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Das Lachen vergeht

kamera, 8.9k kamera, 15.3k Die Sadt Leipzig geht bei ihrer Ordnungspolitik in Connewitz neue verschlungene Wege. Nur: Wo führen die lang, wo werden und wo sollen die enden?
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Wenn sich eine Interessenbündelung von Mob und Elite einstellt, wird immer all jenen das Fürchten gelehrt, die nicht in das eng normierte Weltbild der gerade sich definierenden Toleranz passen. Als eine Farce, über die nicht mehr spotten kann, wer den Ernst der Lage tatsächlich erkennt, stellt sich in aller Regel das Problem dar, wenn Provinzfürsten verschiedender politischer und behördlicher Coleur zur Tat von Law and Order schreiten. Selbt die Tatsache, dass sich der perfekte Staat des Ordnungswahns namens DDR erst vor gut zehn Jahren von der (u.a. Überwachungs-)Bildfläche verbschiedet hat, lässt es nicht zu, Marxens Annahme von der wiederholten Geschichte als Farce mit einem coolen Lächeln zu folgen.
Für viele in der Connewitzer Szene völlig unvermittelt und aus heiterem Himmel wird seit einigen Wochen im Stadtteil eine Tour abgezogen, die darauf schliessen lässt, dass die Leipziger Ordnungs-Politik und ihre Behörden Klein-New York a’ la dem Zero Tolerance-Modell spielen wollen. Da wird gelogen, das sich die Balken biegen: Die Berber und Säufer vor der Kaufhalle würden Leute anpöbeln, deren Bestien-ähnlichen Hunde ständig arme Besucher der Kaufhalle am Connewitzer Kreuz anfallen und überhaupt würden die das ganze Connewitzer Kreuz zumüllen, dass dem guten deutschen Bürger die Luft zum Atmen wegbliebe.
Fragt man einmal den gewöhnlichen Bürger oder die Behörden, was denn da wirklich dran sei, weiss niemand etwas konkretes, ausser, dass das äussere Erscheinungsbild stört, die Leute am Kreuz wie alle guten Deutschen Alk noch und noch saufen, sich Hunde halten und, wer hätte das gedacht, die Hunde das eine oder andere Mal auf den Gehweg scheissen.
Man nenne mir eine Kaufhalle oder einen Supermarkt – ausser den von jeglichem „Geschmeiss“ gereinigten im Leipziger Hauptbahnhof vielleicht – wo die Zustände andere sind.
Was passiert hier also? Warum ziehen Politik, Behörden, Bevölkerung und Medien an einem Strang und schaukeln sich in immer irrationalere Sphären, die sich schon längst von jeglicher ideeller demokratischer Bodenhaftung verabschiedet haben? Niemand weiss es. Auch der Autor dieses Textes nicht.
Eines der Zauberbegriffe, die eine Annäherung an das Phänomen des totalen Sicherheitswahns zulassen, sind die vom sogenannten subjektiven Sicherheitsbedürfnis, -empfinden oder -interesses des ordentlichen deutschen Durchschnittsbürgers. Diese Begriffe schreien förmlich nach Befriedigung durch alle genannten Seiten und rufen eine Eigendynamik hervor, der man derzeit in Connewitz gewahr werden kann: 24 Stunden Totalüberwachung mittels Kamera, schleichende Verdrängung aller unliebsamen Randgruppen oder von Personenkreisen, die als solche gelten, ständige Präsenz von uniformierten und bewaffneten Kräften, permanente Personen- und Fahrzeugkontrollen, starke Stimmungsmache gegen Randgruppen seitens der Behörden, der Politik und der Medien und, nicht zuletzt, immer aggressiveres Geschrei der Normalbevölkerung nach noch mehr Ausgrenzung, Repression und Intoleranz.
Was derzeit in Connewitz erlebt werden kann, ist eine zum Selbstläufer gewordene Endlosspirale, deren Ende einfach nicht mehr rational absehen kann, wer sich von der geschürten Inneren Sicherheitshysterie hat anstecken lassen. Eine nüchterne und sachliche Betrachtung gilt inzwischen als regelrecht verpönt.
Der Szene vergeht inzwischen immer mehr das Lachen. Und der Unmut schlägt so langsam, peu a peu, um. Das bekommt man tagtäglich mit. Gerade auch an einem Szene-stabilisierenden Laden wie dem Conne Island. Wer die Szene nur ein bisschen kennt, weiss, dass es nicht übertrieben ist zu sagen, dass sich Behörden und Politik kraft ihres profilierungssüchtigen und populistischen Verhaltens auf Pulverfässer gesetzt haben, von denen eines vor einigen Wochen am Connewitzer Kreuz bereits explodierte: Das Kreuz wurde voller Hass und Wut verwüstet. Wo dies herrührte, lässt sich eigentlich unschwer erraten.
Erinnert sei für alle, die es noch interessiert, an die Situation vor den großen Krawallen in Connewitz im November 1992: Schon einmal entlud sich Unmut, von dem dann im Nachhinein niemand im Vorfeld ‘was gewusst haben wollte.
kamera, 11.0k Was soll denn bitteschön passieren, wenn der nächste Krawall gelaufen ist? Ein Bulle vor jeder Wohnungstür derjenigen, wo der Bürger denkt, die könnten auch nur im entferntesten potentielle Sraftäter sein? Wo soll denn dieser eingeschlagene Weg enden? Wer erklärt den Politikern und Behörden, dass der Bürger lieber Diktatur als Demokratie will und dass, wer diesem Volk populistisch auf’s Maul schaut, die demokratischen Grundwerte in absehbarer Zeit über den Jordan schicken kann?
Es gibt zwei Quintessenzen dieses Textes: Die eine lässt sich auf die Formel bringen, dass mehr Präsenz staatlicher Gewalt die Spannungen nur verstärken wird. Die andere ist die, dass der Autor dieses Textes jeden Tag erlebt, wo die sogenannte Normalbevölkerung hin will: Sie giert förmlich danach, in der Orwellschen Welt des 1984 anzukommen. Das ist mehr als traurig – aber leider wahr. Ralf


  • Live Kamera (Blick aus dem Leipziger Norden in Richtung Innenstadt)

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last modified: 28.3.2007