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Dieser Brief von j. space war als „Beitrag zur Debatte“ gekennzeichnet.
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Der, der sich angesprochen fühlt!?
Ich sehe, ich höre, Ich denke.

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Ich sehe Männer, die einmal Kinder waren. Ich sehe Männer, die nichts besseres im Kopf haben, als sich lustig zu machen. Ich höre Männer reden und ich denke, daß sie scheinbar nicht begriffen haben, wann und wie etwas ernsthaft und wichtig ist. Ich sehe Männer und ich denke, daß sie nicht den Eindruck vermitteln, den Willen zu besitzen, nicht doch irgendwann im Sessel zu sitzen. Bei Bier und Zigarette. Und die Alte steht in der Küche und kocht was zum Abend. Ich höre sie lachen und werde das Gefühl nicht los, daß ich, sobald ich den Mund zu weit aufmache, nicht mehr gewünscht bin. Ich denke, daß das nicht der Grund war, mich in angeblich besondere Verhältnisse zu begeben. Ich höre sie reden und ich denke, daß sie nicht wissen in welchen Räumen sie sich aufhalten. Jeder hat für sich einen eigenen Anspruch an das C.I. und dieser scheint der niedrigste von allen zu sein. Es ist billig, das Essen ist gut, die Frauen hübsch und ab und zu etwas Abenteuer oder ein gutes Konzert. Ich denke, ich halte mich in einem bestimmten Raum auf, weil die Dinge, die außerhalb dieser Mauer liegen, noch viel unerträglicher sind, als es drinnen der Fall ist. Mit einem Unterschied: Männer sind und bleiben scheinbar immer Männer, ob drinnen oder draußen. Ich mache eigentlich keinen Unterschied zwischen Mumu und Schwanz, aber im Augenblick werde ich mit brutaler Ignoranz darauf gestoßen, daß es einen fundamentalen Unterschied geben muß. Dies bestätigt die Annahme, daß Frauen sowieso intelligenter als Männer sein müssen, denn Kompromisse eingehen zu können, ist eine Frage des Bewußtseins, mit Kritik und Vorwürfen umzugehen. Ich habe bestimmt selten in meinem Leben soviel Schwachsinn gehört, wie in den vergangenen Wochen. Alle nur möglichen Register, die ein Mann, der ein Mann ist, und das ist er nur, wenn er sich als solcher bezeichnet, ziehen kann, wenn es um Sexismus geht. Infantiles Zustimmungsgelächter, platte

Ja, ich muß mir in Anbetracht der Tatsache, wie in den letzten Wochen die Diskussion um und über Sexismus geführt wurde, herausnehmen, euch fragen zu müssen, was ihr hier eigentlich wollt!

Sprüche, von „Na, mach DU doch!“ und „Sag doch endlich, was du eigentlich willst!“ (als ob ich von ihm verlange, mich zum Essen einzuladen und dann doch nein sage), einen Katalog, der Regeln und Gesetze zum Inhalt haben soll. Es ging sogar soweit, daß Frauen persönlich angegriffen wurden. Schon mal was von Solidarität gehört, aber wahrscheinlich habt ihr beim Altpapier immer andere sammeln lassen. Verwöhnte mittelständische Homeboys, die nicht die geringste Ahnung davon haben, was es bedeutet, einen Traum zu haben. Ja, ich kann euch sehen. Ich sehe euch als zuverlässige Pappis, die höchstens ein oder zweimal vergessen anzurufen, wenn sie heute Nacht nicht nach Hause kommen. Der Job ist auch einigermaßen okay oder muß er vielleicht? Und der Sohn kann auch ab und zu mal ein bißchen Prügel vertragen. Toll!
Ich hatte bisher immer angenommen, daß, welche Leute auch immer sich länger in den Räumen des C.I. aufhalten, sie einen bestimmten Grund hätten. Ich definierte diesen als menschlich, autonom und antifaschistisch in jeder Hinsicht. D.h. Entscheidungen zu fällen, die, wie auch immer, mit Kampf gegen die Verhältnisse in diesem Land und darüber hinaus zu tun haben. Selbständig die Entscheidung zu fällen, die persönlich mit der Erfahrung verknüpft ist, dem System der Herrschaft etwas entgegensetzen zu müssen, weil die Gegenwart ringsherum von Gesetzen, Grenzen und Mauern gekennzeichnet ist. Wahrscheinlich vergeßt ihr, daß dieser Kampf ein eigentlich uneigennütziger sein sollte. Wir sind in einer sehr gut behüteten Zeit aufgewachsen und an diesem Zustand wird sich so schnell erst mal nichts ändern. Wir wissen, wo wir ins Bett gehen können, wir sind reich genug, um uns jeden zweiten Abend zu betrinken und können uns hemmungslos das Gehirn zukiffen. Unsere Eltern mußten sich nicht darum kümmern, daß wir überhaupt das Alter von 10 Jahren erreichen, nein, sie brauchten sich lediglich Gedanken darüber machen, wann und was wir „später mal machen“ könnten. Völlig vereinnahmt von dem Gefühl, daß wir das Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ erreicht hätten, ging der Run auf die Institutionen los, ohne auch mal einen kurzen Augenblick von „seinem eigenen Weg des Elends“ nach rechts, links oder vorn, hinten oder oben und unten zu schauen. Was dabei herausgekommen ist in den letzten neun Jahren können wir jeden Tag in der Zeitung lesen, jeden Tag auf der Straße nicht sehen und an unserem eigenen Verhalten anderen Menschen gegenüber (in unserer mittel- und unmittelbaren Umgebung) festmachen. Das dazu natürlich etwas mehr gehört, als ab und zu mal ‘ne Szenezeitung oder ein Spex aufzuschlagen, ergibt sich von selbst.
Ja, ich muß mir in Anbetracht der Tatsache, wie in den letzten Wochen die Diskussion um und über Sexismus geführt wurde, herausnehmen, euch fragen zu müssen, was ihr hier eigentlich wollt!
Autonom zu sein bedeutet für mich, mich jeglichen unterdrückten und ausgebeuteten Menschen psychisch und physisch verbunden zu fühlen und meinen eigenen Vorurteilen, die ich zwangsläufig in meinem Kopf habe, auf den Grund zu kommen und mich gegen sie zu erwehren. Autonom zu sein bedeutet, sich Räume zu schaffen oder sie zu „erobern“, in denen ich mich frei bewegen und mitteilen kann. Diese Tatsache hatte ich bisher angenommen, nun stelle ich fest, daß das naiv und oberflächlich war. Die roten Lampen gehen an und Mann fühlt sich seiner Stärke beraubt, die sein Selbstbewußtsein ausgemacht hatte. Stärke, die auf der Annahme beruht, sich selbst und andere schützen zu müssen, weil die

...weil die Zukunft anders aussieht oder aussehen soll und dieser Laden als Erinnerung an eine „rebellische“ Jugend in etwaigen Geschichten auftaucht, mit denen sich Mann wunderbar selbst und anderen klarmachen kann, auch irgendwie antifa, autonom und was weiß ich gewesen zu sein.<

offensichtlich vermitteln, daß sie nicht in der Lage wären, dies selbst zu können. Daß Mann sich damit in die vorgegeben Herrschaftstrukturen, gegen die er eigentlich anzukämpfen glaubt (Hier wieder die Frage: Tut er das überhaupt?), eingliedert und damit auch unterstützt, ist ihm scheinbar nicht bewußt. Daß damit auch sein angebliches Bild von Frauen, wie sie zu sein haben, auf die jeweilige Person gegenüber, projiziert wird, wird nicht als Vorurteil, sondern als „normal“ und „weiblich“ identifiziert. Selbst wenn es nicht der Fall wäre, davon auszugehen, daß auch ihr mit einem Laden wie diesem etwas verbindet, was nicht ausnahmslos, aber zumindest ansatzweise politisch gesellschaftliche Verhältnisse aufzubrechen versucht, dann wäre doch zumindest auch der ehemalige Ruf der angeblich subkulturellen Musikschiene, die auch von euch vertreten wird (Hardcore/Punk usw.) es wert, überprüft zu werden, ob und wie die damit verbundenen Vorstellungen einer „besseren und gerechteren Welt“ in die Gegenwart übertragbar sind. Und eigentlich sollte euch doch auch daran gelegen sein, diesen Gedanken nicht ohne weiteres abzutun, sondern ihn auf eine Art und Weise weiterzuführen, die den vorausgesetzten Ansprüchen genügt. Aber am Ende ist es ja eh egal, weil die Zukunft anders aussieht oder aussehen soll und dieser Laden als Erinnerung an eine „rebellische“ Jugend in etwaigen Geschichten auftaucht, mit denen sich Mann wunderbar selbst und anderen klarmachen kann, auch irgendwie antifa, autonom und was weiß ich gewesen zu sein.
Das ihr euch mit Unverständnis, Ignoranz, komplett unpolitischem Bewußtsein, gerade im Zusammenhang mit einer für mich diffusen (Musik-)Kultur, die hier angeblich praktiziert wird, selber ins Aus katapultiert, ist euch auch nicht so richtig klar. Nur wenn Mann Kritik und Veränderung verinnerlicht und versucht, sie seinen eigenen Desinteressen in Reflexion entgegenzustellen, ist es möglich, eine Ebene zu schaffen, auf der angemessen diskutiert werden kann. Und noch etwas, ich finde, daß jeglich wirkliche antihegemoniale Kunst, egal als was sie sich ausdrückt, und die sich auch einen solchen Anspruch gibt, nämlich autonom etwas gegen bestehende Herrschaftverhältnisse, die auch die Herrschaft des Mannes über eine Frau begreift, es verdient, auf genau diesen Anspruch geprüft zu werden. Warum wird denn gesagt, daß wir den Laden zu machen könnten? Gibt es wirklich keine Musik mehr, die menschlichen, antirassistsichen, antisexistischen, antifaschistischen und autonomen Ansätzen nicht entbehrt? Daß es genau solche Musik nicht geben soll, beweist doch nur, daß wir diese gar nicht zulassen, weil sie wiederum immer nach einem kritischem Selbstbewußtsein fragen würde. Nicht zu stagnieren bedeutet, immer in Bewegung zu bleiben, nun vor allem sich selbst gegenüber.
j.space Januar/Februar ‘98


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last modified: 28.3.2007