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Sabine GrimmSexismus ohne Sex |
Während der Komplex Rassismus/Nationalismus ausgiebig diskutiert wird, sieht es hinsichtlich des Sexismus eher dürftig aus.Ich halte es für eine Reduktion und Bornierung linker Theorie, wenn alles sich nur noch um den neuen Hauptwiderspruch dreht, als ob sämtliche sozialen Machtverhältnisse sich hieraus ableiten und erklären ließen. Umgekehrt ist davon auszugehen, daß auch die Analyse und Politik des Rassismus ihren Gegenstand nicht trifft, wenn sie nicht den Zusammenhang und die Verknüpfungen mit anderen sozialen Verhältnissen berücksichtigt.Mir geht es jetzt nicht darum, Feminismus gegen linke Theorie auszuspielen. Ich halte diese Separierung für fatal, sie stützt letztlich eine Arbeitsteilung, derzufolge Frauen sich mit sog. Frauenthemen beschäftigen und linke Männer weiterhin das Thema Sexismus ignorieren oder delegieren können. Die Realität dieser Arbeitsteilung ist auch auf diesem Kongreß wieder offensichtlich. Dabei muß man jedoch gleichzeitig klar sehen, daß Frauen, genauer: deutsche Frauen, prinzipiell Zugang haben zu diesen Zusammenhängen und die Linie der Ausgrenzung an anderer Stelle verläuft. Während es genug Frauen gibt, die hier für sich sprechen können, ist die Situation derjenigen, die rassistisch diskriminiert oder gar verfolgt werden, was die Frage ihrer Repräsentation anbetrifft, strukturell anders. Die antirassistische Linke spricht hier gewissermaßen in Stellvertretung, was sich auch bei diesem Kongreß wieder an der Zusammensetzung des Podiums zeigt. In den USA oder in England wäre ein solcher Kongreß undenkbar: Das liegt sicher auch an der unterschiedlichen Situation von Ausländerlnnen in der BRD, wo es eine Organisierung nur in Ansätzen gibt, dennoch hätte man sich darum bemühen können. Ich will damit nicht die rassistisch Verfolgten wiederum auf ihre Opferrolle festlegen. Ich denke mir, daß man diesen strukturellen Ausschluß sehen muß, wenn man selbst unablässig davon redet, die rassistische Gemeinschaft aufbrechen zu wollen. Ich möchte im folgenden auf drei Punkte eingehen: 1) werde ich versuchen, sehr verkürzt nachzuzeichnen, wie in der derzeitigen Rassismus-Debatte Geschlecht und Sexismus theoretisch gefaßt werden, 2) einige Überlegungen zum Verhältnis von Rassismus und Sexismus anstellen und 3) fragen, inwiefern analog zur These vom Rassismus ohne Rassen (Balibar) auch von einem Sexismus ohne Sex die Rede sein kann. DIE KATEGORIE GESCHLECHT IN DER RASSISMUSTHEORIE: ZWISCHEN IDEOLOGIEKRITIK UND ESSENTIALISMUS Bei genauerer Betrachtung scheint das Problem vieler linker Theorien fast weniger darin zu bestehen, daß das Thema Sexismus hier selten auftaucht, sondern wie es behandelt wird. Im wesentlichen gibt es zwei Varianten der Thematisierung, die uns in der aktuellen Rassismus-Diskussion immer wieder begegnen. Beide treten in der Regel vermischt auf, ich unterscheide sie hier nur idealtypisch: 1. die ideologiekritische Analogisierung: 2. die essentialistische Unterscheidung, die innerhalb der Linken eher dominiert: Ich gebe zwei Beispiele, beide von Theoretikern, die ansonsten ideologie- bzw. diskurstheoretisch argumentieren, sobald es um Geschlecht geht, jedoch auf Natur, Biologie und ähnliches rekurrieren. Das erste findet sich in einem Text von Wolfgang Fritz Haug (Argument-Mitherausgeber), in dem er über Anti-Rassismus nachdenkt und dabei auch ein paar grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis von Rassismus und Sexismus anstellt: Das Komplementär-Verhältnis der beiden Geschlechter findet bei den unterschiedlichen Phänotypen von Menschen, die der Rassismus zu Rassen totalisiert, keine Entsprechung ... weil ... die beiden Geschlechter gerade in ihrer Differenz unmittelbar aufeinander verwiesen sind, was als natürliches Gattungsverhältnis etwas anderes ist als ein bloßer Unterschied und insofern mit dem Verhältnis unterschiedlicher Rassen nicht verglichen werden kann ... (Haug: 1992, 38). Das natürliche Gattungsverhältnis bezieht sich auf Marx, den Haug im Anhang ausführlich zitiert: Das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. Während also für Haug Rassen erst durch den Rassismus konstruiert werden, entspringt dei Sexismus umgekehrt unmittelbar gegebenen Grundlage der auch für ihn natürlichen und notwendigen Heterosexualität. Dabei ist Haug sicher nur einer von vielen ehemaligen Marxisten, die zwar ausgiebig den Ökonomismus der Marxschen Theorie kritisieren, deren naturalistische Vorstellung von Materialismus aber noch immer in dieser Tradition steht. Besonders deutlich wirkt dieses Erbe des Marxismus dort nach, wo es um die Frage des Geschlechterverhältnisses geht. Und das betrifft nicht nur alte Neue Linke wie Haug, sondern auch neue Neue Linke. Ein anderes Beispiel: Robert Miles, ein britischer
Rassismus-Theoretiker, sieht die Verknüpfung von Rassismus und Sexismus
darin, daß die biologische Reproduktion ja die entscheidende
Grundlage für die Reproduktion der Rasse abgibt (Miles:
1991, 365). Miles argumentiert ansonsten mit der Unterscheidung von sex und
gender (biologisches/soziales Geschlecht), was ihn aber - bezeichnenderweise -
nicht davon abhält, den Begriff der Reproduktion, wie auch Haug, an das
biologische Geschlecht (sex) zu knüpfen. Beide reißen
damit die generative Reproduktion aus ihrem sozialen Zusammenhang und stellen
sie in den Horizont einer imaginären Natur, statt sie als soziale Praxis zu begreifen. DER MYTHOS DER GENEALOGIE Mit dem Begriff der Bevölkerungspolitik meine ich aber nicht nur
den §218, sondern prinzipiell alle Praktiken und Diskurse, die auf
die soziale Reproduktion der nationalen Ge- meinschaft zielen, also z.B. auch
arbeitsmarktpolitische Maßnahmen nach dem Muster Deutsche
zuerst. Dabei stellt allerdings die Normierung des generativen und
sexuellen Verhaltens der Individuen eine zentrale Ebene dar. Zum Dispositiv der
Bevölkerungspolitik gehören nicht nur die staatlichen Einrichtungen
des Standesamtes und des Erbrechts, die demographischen Techniken zur
Geburtenkontrolle und zur Messung der Bevölkerung (also auch jene
Statistiken, die die sogenannte Überfremdung der Deutschen so
anschaulich illustrieren), gesundheitspolitische und medizinische
Maßnahmen etc., dazu gehört auch die scheinbar private Ebene der
sexuellen Praxen und des Heiratsverhaltens der Individuen. Die Normierung
erfolgt nicht nur von oben, vielmehr basiert sie
größtenteils auf der Grundlage der freiwilligen Unterwerfung der
Individuen unter die nationale Gemeinschaft - wie z.B. dann, wenn eine Frau
ihrer Tochter nahelegt, sich nicht mit einem Türken einzulassen. RASSISMUS OHNE RASSEN - SEXISMUS OHNE SEX? Und diese Evidenz gilt ebenso für die Kategorie der
Rasse - der aufklärerische Hinweis darauf, daß die
Wissenschaft die Vorstellung von biologischen Rassen widerlegt hat, hat noch
keinen Rassisten davon abgehalten, genau zu wissen, wen er angreift. Denn
für die Individuen, die als Rasse identifiziert werden und
sich zum Teil selbst identifizieren, ist es ziemlich egal, ob die Biologie oder
der Diskurs, Natur oder Kultur als Erklärungen dafür herangezogen
werden, daß sie ausgegrenzt, stigmatisiert oder verbrannt werden. Die
scheinbar objektive (natur)wissenschaftliche Widerlegung aber
hatten die Autoren im Kopf, als sie den Satz formulierten: Menschliche Rassen
gibt es nicht. Und dies scheint mir auch ein Grund dafür, daß viele
Linke selbstverständlich Rasse für fiktiv
halten, bei Geschlecht jedoch argumentieren, daß es sich hier
doch zweifellos um einen grundlegenderen Unterschied oder eine
nicht zu leugnende Tatsache, kurz um eine Realität
handle. Meine Vermutung ist, daß, wenn die Formulierung Rassismus
ohne Rassen in dieser ideologiekritischen Weise eingesetzt wird, also im
Sinne von Wie uns die Wissenschaft gesagt hat, gibt es menschliche Rassen
nicht, im Hintergrund immer noch eine naturalistische Vorstellung von
Materialismus steht, die Materialität nicht über die soziale Praxis,
sondern als Gegebensein denkt und letztlich dem hegemonialen biologischen
Diskurs verhaftet bleibt. Und diese Vorstellung tritt vorzugsweise dann zutage,
wenn es um Geschlecht geht. Wenn man Balibars These vom Rassismus ohne Rassen so
versteht, wie er sie einsetzt, nämlich als rhetorischen Hinweis auf eine
Verschiebung der dominanten rassistischen Artikulationsweisen hin zu einem
kulturalistischen Neorassismus, ließe sich die Analogie (Sexismus ohne
Sex) in verschiedener Hinsicht weitertreiben: Die gegenwärtige Situation erscheint paradox: Einerseits sind viele feministische Themen in den gesellschaftlichen Konsens eingegangen und selbst die CSU kann es sich heute nicht mehr erlauben, das Frauenthema auszulassen, andererseits lassen sich verschiedene Entwicklungen der letzten Jahre, wie die ideologische Refamiliarisierung oder die Entscheidungen zum [[section]] 218, nur als backslash begreifen. Ideologisch funktioniert dieser sexistische Gegenschlag jedoch nicht einfach nur über antifeministische Argumentationen, vielmehr finden sich darin auch Versatzstücke aus feministischen Diskussionen, vor allem solche, die die Geschlechterdifferenz betonen. Wenn meine These vom Neosexismus, der selbst universalismuskritisch argumentiert, zutrifft, stellt sich u.a. die Frage, inwiefern der Differenz-Feminismus der 80er Jahre an der Verschiebung der Artikulationsweisen beteiligt war, indem er die andere weibliche Moral, Sprache, Sexualität etc. beschwor und dabei gängige Weiblichkeitsstereotypen affirmierte. Das soll nicht heißen: der Feminismus ist an allem schuld - das liefe auf eine Verkennung der Machtverhältnisse hinaus. Allerdings ist nun, im Unterschied zur Situation Ende der 60er Jahre, von einer qualitativ anderen Stufe feministischer Theorie und Praxis auszugehen: ihrer gegen Ende der 70er Jahre einsetzenden und während der 80er Jahre voran getriebenen Institutionalisierung, Akademisierung und Etatisierung. Gleichzeitig wurde nicht erst mit dem Ausbleiben einer radikalen Kritik am Karlsruher Urteil deutlich, daß es eine Frauenbewegung nicht mehr gibt. Feministinnen, die an der Kritik des Geschlechterverhältnisses festhalten, sehen sich nun nicht mehr allein vor die Aufgabe gestellt, (Neo-)Sexismus und Antifeminismus anzugreifen, zugleich sind sie zur Kritik dessen gezwungen, was derzeit unter den Etiketten Feminismus und Frauenpolitik läuft. Anmerkungen: (1) Gegen den multikulturellen Rassismus führten die Ökolinken (Ditfurth u.a.) in Frankfurt ihren Wahlkampf gegen Rot-Grün und erklärten dabei Daniel Cohn-Bendit zum Hauptfeind. Gleichsetzungen von Cohn-Bendit und Alain de Benoist sind hier üblich. Es wird nicht mehr analysiert, in welcher Weise jeweils Differenz artikuliert ist (multikulturalistisch als Recht auf Differenz oder ethnopluralistisch als Pflicht zur Differenz?), sondern draufgehauen, sobald bestimmte Begriffe auftauchen. (2) Obwohl es auch hinsichtlich der Kategorie Rasse essentialistische Positionen gibt, wie nicht erst Christoph Türcke auf dem Konkret-Kongreß offenbarte, indem er den Rassebegriff affirmativ einsetzte und eine, scheinbar durch ihre kapitalismuskritische Pointe für viele akzeptable Rassenlehre vortrug. In diesem Kontext sei auch auf die rousseauistische Traditionslinie der Linken verwiesen, d.h. auf jene Zivilisationskritik, die sich in ihrer Bezugnahme auf Natur nicht selten als Exotismus gegenüber den Anderen (wie auch gegenüber der Frau) äußert, insofern mit ihrer größeren Nähe zur Natur, mit ihrer geringeren Entfremdung etc. argumentiert wird. Das Genre der Zivilisationskritik funktioniert nicht zufällig oft als bevorzugtes Feld für Positionswechsel von links nach rechts. (3) Ein eindrucksvolles Beispiel für diese Verschiebung und den Einsatz feministischer Argumentationen bietet die gerade erschienene Schering-Frauenstudie, durchgeführt vom Allensbacher Institut für Demoskopie. Die Frauen in Deutschland sind der Untersuchung zufolge recht zufrieden mit ihrer Situation. In der Einführung wird dies folgendermaßen erklärt: Der Erfolg der Emanzipationsbewegung wurde oft einseitig danach bemessen, wie weit es Frauen gelungen war, mit Männern gleichzuziehen, gemessen an der Repräsentanz in verantwortlichen Positionen, in Ausbildungsgängen und Berufen, in den Interessensgebieten und Einstellungen. Unterschiede zwischen Männern und Frauen, z.B. in den Interessensgebieten und bei der Berufswahl, wurden entsprechend meist als zäh weiter bestehende Defizite interpretiert ... Erst allmählich wurde bewußt, daß diese Sichtweise männliche Einstellungen, Interessen und Lebensmuster zum entscheidenden Maßstab für ... |
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