Oder eine Anregung, doch mal wieder Marx zu lesen...
von Jochen
Linke habens leicht. Irgendwie ist man für das Gute und wenn man
bei den Linken ist, gehört man auch noch zu den Guten. Prima! Damit
wäre alles geklärt und der Artikel könnte schon beendet sein.
Doch so einfach ist es leider nicht auch wenns schöner
wäre...
In seinem Artikel Nicht wie, sondern warum (CEE IEH #58) hat Ralf
folgenden Satz geschrieben: Wer an der Emanzipationsfähigkeit des
Individuums oder des Subjektes festhält, muß auch gleichzeitig dazu
bereit sein, die Schuldfähigkeit der genannten in Kauf nehmen zu
können. Denn beides läßt der Kapitalismus zu trotz des
herrschenden Warenfetischismus, der Tatsache, das alles und jedes zur Ware
gemacht wird, sei es nun Produkt oder Mensch oder sonstwas. (CEE IEH #58,
S.36)
Mit dieser Aussage hat Ralf verdeutlicht, was Grundlage linken Denkens sein
sollte an der Emanzipation des Subjekts festzuhalten. Was dabei
einschränkend wirkt, menschliches Denken und Handeln bestimmt oder
zumindest beeinflußt, hat er allerdings nur in einer Randbemerkung
erwähnt, den herrschenden Warenfetischismus.
Zu zeigen was damit gemeint ist, ist jedoch unerläßlich, um
aufzuzeigen, wie jedeR auch als LinkeR innerhalb der
kapitalistischen Gesellschaft integriert ist und welche Auswirkungen das auf
die Individuum hat. Dann zeigt sich nämlich auch, daß es nicht
reicht, als LinkeR einfach nur für das Gute zu sein.
In diesem Artikel soll es mir also darum gehen, zu zeigen, was
Warenfetischismus ist oder die marxsche Vorgehensweise der Entschlüsselung
des Fetischcharakter[s] der Ware und sein[em] Geheimnis
nachvollziehbar zu machen.
Vorher ist nur noch kurz zu erwähnen, um auf das Zitat von Ralf
zurückzukommen, das Warenfetisch nicht die Tatsache meint das alles
und jedes zur Ware gemacht wird, sei es nun Produkt oder Mensch oder
sonstwas. Das ist vielmehr als die Totalisierungstendenz, die dem
Kapitalismus immanent ist, zu verstehen.
Doch was ist nun Warenfetischismus und wieso ist er von so entscheidender
Bedeutung.
Um dies zu verstehen, ist eine Auseinandersetzung mit dem marxschen Kapital
notwendig. Der Analyse Marx über den Warenfetischismus liegt die
philosophische Kategorie der Dialektik von Wesen und Erscheinung zu Grunde.
Diese dialektische Vorgehensweise meint damit, die Begriffe von Wesen und
Erscheinung einerseits in Widerspruch zueinander, andererseits aber auch in
ihrer Einheit zu betrachten sind.
Während die Erscheinung die unmittelbare Wahrnehmung meint, die ohne
theoretische Abstraktion erfolgt, ist das Wesen letztlich die Grundlage der
Erscheinung, das Dahinterliegende, welches jedoch nur mit Hilfe theoretischer
Abstraktion zu erkennen ist. Der Zusammenhang zwischen Wesen und Erscheinung
ist somit der, daß das Wesen erscheint, allerdings, betrachtet man
die Erscheinung oberflächlich und ohne theoretische Abstraktion, so
erscheint das Wesen häufig in gegensätzlicher, verkürzter und
verfälschter Form.
Dieser dialektische Begriff von Wesen und Erscheinung ist dem marxschen
Kapital immanent und ist für das Verständnis des
Warenfetischismus von entscheidender Bedeutung.
Marx beginnt sein Kapitel über den Warenfetischismus mit der Feststellung,
daß die Ware zwar als ein selbstverständliches, triviales
Ding erscheint, aber eigentlich ein sehr vertracktes Ding
ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken.
(Marx, 85)1
Die Ware, die eine konkrete, dingliche, nützliche Seite, den Gebrauchswert
hat, ist zugleich stofflicher Träger des Werts, der im Tauschwert
erscheint. Sobald sie als Ware auftritt, wird sie nun ein sinnlich
übersinnliches Ding. (85)
Marx beschreibt diese Besonderheit der Ware in einer Metapher, welche die
sinnlich übersinnliche Eigenschaft der Ware verdeutlicht. Er
beschreibt einen Tisch, der sobald er als Ware auftritt nicht nur mit
seinen Füßen auf dem Boden steht, sondern er stellt sich
allen anderen Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem
Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu
Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte,
untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten.:
Warenfetisch Staubsauger.
|
tanzen begänne. (85)
Damit sind schon die wesentlichen Eigenschaften dessen aufgezeigt, was er bald
darauf als den Fetischcharakter der Ware kennzeichnet.
Die mystische Form der Ware entspringt ihre Fähigkeit, sich
allen anderen Waren gegenüber auf den Kopf zu stellen
also sich in den Tausch zu begeben und ermöglicht ihr eine Stellung
als wenn (Hervorhebung durch mich) sie aus freien
Stücken zu tanzen begänne, daß heißt in die Rolle
des handelnden Subjekts gerät.
In den Worten ökonomischen Analyse von Marx bedeutet dies nun folgendes:
Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß
sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als
gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als
gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher
auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als
ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von
Gegenständen. Durch dieses Quidproquo2
werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche
Dinge. (86)
Zusammengefaßt bedeutet dies:
Das, was die Produkte zu gesellschaftlichen Produkten macht, daß sie also
alle die gleiche abstrakte menschliche Arbeit in sich enthalten, die den Wert
der Waren bildet, wird in den Waren selbst als deren eigene natürliche
Eigenschaft zurückgespiegelt es wird nicht auf sie projiziert
sondern diese Zurückspiegelung entspringt dem Tauschprinzip in der
kapitalistischen Gesellschaft. Das Wesentliche daran ist, daß
gesellschaftliche Charaktere der menschlichen Arbeit in den Waren verdinglicht,
vergegenständlicht werden. Dadurch wird es ein ihnen
äußerliches, so daß die Gesellschaft als eine durch die Waren,
nicht durch die Menschen regulierte wird. Die Warenwelt wird somit zu einer
zweiten Natur.
Das ist schon der Kern des Fetischbegriffs bei Marx. Der Begriff des
Warenfetischismus meint also die paradoxe Verkehrung subjektiver
menschlicher Potenzen zu objektiven Gewalt. (Lohoff) Eben diese Funktion
übernimmt die Ware, indem in ihr gesellschaftliche Verhältnisse
verdinglicht und in ihr als natürlich erscheinen.
Im Rückgriff auf historische Fetischformen vergleicht Marx diesen
Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren
produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich
ist (87) schließlich in einer Analogie zur Nebelreligion der
religiösen Welt.
Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eigenem Leben
begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende
selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen
Hand. (86)
Doch wieso wird nun die Ware zum Objekt des Fetischs, wieso erscheinen in ihr
die gesellschaftlichen Verhältnisse vergegenständlicht.
Der rätselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es Warenform
annimmt entspringt nach Marx dieser Warenform selbst dem
eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der Arbeit, welche Waren
produziert (87).
Schließlich werden sie erst zu Waren dadurch, daß sie Ergebnis
voneinander unabhängiger betriebner Privatarbeiten sind, deren
Komplex die gesellschaftliche Gesamtarbeit (87) bildet, aufeinander
bezogen werden können und gegeneinander getauscht werden können.
Das Problem, daß sich für Marx mit dem Austausch der Waren
verbindet, ist, daß den Produzenten der Waren erst hier der Wert ihrer
Ware erscheint, allerdings in der anderen Ware mit der getauscht wird
also in ihrem Warenäquivalent oder dem Geld. Da die
Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer
Arbeitsprodukte, erscheinen (Hervorhebung durch mich) auch die
spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst im
Austausch. (87)
Um dies zu verstehen, ist ein Begriff davon nötig, was Marx mit Austausch
meint.
Dieser ist nach Marx ein Verhältnis freien Willens, in das sich die
Warenbesitzer begeben. Nur, daß sich die Warenbesitzer während des
Austauschs nicht mehr in ihrer Rolle als Privatpersonen aufeinander beziehen,
sondern nur noch in ihrer Rolle als Warenbesitzer. Folglich ist der Austausch
nur noch ein Willensverhältnis, worin sich das ökonomische
Verhältnis widerspiegelt. (99) Somit kommt es zum Tausch von Ware
gegen Ware, der einen beidseitigen Willensakt darstellt, in dem man sich die
fremde Ware dadurch aneignet, daß man die eigenen veräußert.
Ein sozialer Stoffwechsel findet statt. Und da der Tausch ein freiwilliger Akt
ist, der auf dem Prinzip der Äquivalenz beruht, entsteht daraus ein
Tauschprinzip, auf das sich beide Tauschpartner einigen können.
Und warum ist das für den Begriff vom Fetischcharakter der Ware so
wichtig? Ganz einfach, weil hier im Tausch die Grundlage dafür gelegt
wird, daß der Wert der Ware verdinglicht erscheint. In dieser
Sozialformation des freien Tauschs, wird nämlich das Bewußtsein, der
Wille und das Handeln der Menschen, lediglich auf einen privaten
Betätigungsraum eingeschränkt, daß heißt der
Warenbesitzer ist selbst nur Privatmensch, der den Tausch vollzieht. Was
dem Bewußtsein und dem Willen der Menschen in dieser Gesellschaftsform
von Grund auf entzogen ist, ist der gesellschaftliche Zusammenhang und die
Planmäßigkeit der gesellschaftlichen
Produktion.3
Dieser gesellschaftliche Zusammenhang stellt sich immer erst Hinterrücks
ein, als unbewußtes Ergebnis, obwohl dieser gesellschaftliche
Zusammenhang doch schon in der Produktion der von Gebrauchswerten gegeben ist,
da diese für den Tausch produziert werden.
Er stellt sich jedoch hinterrücks her, da die kapitalistische
Warengesellschaft eine arbeitsteilige Gesellschaft vieler verschiedener
Privatproduzenten ist. Nicht die bewußte gesellschaftliche Planung ist
das Merkmal der Produktion, sondern es existieren viele vereinzelte
Privatproduzenten, die ihre Waren auf den Markt tragen. Die Konsequenz daraus
ist, daß die Produktion nicht durch die bewußte Planung reguliert
wird, sondern durch die vielen ökonomische Tauschverhältnisse.
Deshalb vollzieht sich die Planung über die Gesellschaft erst im
Nachhinein oder wie Wolfgang Fritz Haug sagt: Die Menschen haben die
Produkte gemacht. Aber indem sie die Produkte austauschen, machen sich die
Produkte selbständig und rufen durch ihre Bewegungen die
Gesetzmäßigkeiten hervor, die dann rückwirkend das Machen neuer
Produkte steuern. Daß heißt an den Produkten entfaltet sich eine
Macht über ihre Macher; sie kommandiert das machen, allerdings immer erst
nachträglich.4
Das dies unbewußt geschieht,
liegt dem Charakter des Tauschs zugrunde, innerhalb dessen die Produzenten die
Beziehungen zueinander nur im Namen ihrer Produkte aufnehmen. Hat sich dieses
Tauschverhältnis nämlich einmal durchgesetzt, so erscheint es auf
einmal natürlich: Sobald diese Proportionen [die Proportionen des
Austausches Anmerkung durch mich] zu einer gewissen
gewohnheitsmäßigen Festigkeit herangereift sind, scheinen sie aus
der Natur der Arbeitsprodukte zu entspringen. (89) Somit werden die Waren
zu den Objekten des Fetischs sie werden zu gesellschaftlichen
Dingen, welche die Gesellschaft regulieren. Daß heißt die
Menschen treten ihre Gesellschaftlichkeit an die Waren ab. Aber warum dies?
Werden sich nicht im Tausch die Werte der Waren gegenübergestellt aus dem
Interesse der Tauschpartner heraus, für die eigene Ware die Fremde Ware zu
erhalten? Und wird nicht der Wert der Ware durch gesellschaftlich
durchschnittliche Arbeitszeit bestimmt? Dies alles stimmt und Marx schreibt ja
auch: Da die Produzenten erst in Kontakt treten durch den Austausch ihrer
Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere
ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. (87) Allerdings
ist es das nicht, was interessiert, sondern es interessiert die Produzenten nur
noch, wieviel ihre Ware wert ist. Daß dies letztlich über die
gesellschaftliche Arbeitszeit bestimmt wird und daß sie im Austausch auch
ihre menschlichen Arbeiten gleichsetzen, wird deshalb nicht aufgehoben. Nur
sie (die Warenproduzenten) wissen das nicht, aber sie tun es. (88)
Sie brauchen es nicht zu wissen, denn es interessiert nur, wieviel sie für
ihre Ware von der anderen Ware bekommen. Was sie wissen, ist, wie der Wert der
Ware erscheint. Er erscheint oder vergegenständlicht sich in der
Naturalform einer anderen Ware, dem Warenäquivalent oder aber in
der Geldform, die im Laufe der historischen Entwicklung allgemein anerkanntes
gesellschaftliches Warenäquivalent wurde. Durch diese
Vergegenständlichung geht jedoch etwas wesentliches verloren, der Blick
auf das Gesellschaftliche.
Schließlich auch dadurch, daß der Wert einer Ware in Tausch
beständig unabhängig vom Willen, Vorwissen und Tun der
Austauschenden (89) wechselt5
, wird seine
Der Wert der Ware (...) erscheint oder vergegenständlicht sich
in der Naturalform einer anderen Ware:
Rasenmäher im flotten Motorrad-Design.
|
gesellschaftliche Dimension weiterhin verschleiert. Denn dadurch, daß
dies ohne Willen und Wissen der Produzenten passiert, erscheint er als
völlig außerhalb des Einflusses der Produzenten bestimmt. Deshalb
kann auch der Bezug auf die in den Waren steckende Arbeit auch keine Bedeutung
für die Tauschenden haben. Somit erscheint der Wert der Ware schon in der
Ware selbst verdinglicht, vergegenständlicht, indem seine
gesellschaftlichen Eigenschaften im Äquivalent, daß sinnlich
faßbar ist, ausgedrückt sind oder verdinglicht werden. Deshalb wird
das Warenäquivalent oder das Geld zum Objekt des Fetischs.
Zusammenfassung
Bezogen auf die heutige Verhältnisse, drückt sich dieser Fetisch fast
ausschließlich im Geldfetisch aus. Schließlich besitzt das Geld
heutzutage die Funktion des allgemein anerkannten Warenäquivalents. In ihm
werden also gesellschaftliche Verhältnisse verdinglicht. Daraus entspringt
schließlich eine Besonderheit im Denken.
Während im Warenäquivalent, die abstrakte gesellschaftliche Seite der
Ware der Wert verdinglicht erscheint, wird in der Ware die ihren
Wert im Äquivalent ausdrückt, nur die konkret nützliche Seite
der Ware ihr Gebrauchswert anerkannt. Folglich wird in heutiger Zeit
auch nur im Geld die gesellschaftliche Seite der Ware anerkannt.
Auf Grund dessen wird der Doppelcharakter den die Ware besitzt, ihre konkrete
und ihre abstrakte Seite, ihr Gebrauchswert und ihre Wert, in seiner
Erscheinungsform voneinander getrennt. Während es das Wesen der Ware ist
und hier zeigt sich die Bedeutung der Dialektik von Wesen und
Erscheinung ihren Gebrauchswert und Wert in sich zu tragen, erscheinen
diese beiden Eigenschaften der Ware im Tausch auseinandergerissen. In der Ware
erscheint die konkret nützliche Seite vergegenständlicht und im Geld
die abstrakt gesellschaftliche. Ein Aspekt des Fetischs ist es also,
daß kapitalistische gesellschaftliche Beziehungen nicht als solche in
Erscheinung treten, und sich zu dem antinomisch, als Gegensatz von Abstraktem
und Konkretem, darstellen.6
Im Gegensatz zu historischen Fetischformen ist der Warenfetisch jedoch keine
Form, die einfach durchschaut werden kann und danach ihre Wirkung verliert. Der
entscheidende Unterschied ist, daß der Warenfetisch nicht der
bloßen menschlichen Vorstellung entspringt, sondern eine reale
gesellschaftliche Grundlage hat den Tausch, der der
privat-arbeitsteiligen, ungeplanten, warenproduzierden Gesellschaft entspringt.
So kann Marx schließlich sagen: Die Bestimmung der
Wertgröße durch die Arbeitszeit ist daher ein unter den
erscheinenden Bewegungen der relativen Warenwerte verstecktes Geheimnis. Seine
Entdeckung hebt den Schein der bloß zufälligen Bestimmung der
Wertgrößen der Arbeitsprodukte auf, aber keineswegs ihre sachliche
Form. (89)
Das verdinglichte Bewußtsein entsteht also nicht durch Projektion oder
ähnliches, es entspringt der gesellschaftlichen Formation, was Marx
erlaubt, von objektive[n] Gedankenformen (90) zu reden, die daraus
entspringen oder wie Wolfgang Fritz Haug sagt: Was verkehrt
ist, ist nicht das Bewußtsein, sondern die
Gesellschaft.7
Denn ihrer Struktur entspringt es, daß in dieser Gesellschaft die
Warenform... zum konstitutiven Organisationsprinzip des Sozialen selbst
wird (Jochen Baumann), zur Vermittlerin sozialer Beziehungen zwischen den
Menschen und diese als sachliches Verhältnis der Personen und
gesellschaftliches Verhältnis der Sachen (87) erscheinen
läßt. Die Menschen treten sich also nicht mehr nicht mehr als
Subjekte gegenüber, sondern der gesellschaftliche Zusammenhang
erscheint statt dessen in Dingen inkorporiert. (Lohoff)
Das ist der Kern des Fetischproblems. Rückgreifend auf die Dialektik von
Wesen und Erscheinung läßt sich also feststellen: Der Fetisch
verweist nun auf die Denkweisen, die auf Wahrnehmungen und Erkenntnissen
basieren, die in den Erscheinungsformen der gesellschaftlichen
Verhältnisse befangen bleiben. (Postone) Verhart man nämlich in
der Analyse auf dieser Erscheinungsebene, so wird einerseits die
Emanzipationsfähigkeit des Menschen tatsächlich in Frage gestellt und
andererseits eine verkehrte Konsequenz gezogen. Die Trennung von Konkretem und
Abstrakten, die in der Erscheinung des Kapitalismus immanent ist, wird dabei
zum gefährlichen politischen Instrumentarium. Postone hat darauf in seinem
Essay über Nationalsozialismus und Antisemitismus hingewiesen. Diese
Trennung von Konkretem und Abstraktem, wie es dem Fetischdenken entspringt,
wurde nämlich im modernen Antisemitismus biologisierend und antisemitisch
interpretiert. So wird der Gegensatz zwischen stofflich Konkretem und
Abstraktem zum rassischen Gegensatz von Arier und Jude. (Postone)
Eine Linke, will sie wirklich kapitalismuskritisch sein, darf daher nicht
diesem Fetischdenken auf den Leim gehen. Das Denken in den Dimensionen des
Fetischs ist eben nicht unumstößlich und undurchschaubar. Lediglich
die ständige Reproduktion dieses Denken daß der
kapitalistischen Produktion entspringt ist nicht einfach zu
durchbrechen. Soll dies allerdings geschehen, muß aber zuerst einmal
wieder der Versuch unternommen werden, analytisch das Wesen des Kapitalismus zu
erkennen. Ansonsten wird jegliche Kapitalismuskritik zur Farce und eine Linke
müßte sich davor hüten, sich links zu nennen.
Literaturhinweise:
- Haug, Wolfgang Fritz: Vorlesungen zur Einführung in das Kapital,
Pahl-Rugenstein, 1974
- jour fixe initiative (Hg.): Kritische Theorie und Poststrukturalismus
Theoretische Lockerungsübungen, Argument Verlag, 1998
- Lohoff, Ernst: Brüderchen und Schwesterchen, in KRISIS Nr.11, 1991;
aus dem Internet unter: http://www.magnet.at/krisis/
- Marx, Karl, Das Kapital, Band I, Dietze Verlag Berlin, 1971
- Postone, Moishe: Nationalsozialismus und Antisemitismus Ein
theoretischer Versuch, zuerst veröffentlicht in Merkur, danach in
Küss den Boden der Freiheit; Kritik und Krise
Materialien gegen Politik und Ökonomie Nr.4/5, Sommer 1991,
Freiburg;
aus dem Internet: http://www.partisan.net/archive/linkskurve/
Fußnoten:
1
Alle weiteren Zitatangaben aus dem Kapital werden nur
noch in Seitenzahlen hinter den Zitaten angegeben.
2
Quidproquo bedeutet, die Verwechslung einer Sache mit einer
anderen.
3
Haug, S. 164
4
ebd., S.166
5
Der Wert einer Ware verändert sich durch steigende
oder fallende Produktivität, Intensität und veränderte
Geschicklichkeit in der Produktion.
6
Postone
7
Haug, S. 170
|