Vom gebändigten Geist in der Flasche der
wertkritischen Krisis-Bande und ihrem Anführer
Es gibt Kompromiße und es gibt
Kompromiße. Man muß es verstehen, die Umstände und die
konkreten Bedingungen jedes Kompromisses oder jeder Spielart eines Kompromisses
zu analysieren. Man muß es lernen, den Menschen, der den Banditen Geld
und Waffen gegeben hat, um das Übel, das die Banditen stiften, zu
verringern und ihre Ergreifung und Erschießung zu erleichtern, von dem
Menschen zu unterscheiden, der den Banditen Geld und Waffen gibt, um sich an
der Teilung der Banditenbeute zu beteiligen.
(W.I.Lenin in: Der linke Radikalismus, die Kinderkrankheit im
Kommunismus)
Theorie und geistige Erfahrung bedürfen ihrer Wechselwirkung.
Jene enthält nicht Antworten auf alles, sondern reagiert auf die bis ins
Innerste falsche Welt.
(Theodor W.Adorno, Negative Dialektik, S.41)
Wenn man sich über sich selbst erhebt, schwebt man im wertkritischen
Himmelreich des absoluten Welt-geistes und heißt nicht mehr
Napoleon, sondern Robert Kurz.
Noch kurz nach den Anschlägen auf WTC und Pentagon war es ihm, dem Eric
Zabel des wertkritischen Krisisteams, darum bestellt, auf eine kritische
Theorie im Sinne Max Horkheimers abzuheben und die fehlende
intellektuelle Reflexion über die Dialektik der
Aufklärung als gespenstischen Rückfall in die Zeit der
ignoranten bürgerlichen Geschichtsphilosophie des 18. und 19.
Jahrhunderts zu beklagen.(1)
Die kritische Denkart, die ja gerade darin besteht, wie Horkheimer in seinem
Grundlagentext Traditionelle und kritische Theorie schrieb,
(...) die ökonomischen Kategorien Arbeit, Wert, Produktivität
genau als das, was sie in dieser Ordnung gelten, auch gelten zu lassen,
weil nur so zugleich (...) als die gröbste Unwahrheit
erschiene, die Geltung einfach hinzunehmen, ließ Horkheimer
zu dem Schluß kommen: Die kritische Anerkennung der das
gesellschaftliche Leben beherrschenden Kategorien enthält zugleich seine
Verurteilung. Nur so gelänge es, den dialektischen Charakter
der (bürgerlichen - R.) Selbstinterpretation als die Bedingung
materieller Existenzweise des bürgerlichen Subjekts zu fassen: Ein
Verhalten, das, auf (...) Emanzipation gerichtet, die Veränderung des
Ganzen zum Ziel hat, mag sich wohl der theoretischen Arbeit bedienen, wie sie
innerhalb der Ordnungen der bestehenden Wirklichkeit geschieht. Es entbehrt
jedoch des pragmatischen Charakters, der sich aus dem traditionellen Denken als
einer gesellschaftlich nützlichen Berufsarbeit ergibt.
(2)
Nun kann man der gesamten Kritischen Theorie zu Recht vorwerfen, sie hätte
sich nur vulgärmarxistische Begriffe von der dialektischen Kritik
der politischen Ökonomie (Horkheimer) gemacht. Nun, man sollte dies
wirklich keineswegs vernachlässigen. Doch die Dimension, und das ist ja
wohl bekanntlich die Stärke der Kritischen Theorie, eröffnet sich
eben erst in der Philosophiekritik an der Moderne.
Es ist kein Zufall, daß in den Veröffentlichungen des Robert Kurz
von Antisemitismus nur immer glossenhaft die Rede ist und dies auch kaum
Würdigung als ausschließliches Motiv für die
Terroranschläge vom 11. September in seinen Texten fand. Und es ist
fürwahr so, daß in der Logik seines Theoriegebäudes nur ein
stilles Dachkämmerlein für die Besonderheit des maßlosen
Vernichtungswahns reserviert ist. Kurz verdunkelt die Qualität und
Dimension des Antisemitismus nicht etwa deswegen, weil ihm die ganze
bürgerliche Scheiße im Dunkeln liegt, sondern weil es ihm ein
störendes Nebengeräusch der Lokomotive der finalistischen
Krisentheorie ist, als die sich wohl die Krisis-Gruppe nur allzugern begreifen
würde und bei der einer wie Robert Kurz so nur folgerichtig, in den
Gefilden von subjektiver Selbstherrlichkeitstheorie schwebend, mit
Trillerpfeife und Schaffnerstab das Kommando zur fahrplanmäßigen
Abfahrt zum Untergang des Kapitalismus geben könnte.
Das wichtigste Element fundamentaler Gesellschaftskritik besteht
tatsächlich darin, den Verhältnissen ihre eigene Melodie vorzusingen,
weil nur so dieselben zum Tanzen gebracht werden können. Nur so gelingt
die notwendige selbstreflexive Verortung, um nicht gleichsam mit der eigenen
materialistischen Theorie in Richtung Idealismus abzuheben und sich so vom
selbstgesetzten Anspruch zu entfernen.
Wertkritik ohne Erkenntniskritik ist keine. Diese These dürfte Kurz und
der Krisis-Gruppe nicht unbekannt sein. Beinhaltet sie doch den Vorwurf, die
Krisis schneide ihre Wertkritik eben von der Kritik ihrer eigenen Erkenntnis
ab, um so als zugerichteter Theoretiker des Werts sich selbst feiern zu
können.(3)
Das Zusammenzählen von Toten ist, wenn es in der Katastrophe vom
Einzelschicksal zum massenhaften wird, bekanntlich in der Kälte
bürgerlicher Rationalität nur noch eine Statistik. Davon sich zu
lösen, vermag nur der heuchelnde Ideologe und der standfeste Theoretiker.
Vom besonderen kapitalistischen Gebrauchswert des einzelnen
Arbeitskraftbehälters namens Mensch wird somit zugleich von konkreten
gesellschaftlich-historischen Situationen abstrahiert: das Sterben verkommt zur
allgemeinen gesellschaftlich notwendigen durchschnittlichen Lebenszeit, zur
Quantität von Leben als Ware. Hierin drückt sich die totale Dimension
der Wertvergesellschaftung aus, die gänzlich zu erfassen Kurz und Krisis
für sich in Anspruch nehmen und die Forderungen nach Mitgefühl
(...) für alle Opfer somit an sich selbst blamieren.
(4)
Es ist das große Defizit der Krisis-Gruppe, gemeinhin nicht begriffen zu
haben, was es heißt, wenn Marx davon sprach, daß man unter der
Herrschaft des Kapitals immer schon gesellschaftlich gehandelt hat, bevor man
überhaupt bewußt denken kann. Man braucht also keineswegs erst die
Psychonalyse als Subjekttheorie zu bemühen, um zu dieser selbstreflexiven
Erkenntnis der eigenen Existenzweise zu gelangen. Robert Kurz hat es in seinen
Texten zum 11. September wieder mit Bravour geschafft, die Dimension der
Wertvergesellschaftung auf eine bloße Frage des theoretischen
Standpunktes herunterzubrechen. Alles Übel dieser Welt, so schreibt er,
ist kaum fürchterlicher (...) als die vielbeschworene
unsichtbare Hand der blinden Systemlogik.
(5)
Oder: Der religiöse Terror schlägt ebenso blind und sinnlos zu
wie die unsichtbare Hand der anonymen
Konkurrenz.(6)
Daß die invisible Hand des Werts auch vor Kurz Erkenntnis nicht
halt macht, soll hiermit als belegt gelten. Sein theoretischer Blick,
ausgerichtet nicht von ihm als Robert Kurz an sich, sondern von seiner
persönlichen gesellschaftlichen Existenzweise, wie er zwar nicht denkt,
aber handelt, plättet die Kritik auf dem Bügelbrett der Theorie. Der
aus allen Rohren dringende wertkritische Dampf der abgelassen wird, gelangt
aber gerade nicht als einer namens Hans in alle Gassen bürgerlicher
Vergesellschaftung und muß deshalb idealistisch verpuffen. Genau das
sollte eigentlich zur Vorsicht in der Theorie gemahnen, was aber gerade nicht
in der Krisis-Theorie der Fall ist.
Deutlich tritt in Kurz Texten zum 11. September zutage, wie sehr er
selbst kalt-rationalistischer wertvergesellschafteter Statistiker des Todes
ist, fordert er doch, wie schon weiter oben festgestellt, zur Abstraktion vom
einzelnen besonderen toten Menschen auf, in dem er Mitgefühl (...)
für alle Opfer bürgerlicher Herrschaft einklagt und so auf
ihren gesellschaftlichen Tauschwert als gleiche abhebt. Was wird er wohl auf
diese Tatsache entgegnen? Ist seine kalte Rationalitiät dieselbe wie die
eines bin Ladens? Nach Kurz theoretischen Ausführungen wohl ja, nach
meinem Kenntnisstand aber gerade nicht. Und so unterscheidet meine als kritisch
behauptete Weltsicht mich wohl tatsächlich von der Kurzschen Theorie der
Welterklärung.
Totalität ist nicht homogen, wie Terry Eagleton in seinem Essay über
Die Illusionen der Postmoderne feststellte. Sie läßt
also als heterogenes Ganzes einen minimalen Spielraum, der nach Auschwitz zum
Unterschied ums Ganze geworden ist. Es ist der schmale aber vorhandene zwischen
maßloser Ausbeutung und maßlosem Vernichtungswahn. Und nichts
anderes meint die immanente Unterscheidung bürgerlicher Kälte als
Ganzes, zwischen Rationalität und Irrationalität.
Die Welt in Gänze erfassen zu wollen, kann nicht den Verzicht darauf
bedeuten, sich als Teil des Ganzen zu begreifen, nur weil man es sich
theoretisch so halluziniert. Was einmal Dogma und Bevormundung durch
Selbstgewißheit überholen wollte, wurde zur Sozialversicherung einer
Erkenntnis, der nichts soll passieren können, formulierte einst
Adorno wie für die Krisis-Gruppe gemacht. Und er schlußfolgerte:
Dem Einwandfreien passiert tatsächlich nichts.
(7)
Die objektive Sehnsucht nach Eindeutigkeiten versagt entweder den Zugang zur
Erkenntniskritik oder aber wird umgeleitet zu ganzheitssprengenden
Theoriemodellen der Vielheiten (Deleuze/Guattari). Beides ist
gleichermaßen der Verzicht auf dialektische Selbstreflexion. Nur also,
weil man sich zu den Feinden der Popperschen offenen Gesellschaft
zählt, heißt das noch lange nicht, sich von offener,
unabgeschlossener Dialektik als einzigst akzeptables kritisches Denken zu
verabschieden.
Robert Kurz ist mit der maßgeschneiderten exoterischen Wertkritik
und dieser Vorwurf wird ihn besonders wurmen, kann ihm aber nicht erspart
bleiben da angelangt, wo der deutsche Arbeiterbewegungsmarxismus vor dem
Nationalsozialismus stand: der Klassenfeind in den eigenen Reihen von gestern,
ist der Renegat, der Verräter an der Wertkritik, von heute. So tappt man
von einer Erkenntnisfalle in die nächste.
Beredtes Zeugnis davon legt der Kurzsche Text Mudschahidins des Werts
Bomben für den Warenfetisch: die aufklärerische Linke im
letzten Stadium der bürgerlichen Vernunft ab.
(8) Weil die
Kritische Theorie immer ihren Zeitkern betont hat, zieht Kurz in dem Text
daraus den Schluß, daß sie heute gar keinen mehr besitzen kann
nichts weiter wäre als verfaulter Appel und Ei. Was der Text
großartig belegt, ist wieder mal die Tatsache, daß blendende
Theorie und Verblendungszusammenhang unbedingt zusammen gedacht gehören,
weil sonst folgerichtig die Theorie mit einem durchgehen muß. So erhebt
sich eben der Krisis-Theoretiker zielsicher über die verwaltete Welt und
damit leider auch über sich selbst. In dem die Krisis-Theorie sich
dergestalt bodenlos wähnt, mit der materialistischen Wirklichkeit im Hier
und Jetzt abgeschlossen zu haben, gerät ihre Theorie zur Geneanologie des
Kapitals, nicht aber zur Kritik des Kapitals als totale Herrschaft.
Robert Kurz wird so also zum Michel Focault des Werts. Weil der Körper ja
in der finalen Krise nicht mal mehr zum Arbeitskraftbehälter taugt, ist
der Geist in der Flasche der Wertkritik gebändigt: das bürgerliche
Subjekt ist nichtig aber zum Glück der gebändigte Geist die
Willenskraft zur Macht der Wertkritik willig. Oder anders: Der Geist ist
willig, aber das Fleisch einfach noch nicht bereit. Die Krisis-Gruppe
verschreibt als Krankenhelfer am Bett des Kapitals (Initiative Sozialistisches
Forum ISF) tägliche Wertkritik als kräftigenden Hieb aus der
Pulle ihres Geistes. Und als Krankentherapie verordnet man Gedankengymnastik im
simulierten geistigen Vakuum der Krisis-Theorie. Mit der
Gedankenakrobatik (Adorno) negativer Dialektik hat das allerdings
reinweg gar nichts zu tun.(9)
Die eingebildete Autonomie des Theoretikers, die Kurz unfreiwillig
verkörpert, hebelt die Kritik des Ganzen in der Reproduktion
traditioneller Theorie aus. Mit der Abstraktionskraft, mit der man eigentlich
hoch hinaus möchte, fällt man so tief. Die Angst des Kritikers vor
dem Elfmeter falschen Handelns in der Wirklichkeit der materiellen Gesellschaft
läßt sich nicht dahingehend auflösen, in dem man platonisch
entsagt der Gesellschaft also eine Art Herr-Knecht-Gefolgschaft
aufzukündigen gedenkt. Mit der Angst und der daraus folgenden Ohnmacht
umgehen zu lernen, ohne sich handlungsunfähig zu machen, ist die
erkenntniskritische Herausforderung einer Kritik neuen Typs, den die Kritische
Theorie als praktische Vernunft des Geistes von Befreiung entworfen hat. Dieser
neue Typ verfolgt weder den Zweck, sich den Citoyen selbst auszutreiben, wie es
allem Anschein nach in der Krisis-Gruppe ritualisiert ist, noch denselben hoch,
höher, am höchsten zu halten. Weil einmal gesagt ward, daß alle
Kultur nach Auschwitz Müll ist, sind die Bildungsbürger noch lange
nicht immer nur die anderen. Weil das aber so und nicht anders ist, gilt es,
Vorsicht walten zu lassen, wenn man die Aufklärung endgültig dem
Müllhaufen der Geschichte überantwortet.
Der Benjaminsche Engel der Geschichte hat bekanntlich nicht deshalb das
Antlitz der Vergangenheit zugewendet, weil er auf dem Müllhaufen der
Weltgeschichte rumlümmelt, sondern weil der Sturm vom Paradiese her
(weht), der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist,
daß der Engel sie nicht mehr schließen kann.
(10)
Wohl generell angewidert von Fortschrittsgläubigkeit, auch von der
Benjaminschen, wendet Robert Kurz sich von der Vergangenheit ab, um der
definitiv kommenden Zukunft, die mit der finalen Krise längst begonnen
hat, entgegenzueilen. Und dabei verrennt er sich schnellen Schrittes. Sein
hehres Vorhaben, das Schlimme zu verhindern und die Emanzipation zu
ermöglichen, muß so mißlingen. Denn er vergißt,
daß er kein Engel ist und geflügelte Worte kein Flügelersatz
darstellen können. Er verfällt also, wohlgemerkt ohne es zu wollen,
zwingender theoretischer Geschichtslosigkeit. Das gipfelt in der
selbstverordneten Neutralität gegenüber Israel, die durch fehlende
Kritik deutscher Ideologie nur allzu folgerichtig mit der nicht mehr
wahrgenommenen Unterscheidung von Besonderheiten vom american, german oder
afghan Psycho zusammenschießt. Ihm dient die Waffe der Theorie
längst als Ersatz für die Waffe der dialektischen Kritik und die
Wirklichkeit wird in der Zukunft abgeheftet.
Das Allgemeine wird bei Kurz zum Besonderen und das Besondere zum Allgemeinen:
Form und Inhalt werden so gegenseitig in der höheren Wertkritik
aufgehoben. Doch was Hegel nicht schaffte, schafft Robert Kurz nimmer mehr.
Denn die verhärtete Methode schafft nicht nur dialektische Offenheit ab,
sondern die Dialektik schlicht und ergreifend selbst. Der Vorrang des Objekts
wird zum Vorhang desselben und die Subjekte zu neutralen Zuschauern, durch die
hindurch Robert Kurz als Filmvorführer den Splatter-Movie von der Theorie
der finalen Krise nach gelüftetem Vorhang an die weiße, tadellos
saubere Wand projiziert.
Was Kurz nicht sehen will, ist die Tatsache, daß es angesichts der
Terroranschläge keine dritte Position geben kann. Indem er sie dennoch
einnimmt, macht er sich der Wirklichkeit äußerlich. Und so steht er
vor dem Dilemma, daß sich hinter ihm gleich alle verschanzen können,
weil alle miteinander jeweils keinen Deut besser seien als die anderen, wie er
meint.
Die Kritik der deutschen Ideologie als besondere Ausformung verlangt dem Kurz
nichts ab. Da steht er theoretisch und dialektisch drüber, meint er, und
kann somit auch nicht wahrhaben, daß die deutsche Ideologie erst
über Kurz und die ganze Welt zum Stehen kommen möchte. Viel mehr
fühlt er seine Theorie von denen umzingelt, die das ausgeleierte
Muster (...) wie eine hängengebliebene CD
(11) ständig
wiederholten. Und weil diese halluzinierte Umzingelung auch gleichzeitig das
eigene Terrain absteckt, sondiert Kurz die Lage als eine falsche. Überall
würden die bis vor kurzem noch linksradikalen Publikationen wie
Bahamas und Jungle World eine humane bürgerliche
Zivilisation beschwören, wo doch klar sei, daß eine
einmalige Situation wie der Nationalsozialismus, wo man mit
dem Kapitalismus gegen den Kapitalismus kämpfen mußte, nie
wieder eintreten würde. Denken nach Auschwitz? Pustekuchen, wirds
nicht nochmal geben, braucht man nicht wirklich. Hier wird es nochmals
deutlich. Das Allgemeine wie das Besondere spielen bei ihm keine Rolle mehr.
Robert Kurz zufolge besteht somit nie wieder die Gefahr, daß Auschwitz
sich wiederholt, weil nichts Ähnliches geschehen könne. Das ist,
gelinde gesagt, schön für ihn, aber verheerend für eine auf den
Begriff gebrachte objektive Wertvergsellschaftung. In gar keinem Falle, so
schreibt er, sprächen die Anschläge für dieselbe
Qualität und wirft damit vermutlich nur folgerichtig Quantität
und Qualität zusammen.
Weil ihm als kritischem Ringrichter also gerade nicht Aktiven der
Weltgesellschaft von heute die Wettkampfregeln zum Überdruß bekannt
scheinen, geht er davon aus, daß ohnehin irgendwann alle k.o. gehen. Und
so nimmt er Adorno und Horkheimer im Vorbeigehen hopps, weil die, im Gegensatz
zu ihm, das aufklärerische Denkmuster noch nicht überwinden
konnten, als wäre das Institut für Sozialforschung zu seiner
Zeit ein Selbstversorgungsladen gewesen wie das Moskauer M/L-Institut. Na dann,
herzlichen Glückwunsch.
Gerne reiche ich die Zeilen durch zur Ideologiekritik, die nach seiner
Gedankenwelt gar keiner mehr zu leisten imstande ist. Denn die Enkel der
kritischen Theorie in der radikalen Linken haben den theoretischen Ansatz der
Dialektik der Aufklärung nicht weiterentwickelt, sondern
verflacht. Doch das, was Kurz verflachen nennt, ist tatsächlich das,
was ihn von erkenntniskritischen Subjekten unterscheidet: Im Gegensatz zu ihm
nehmen sie die Kritische Theorie ernst. Weil das aber bedeutet, nicht den
gesicherten Standpunkt der Kurzschen Theorie einzunehmen, wird denen auch
jegliche kritische Begriffsbildung abgesprochen sie seien eben
Simulanten der kritischen Theorie. Um es zu wiederholen: Kurz
Luftschloß der Theorie ist nur zu erhalten, in dem er sich des
Materialismus bedient, anstatt ihn ideologiekritisch als Teil seiner
selbst sich anzueignen.
Weil die Aufklärung mit Auschwitz mehr als ihre Unschuld verlor, die sie
eh nie besaß, wird sie bei Kurz zu einer nicht einmal mehr
stinkenden Leiche. Der Geruch allerdings, der ihm in die Nase steigt, ist
nicht der Verwesungsgeruch, sondern der der nach wie vor
funktionstüchtigen dialektischen Einheit von Rationalität und
Irrationalität in verwilderter Form. Darüber die Nase zu
rümpfen, als ginge ihn das alles nichts an, ist nicht Beweis für
sinnliche Sensibilität, sondern für theoretische Hochnäsigkeit
eines Kritikers, bei dem die Ideologie langsam aber sicher von den Zehen
aufwärts in den Kopf steigt als wäre sie nur die Wahrnehmung
der Kälte des bürgerlichen Subjekts bei anderen, von Kabul über
die Bahamas bis nach Washington.
Wer dagegen den Islamismus richtig als Heidegger für
Analphabeten (Bahamas) bezeichnet, wird des antiarabischen
Rassismus bezichtigt. Und so kann sich der Herr Kurz der Sympathie der
Multikulti-Linken sicher sein: wenn sie auch sonst vom Kurzschen Text nicht
viel begriffen haben, das Ressentiment gegen die menschenverachtenden Feinde
des Antirassismus verstehen sie bestimmt. Da ist man gar versucht zu rufen,
daß es so etwas früher in seinen Texten nicht gab.
Er scheint schon bessere Tage gesehen zu haben, wenn er so etwas nötig
hat. Enthält doch sein Text nicht nur die Forderung nach bedingungslosem
Verzicht auf immanente Kritik, sondern auf gänzlich positive
Parteinahme. Stattdessen fordert er die Hinwendung zu einer Kritik, die
die eigene theoretische Befangenheit in der Subjektform des Warenfetischs
und in der dazugehörigen aufklärerischen Geschichtsmetaphysik
durchbrechen könne. Und hier wird er gar zum traumwandlerischen
Schlauberger. Denn die verdinglichte Zurückspiegelung des eigenen
Idealismus bleibt Idealismus in materialisierter Form. Darin nur verhüllt
sich die Kurzsche Kritik. Und weil das realiter passiert, blamiert sie sich
so.
Da an Israel sich die Dialektik von Allgemeinem und Besonderem bricht, die bei
Kurz schon längst ins Kraut geschossen ist, weil ihm Fortschritt und
Reaktion, Aufklärung und Gegenaufklärung (...) unmittelbar
zusammen(fallen), sich also gar nichts mehr in seiner Denke brechen kann,
bricht die Kurzsche Theorie spätestens hier ein. Und weil er darauf
abhebt, daß es nach Auschwitz überhaupt möglich sei,
unbefangen auftreten zu können, in dem er dies anderen
abspricht, sich selbst aber zugesteht, gerät ihm das Diktum, nicht
das kleinste Zugeständnis an dieses System geben zu wollen, zur
Blamage. Denn er offenbart damit, daß er sogar bereit ist, jenes
Zugeständnis preis zu geben, daß so ungeheuer schmerzvoll dem System
abgerungen werden mußte: Israel nämlich.
Ralf
Fussnoten:
(1) vgl. seinen Text Totalitäre Ökonomie und Paranoia des
Terrors: Der Todestrieb der kapitalistischen Vernunft auf
www.krisis.org
(2) Max Horkheimer, Traditionelle und Kritische Theorie, Frankfurt am Main 1992,
S. 225
(3) vgl. dazu Initiative Sozialistisches Forum, Der Theoretiker ist der Wert,
Freiburg 2000
(4) Robert Kurz in: Mudschahidins des Werts, aus:
Jungle World vom 10. Oktober 2001 oder auf www.krisis.org
(5) aus Politische Ökonomie des Terrors, in Jungle World
vom 26. September 2001
(6) vgl. seinen Text Totalitäre Ökonomie und Paranoia des
Terrors: Der Todestrieb der kapitalistischen Vernunft auf www.krisis.org
(7) Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, Frankfurt am Main 1975, S.45
(8) in: Jungle World vom 10. Oktober 2001 oder auf www.krisis.org
(9) ebenda: Nur solche Gedanken bieten der allmächtigen Ohnmacht des
sicheren Einverständnisses die Stirn, die bis zum Äußersten
gehen; nur Gehirnakrobatik hat noch Beziehung zu der Sache, die sie nach der
fable convenu ihrer Selbstbefriedigung zuliebe verachtet. Kein unreflektiertes
Banales kann, als Abdruck des falschen Lebens, noch wahr sein.
(10) Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, in: ders. Sprache und
Geschichte, Stuttgart 1992, S. 146
(11) alle nachfolgenden Zitate von Robert Kurz aus: Mudschahidins des
Werts, in: Jungle World vom 10. Oktober 2001 oder auf www.krisis.org
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