5 Tage lang öffentliche Meinungsäußerung bei 5 Demonstrationen
und 5 Tage massive Behinderung und Provokation durch die Polizei.
Grund genug, unsere Arbeit und den Verlauf der Aktionswoche selbstkritisch zu
betrachten. Die Beschreibung einzelner Ereignisse soll dabei der Betrachtung
grundsätzlicher Dinge dienen.
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Konzept und Umsetzung
Prinzipiell hat sich die Idee, mehrere Demonstrationen nacheinander
durchzuführen, als sehr sinnvoll erwiesen. Das Konzept war, die
Mobilität der BürgerInnen während der Hauptverkehrszeiten zu
stören, um mehr öffentliche Aufmerksamkeit für unser Anliegen zu
erreichen. Eine einzelne größere Demo hätte vielleicht mehr
Leute angezogen, aber die konsequente Darstellung der Gegenmeinung über
mehrere Tage zeigt viel mehr unseren Standpunkt und die Ernsthaftigkeit unseres
Widerstandes.
Die Anzahl der Demo-TeilnehmerInnen hat auch uns positiv überrascht, wobei
die ansteigende Zahl der DemonstrantInnen ab Mittwoch nicht nur Ergebnis
unserer Mobilisierung, sondern vor allem Reaktion auf das Verhalten der Polizei
war. Dazu später noch etwas mehr. Nicht zuletzt ist der Erfolg des
Konzeptes auch den jeweiligen AnmelderInnen der verschiedenen Gruppen zu
verdanken.
Angemeldet wurden die Demos von: Roter Stern Leipzig, Linke
Studentinnengruppe Leipzig, Stadträtin Nagel (PDS), Initiative
für eine Vereinigte Linke, Ökologische Linke. Ein
Problem für die AnmelderInnen war sicher, daß sie zeitweise doch
recht alleine dastanden und mit Situationen konfrontiert wurden, die unsere
aktive Hilfe erfordert hätte. Auch die Darstellung unserer Ziele durch
Redebeiträge kam dadurch zu kurz. Mit mehr Unterstützung unsererseits
hätte man auf Krisensituationen besser reagieren können. Wie weiter
oben schon bemerkt, mangelte es an der konsequenten Darstellung unserer Meinung
und unserer Positionen währen der Demos. Eine Aufklärung über
die Hintergründe, die Mechanismen und den angeblichen Sinn und Zweck einer
Überwachung von öffentlichen Räumen hat es durch uns nicht
konsequent genug gegeben.
Öffentlichkeit & Medien
Wo am Montag noch ein relativ großes Interesse durch die Medien bestand
war bereits am Dienstag Funkstille angesagt. Zwar gab es von Dienstag bis
Samstag sowohl bei der Haus-und-Hofpresse als auch bei Bild dir deine
Meinung kurze Meldungen, aber die erfüllten nicht einmal den
Anspruch einer wirklichen Information. Und von Wahrheit wollen wir gar nicht
reden. Grundtenor : jugendliche Autonome demonstrieren gegen die angebliche
Kriminalisierung der Szene, gegen die Kamera am Connewitzer Kreuz und wehren
sich gegen angebliche Polizeiwillkür.
Wie nicht anders zu erwarten, gab es keinerlei Äußerung zu den
Hintergründen der Demonstrationen und der Kampagne. Selbst nach den
Ereignissen am Mittwoch war die Berichterstattung mehr als oberflächlich.
Vereinzelt gab es Anfragen von PressevertreterInnen wegen Interviews an
einzelne DemonstrantInnen. Daß die sich dann nicht hingestellt haben und
mit den Presse- oder Fernsehleuten geredet haben, ist erstmal nachvollziehbar.
Deshalb ist es in solchen Situationen wichtig, von unserer Seite
PressebegleiterInnen zu stellen, die jederzeit für Interviews,
Erklärungen und Hintergrundinformationen zur Verfügung stehen. Solche
PressebegleiterInnen müßten dann vor, während und nach der Demo
ansprechbar sein und nicht zuletzt auch selbst direkt auf die
MedienvertreterInnen zugehen. Nur so kann die sowieso schon kaum vorhandene
Berichterstattung durch uns beeinflußt werden. Ob es dadurch möglich
ist, weitergehende Informationen in den Medien zu plazieren, mag zweifelhaft
sein, ist aber sicher den Versuch wert.
Bei uns entstand der Eindruck, daß für die Verantwortlichen der
Überwachung die Stadtverwaltung Leipzig, die Polizei, das
Innenministerium, das Ordnungsamt und der Datenschutzbeauftragte Sachsens
politischer Protest völlig bedeutungslos ist. Es erfolgte keinerlei
Positionierung in der Öffentlichkeit. Ob es in diesem Zusammenhang
Anfragen der Medien gab, ist uns leider nicht bekannt. Aber bei der
Selbstverständlichkeit, mit der Proteste hier ignoriert und polizeilich
unterdrückt werden sollen, ist das nicht verwunderlich. Für uns hat
das die Konsequenz, von jetzt an Meinungen einzufordern und öffentlich zu
machen. Und wenn unsere Meinung auf der Straße nicht gehört wird und
die Verantwortlichen sich nicht freiwillig äußern, zeigen wir
unseren Protest eben zeit- und ortsgleich mit Veranstaltungen der Stadt. Der
Veranstaltungskalender bietet sicher vielfältige Möglichkeiten des
politischen Protestes durch uns. Und genau die werden wir auch nutzen.
Der Freund und Helfer
Vor allem durch das Auftreten der Polizei bedingt, bewegten sich die
Redebeiträge währen der Demos immer mehr zum Thema
Polizeiwillkür hin, und machten den eigentlichen Zweck der
Demos, die öffentliche Meinungsäußerung zum Thema
Überwachung öffentlicher Räume und die
Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Problem, zur
Nebensache. Wobei natürlich die Meinungsäußerung nach
außen vor allem durch die massive Polizeipräsenz behindert wurde.
Bei solchen Aktionen sollte auch mehr auf aktuelle Reaktionen der
Öffentlichkeit, der Medien und der Stadt eingegangen werden.
Wenn schon Krawalltouristen von außerhalb (Rolf Müller,
Leiter der Polizeidirektion Leipzig) auf die Straße gehen, um
Connewitz zu benutzen (ebd.) und das eigentlich längst
überholte Negativ-Image des Stadtteils für sich ausnutzen und durch
teils organisierte Randale Aufmerksamkeit erringen wollen (ebd.), um,
nachdem sie hier Stadt und Polizei blamiert haben,...sich als Sieger zu
fühlen (Holger Tschense, Bürgermeister und Ordnungsdezernent),
erfordert das natürlich entsprechende Maßnahmen. Natürlich
werfe man unverbesserliche Randalierer und vielleicht ehrlich besorgte
Demonstranten nicht in einen Topf (ebd.), aber man zeigt sich um so
besorgter..., daß sich die Situation in und um Connewitz dieser tage
wieder zuzuspitzen drohe (ebd.). Und wenn bis dahin den vielleicht
ehrlich besorgten Demonstranten nicht ganz klar war, welchen Grund die
völlig überzogenen Einsätze der Polizei haben, war ja nun
erstmal alles klar. Hier die Kämpfer für Recht und Ordnung und da die
Krawalltouristen.
Von Anfang an wurde mit meist (auch juristisch) sehr zweifelhaften Methoden
versucht, den genehmigten Protest zu erschweren, zu kriminalisieren und nicht
zuletzt zu verhindern. Massive Repression, überzogene, um nicht zu sagen
hirnrissige Forderungen, das Zur-Schau-Stellen von Macht und potentieller
Gewalt und auch deren Ausübung sollte den Protest offensichtlich
unmöglich machen. Daß dabei auch mal Recht gebrochen wird, wird
billigend in Kauf genommen und mit fadenscheinigen Argumenten begründet.
Denn was wir bisher nicht zu fragen wagten, aber nun doch wissen ist:
Helme und Panzerungen dienen lediglich dem persönlichen Schutz des
einzelnen Polizisten und der Umfang dieses Selbstschutzes kann ebenfalls in
freier Entscheidung festgelegt werden. (Polizeisprecher Grottke),
das Tragen von Schirmen kann wegen der Gefährdung anderer
Demonstrantinnen durch erhöhte Windstärken (ebd.) schon mal
verboten werden.
Aber am Ende ist der meist friedliche Verlauf der Proteste, nicht zuletzt
der guten Zusammenarbeit zwischen Organisatorinnen und Polizei zu
verdanken (Ordnungsamtsleiter Wassermann) . AHA!!! Wenn man uns das nicht
gesagt hätte, hätten wir das echt nicht gedacht. So kann man sich
eben täuschen! Für jede/n, die/der keine Scheuklappen trug, stellte
sich das eher so dar: Weder für den generellen Einsatz noch für
Festnahmen, Personalienfeststellungen, Repressionsmaßnahmen und
ständig neue Forderungen der Polizei gab es reelle Gründe. Der
Einsatzleiter der Polizei war nur widerwillig zu einer
Zusammenarbeit bereit oder gleich gar nicht mehr zu sprechen.
Die Demonstrationen insgesamt und einzelne TeilnehmerInnen wurden völlig
grundlos durch die bereits am Kreuz installierte und eine zweite, nur zu diesem
Zweck aufgebaute Kamera, durch Dokuwagen und durch BFE-Handkameras permanent
abgefilmt. Wenn das keine Ironie ist! Die Willküraktionen der Polizei
waren nur begrenzt zu verhindern. Maßnahmen der Polizei können
aufgrund ihrer Vollmachten wenn überhaupt nur gerichtlich
und aufgrund der berühmten Mühlen der Gerechtigkeit Jahre
später geahndet werden. Deeskalation wurde nur durch die DemonstrantInnen
ausgeübt.
Was bleibt? Auf keinen Fall sollten wir uns weiterhin alles gefallen lassen. In
Einzelfällen mag es Sinn machen, den Forderungen der Polizei nachzugeben,
meist ist es für den Protest aber wichtiger, nicht nachzugeben und massiv
Druck auszuüben. Unabhängig davon sollten eigentlich alle
TeilnehmerInnen auf ihre NachbarInnen achten, für die sie
schließlich auch Verantwortung haben, und solange das Sinn macht
und notwendig erscheint beruhigend einwirken. Was es aber auf keinen
Fall geben darf, ist Deeskalation um jeden Preis. Die Möglichkeit zu
spontanen Aktionen und Demos soll immer vorhanden sein und unter Beachtung der
Grundregeln für Demos auch genutzt werden.
Wie weiter ?
Unsere Proteste sind in höchstem Maße unerwünscht und sollen
mit aller Macht verhindert werden. Eine öffentliche Auseinandersetzung mit
dem Themen Überwachungsgesellschaft und Einschränkung
öffentlicher Räume findet praktisch nicht statt.
Laßt uns zusammen weiter protestieren! Wenn keiner etwas ändert,
gehen wir eben hin und tun etwas! Macht den Veranstaltungskalender der Stadt zu
eurem Terminplaner! Denkt euch selber was aus und agiert vielseitig!
AG Öffentliche Räume beim BGR
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