unterschiedlichen Subjektpositionen zu einer fiktiven
Einheit zusammenschnürt & zum phantasmatischen Fundament
männlicher Souveränität verdichtet. Über die Schaltung
ideologischer Knotenpunkte wird die politisch-ökonomische dominanz von
Männern über Frauen geschaffen. Sie versprechen Männern
essentielle Überlegenheit, die sich in struktureller Vormachtstellung
(ökonomisch, politisch, sozial etc.) als auch in symbolischer
Repräsentation (Sprache, wissenschaftlich, medial etc.)
niederschlägt.11
Durch tagtägliche unbewußte Unterscheidungen, die reflexartige
Hierarchisierungen vornehmen, wird hegemoniale Männlichkeit
zur grundlegenden, für alle geltenden Norm erhoben. Die souveräne
Position der wahren heterosexuellen Männlichkeit produziert
und klassifiziert nicht nur die natürlich unterlegene Position
der Weiblichkeit, sondern auch andere Formen der Männlichkeit als
unterlegene, kranke impotente, gestörte etc. unter sich. Dieses System,
flexibel und historisch stark veränderbar, nimmt Widersprüche, die
das tradierte Geschlechterverhältnis angriffen, in sich auf und
integriert sie als neuen Baustein in das Bild des hegemonialen männlichen
Souveräns (z.B. die neue Vaterfigur, die postmoderne Feminiesierung der
Männlichkeit: der nackte, schöne begehrenswerte Mann,...). Es zeigt
sich also die ständige Flexibilität des patriarchalen Systems, das
durch kapitalistische Krisen zu einer Vervielfältigung männlicher
Positionen, nicht aber zu deren prinzipieller Entmächtigung und Aufhebung
hegemonialer Männlichkeit führt, da die Einverleibung der
Widersprüche immer auf der Abgrenzung zum anderen Geschlecht,
zur Frau basiert. Die Pluralisierung von Männlichkeiten stellen
tatsächlich die hohe Flexibilität und Erneuerungskraft patriarchaler
Herrschaftsverhältnisse dar, statt Anzeichen ihrer gestörten Funktion
zu sein.
Die totale Gesellschaft und das Subjekt: Möglichkeiten einer
Veränderung
Bleibt die Frage nach den Veränderungsmöglichkeiten, die hegemonialen
Männern in einer kapitalistisch-patriarchal geprägten Gesellschaft
offenstehen. Gibt es Möglichkeiten für das Subjekt innerhalb der
Gesellschaft verändernd zu wirken oder ist es Spielball der Gesellschaft?
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis- und Veränderungsfähigkeit des
Subjekts, die natürlich für sich genommen nicht beanspruchen kann,
die gesamte Gesellschaft zu verändern. Jedoch gibt es Möglichkeiten
punktuelle Veränderungen nämlich im eigenen Umfeld zu
realisieren. Die Erkenntnisfähigkeit ist aber an bestimmte Bedingungen
geknüpft und somit kommen wir auf die Eingangsfrage zurück, ob unter
den gegebenen Umständen Männer in der Szene überhaupt
Träger, Subjekte fortschrittlicher, emanzipatorischer Politik werden
können. Unter den beschriebenen Umständen nicht:
Gäbe es in unseren Zusammenhängen keine so geformte
allgemeingültige Norm, müßten logischerweise sämtliche
besondere Perspektiven der unterschiedlichsten Leute innerhalb der
Zusammenhänge in der Basis einer gemeinsamen Politik von Identität
und Differenz explizit vorhanden sein, ohne eine Normierung und
Hierarchisierung unter ihnen vorzunehmen, z.B. die Kritik von Frauen an unseren
Strukturen. Aber wie bereits beschrieben, wird die hegemoniale männliche
Norm auch hier aktiv immer wieder von Männern reproduziert und bestimmt,
was wie Thema wird. Diese normierte Position allerdings aufzugeben heißt,
eine Machtposition (die daraus resultierende eigene Freiheit beruht auf der
Unfreiheit von Anderen) aufzugeben, sich von Privilegien zu
trennen. Das ist exakt der noch fehlende Umstand, der bei Männern die
Erkenntnis zuläßt, Akteur, Unterdrückender zu sein.
Die Aussaat von Widerstandspunkten quer durch gesellschaftliche
Schichtungen und die individuellen Einheiten12 könnte auf
diese Weise eine Reihe pointierter Störungen und Irritationen hervorrufen,
Widersprüche dynamisieren. Diese gibt es im Alltag überall, an denen
die hegemoniale Männlichkeit-Norm sichtbar gemacht und aufgebrochen werden
kann. Damit tragen sie die Möglichkeit der punktuellen
Veränderung in sich. Anstelle einer monolithischen Einheitsfront tritt
dann die Mobilität spontaner Gegenkräfte. Einen adäquaten Umgang
mit dem Thema innerhalb der Szene zu finden, setzt notwendig voraus, daß
sich Männer ihrer machtvollen Rolle, ihres alltäglichen profitablen
Mitbauens und Aufrechterhaltens des Geschlechterverhältnisses bewußt
werden müssen. Sie befinden sich in permanentem Widerspruch zwischen
postuliertem emanzipatorischen Anspruch und alltäglicher
Regenerationspolitik. Nur so ist es möglich, alltägliche individuelle
Handlungspraxen, wie frauenfeindliche Witze, heterosexistisches Besitzdenken,
homophobe Abwehr und stillschweigende Männersolidarität hinterfragbar
zu machen.
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