Der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis im Focus links-deutscher
Begrifflichkeiten der 90er
von Ralf
Ich meine natürlich nicht, daß sich die deutsche Linke nur um
die deutsche Vergangenheit kümmern sollte. Aber wenn Hunderttausende
bereit sind, gegen den amerikanischen Imperialismus zu demonstrieren, und nur
ein paar Hundert gegen die Rehabilitation der Nazi-Vergangenheit, denke ich
schon, daß der erste Anlaß instrumentalisiert worden ist. Auf
dieser Ebene (und nicht auf der Ebene der Rechtmäßigkeit der Sache
selbst) reproduziert die Linke diese in Deutschland weit verbreitete Denkart,
die immer wieder versucht, den Nazismus zu entschuldigen. (...) Der Punkt ist,
daß Ihr Deutsche seid, und daß wenn Ihr nicht die
Verantwortung übernehmt, Euch der Vergangenheit zu stellen auch Ihr
mitschuldig seid an der Übertragung und Reproduktion des Systems von
Lügen und kollektiver Verdrängung, das seit 1945 charakteristisch war
weil die Deutschen es versäumten, sich selbst zu befreien. (...) Es
gibt aber in der Tat nur zwei Möglichkeiten: Eine endgültige
Versöhnung mit dieser Vergangenheit oder aber der konstante, das
heißt in fortwährender Auseinandersetzung zu vollziehende Bruch mit
ihr. So schrieb der amerikanische Soziologie Moishe Postone Mitte der
80er an die deutsche Linke.
Eine Konsequenz aus diesen Worten schien Ende der 80er der Versuch der
Initiierung einer Radikalen Linken zu sein, bei der sich 1990 Marlene Dietrichs
Deutschland? Nie Wieder! als dortiges Allgemeingut der Slogan
Nie wieder Deutschland! durchsetzen konnte. In Folge dieser
Initiative versuchte diese Radikale ihre Position gegen Deutschland auch
über die Kritik der bisherigen Linken insbesondere der Neuen Linken
zu finden. In diese laufende Auseinandersetzung platzte der Golfkrieg
und die Bedrohung Israels durch Raketen Saddam Husseins.
Insbesondere um die Zeitschrift konkret versammelten sich damals all
jene, die den deutschnationalen, antizionistischen/antisemitischen und
antiamerikanischen Gehalt der deutschen Anti-Golfkriegsbewegung nicht ertragen
konnten. Stattdessen kam aus ihren Kreisen etwas, was für eine Linke bis
zu diesem Zeitpunkt unvorstellbar gewesen ist: Die Befürwortung der
Bombardierung des Irak durch US-Bomber als Schutz von Israel als dem Staat der
Überlebenden der Shoah. Diese Pro-Haltung stellte eine Zäsur
bezüglich grundlegender linker Allgemeinplätze dar: Die
Befürworter des Bombardements stellten sich also an die Seite der
imperialistischen Großmacht den USA. In der Folge kamen all jene
merkwürdigen und sonstwie legitimierten pazifistischen Grundsätze auf
den Prüfstand derjenigen, die sich explizit für den aktiven Schutz
Israels vor irakischen Raketen und Giftgas aussprachen. Die Argumentation, die
West-Alliierten, insbesondere die USA und England, könnten im Fall der
Niederschlagung des Nationalsozialismus nicht auf den Ausdruck von
Konkurrenz- und Vormachtpositionen (Jan Phillip Reemtsma) reduziert
werden, bekam entsprechend Nahrung.
Der Streit innerhalb der Linken um die Haltung zum Golfkrieg symbolisierte sich
repräsentativ in der Kündigung von rund 1.100 Abos der wichtigsten
linken Zeitschrift, der konkret. In nullkommanichts schrumpfte die
Abo-Zahl, so daß der damalige und heutige Herausgeber Hermann L.Gremliza
nur konstatieren konnte: Nachdem man auf den Busch geklopft hat
gemeint ist die Bombardierung des Irak haben sich Leute auf
eine Weise gemeldet (...), wie man es in schlimmster Vorahnung nicht für
möglich gehalten hätte. Wer hätte gedacht, daß unter den
Lesern von konkret so viele Antisemiten sind, wie sich jetzt in Briefen zu Wort
gemeldet haben? Leute, die von der Endlösung der Araberfrage
faseln, vom Holocaust am irakischen Volk, vom rassistischen
Staat Israel und so weiter.
Angesichts dieser Situation tat die Klärung, was eine deutsche
Linke an antisemitischen Stereotypen reproduziert oder selbst hervorbringt,
mehr als Not. In der Folge dieser Konstellation kristallisierte sich eine
antinationale grundsätzliche Kritik am Nationenmodell übende
und antideutsche linke Strömung heraus, die bereit war, sich dem
Diktum, daß Deutschland denken Auschwitz denken heißen müsse,
zu stellen. Ihr Verständnis von der Aufmischung der Linken tat mehr als
Not. Sie führte im Gleichlauf zur Kappung der Illusion vom Massenansatz.
In den Auseinandersetzungen um den 50. Jahrestag der deutschen Niederlage 1945
kristallisierte sich neben der formulierten Kritik an der deutschen Sonderrolle
und dem Gipfeln in der Shoah eine moralische Kategorie heraus, die es
vermochte, die Bombardierung Dresdens aus der Kriegslogik und der Besonderheit
des kollektiven deutschen Volksgemeinschftsdenkens als eine moralisch
legitimierte Handlung gegen deutschen Wahnsinn zu begreifen. Diese historische
Einschätzung knüpfte letztlich kausal an die Debatte um den Golfkrieg
an und wäre ohne diese vermutlich nicht als Position zustande gekommen,
weil schließlich dort der positive Bezug einer moralischen Bedeutung
US-amerikanischer Intervention entgegen der traditionell
antiimperialistisch-antiamerikanischen Sichtweise möglich gemacht wurde.
Tatsächlich ging und geht es um das Verständnis der Unterschiedes
zwischen der Guillotine der Französischen Revolution und den Gaskammern
von Auschwitz. Um den Unterschied also, zwischen einer vernunftbegabten
bürgerlichen Zivilgesellschaft in der Tradition von Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit und einer völkischen Gemeinschaftskonstruktion.
Tatsächlich ist es so, daß diese Differenzierung erst die
Möglichkeit eröffnet, das Horkheimer-Diktum, daß vom Faschismus
schweigen solle, wer vom Kapitalismus nicht reden will, inhaltlich zu
füllen.
Doch Genau dieses Diktum hat die antideutsche Linke in starkem Maße in
den Hintergrund gerückt. Zwar gab es eine in Ansätzen geführte
Auseinandersetzung mit der Kritischen Theorie und Auschwitz, doch stand und
steht letztlich die Formel Adornos, daß alles Denken und Tun darauf
gerichtet sein müße, daß sich nichts ähnliches oder
vergleichbares wiederhole, im unmittelbaren Zentrum jeglicher Analyse. Wichtig
sei doch gerade in diesem Zusammenhang, so konstatiert z.B. Jürgen
Elsässer, einer der antideutschen Exponenten, daß der
Hautpwiderspruch (...) nicht Krieg oder Frieden (sei), sondern (...)
antideutsch oder prodeutsch.
Die Verdienste antideutscher, antinationaler Aufmischungsversuche hinsichtlich
antisemtischer, antizionistischer, antiamerikanischer, nationalistischer und
massenentschuldigender linker Grundlagen können nicht hoch genug
eingeschätzt werden. Auf der Grundlage der geleisteten Schwerstarbeit, den
Weg für eine Neukonstituierung der deutschen Linken freizumachen,
läßt sich aufbauen ja muß sich aufbauen lassen. Nur
muß sich dazu eine Bereitschaft zur Erarbeitung neuer (alter)
Begrifflichkeiten wie Antikapitalismus und Antiimperialismus gestellt werden,
die im Zuge einer notwendigen Fokussierung vorschnell und allzu leichtfertig
aus Augen und Sinnen verschwanden.
Antideutsch, um antikapitalistisch gekürzt, wird reaktionär und
gelegentlich proimperialistisch, so Jutta Ditfurth. Und wer Wilhlem
Liebknechts Parole Der Hauptfeind steht im eigenen Land ernst genug
nehmen will, hat die Pflicht zu verstehen, wer der Feind überhaupt ist.
Denn wer dies nicht weiß, kann auch den Hautpfeind nicht, nur
unzureichend oder gar falsch bestimmen.
Wo stehen heute die verbliebenen oder nachgewachsenen vereinzelten
Häuflein linken Elends? Sie geben das Bild eines Trümmerhaufens ab,
das Kritiker in den mehr als gelüfteten Reihen inzwischen zu einer
kultivierten Kampfsportform, dem Schattenboxen gegen imaginäre linke
Gegner animiert hat: Der Schatten der eigenen Kritik wird zum Objekt der
Begierde und zur repäsentativen Realität erklärt. Ein aktuelles
Beispiel findet sich in der Dezember-Ausgabe von konkret. Das online
taz-Leser-Forum, in dem viel Blödsinn und schlimmeres steht, wird
kurzerhand zu einem von Linken umgemünzt und schon stimmt die Gegnerschft
wieder und legitimiert die eigene Kritik als die gegenwärtig
links-relevante.
Jede kaptitalistische Nation bekommt die nationale Linke, die sie verdient oder
hervorbringt. Es ist m.E. zu konstatieren, daß die Geschichte die
deutsche Linke überrollen wird, wenn sie sich nicht von dem endlosen
Paradigma der deutschen historischen Sonderrolle ein ganzes Stück weit
lösen kann, um in der Gegenwart das Besondere und die neue Qualität
der imperialistischen Menschenrechtsinstrumentalisierung zu begreifen und damit
auch die normalisierte imperialistische Großmacht
Deutschland. So ist es zum Beispiel ein Witz, den wirklich ehrlichen
Anti-Faschisten der Berliner Republik wie Schröder, Fischer und Co.
vorzuwerfen, daß sie zwar von Faschisten redeten, nicht aber vom
Zusammenhang mit dem Kapitalismus, wie es beispielsweise in einem Redebeitrag
des Leipziger Bündnis gegen Rechts auf der Antifa-Demo Anfang November
dieses Jahres in Delitzsch bei Leipzig passierte. (Der Redebeitrag ist in
dieser Ausgabe des CEE IEH dokumentiert.) Zu erinnern ist daran, daß
Kommunisten, Sozis und andere Recht hatten, wenn sie als Lehre aus der NS-Zeit
betonten, daß es kein linkes Monopol auf Antifaschismus gibt.
Die Zeichen der Berliner Republik sehen so aus: die existente deutsche
historische Sonderrolle neigt sich in starkem Maße ihrem Ende.
Schlußendlicher Ausdruck davon wird sein um symbolisch zu sprechen
, wenn deutsche Truppen im Gaza oder Westjordanland im Rahmen der
sogenannten UN-Misson friedenssichernd mitmischen, auch oder gerade, weil es
sehr schwer sein wird, wie im Falle des Kosovo, im Nahen Osten von deutscher
Seite kriegspropagandistisch zu behaupten, es gelte, im Nahen Osten ein
zweites Auschwitz zu verhindern. Daß dieses Szenario nicht
einfach dahergeholt ist, bewies erst jüngst der Besuch von Schröder
im Nahen Osten. Deutschland gewinnt an Bedeutung für die
Wiederbelebung des Friedensprozesses, auch wenn der Bundeskanzler bei Barak und
später beim Treffen mit Palästinenserpräsident Arafat seine
Rolle herunterzuspielen versucht, so konstatiert die Allgemeine
Jüdische Wochenzeitung. Daß hinter Schröders Lamentieren
jedoch das Wissen um mehr lauert, verdeutlichte auch die jüngste
gemeinsame Forderung der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen. Sie
haben die Bundesregierung (...) zu einer aktiveren Politik gegenüber
den Vereinten Nationen aufgefordert. Die Bundesrepublik solle ihren
Einfluß noch stärker als bisher geltend machen, damit die UN ihre
Aufaben bei der Bewahrung oder Wiederherstellung von Frieden, Freiheit,
sozialer Gerechtigkeit und ökologischem Gleichgewicht besser erfüllen
könnten (...). (FAZ vom 09.11.2000)
Es steht m.E. ernsthaft zu vermuten, daß hinter der
Pro-Israel-Haltung einiger deutscher Linker mehr Philosemtismus steckt, als zu
befürchten ist und man wahrhaben will. Jener Philosemtismus, der,
überspitzt formuliert, eine Art Umkehrung von Treitschkes Die Juden
sind unser Unglück in Die Juden sind unser Glück
bedeutet.
Neben der differenzierenden Erarbeitung eines spezifisch deutschen
Antisemtismus-Begriffs, der zudem die Begrifflichkeit des sekundären
Antisemtismus (also dem nach Auschwitz) herausarbeitete, haben sich deutsche
Linke auch einen Begriff davon gemacht, daß jener Philosemitismus eine
besondere Spielart des Antisemtismus ist und in Deutschland eine ganz besondere
Note hat. Darüber hinaus hat jener Antisemitismus-Begriff das
Verständnis vom linken Antikapitalismus geschärft bzw. spezifiziert
und hat die Unterscheidung von Antijudaismus als vornehmlich religiöse
Motivation der Judenfeindschaft und dem modernen Antisemitismus als
biologistisch, völkisch herausgearbeitet.
Im November-CEE IEH schreibt Ulle: Eine Linke, die in Deutschland
das Verschwinden von Israel herbeischreit, ist keine mehr. Diese richtige
Feststellung ist zu erweitern: ...und wer als Linke einen starken Staat Israel
fordert, hat den linken Anspruch ebenso verloren.
Nicht nur, daß mit dieser Forderung nach einem starken Staat die
nach wie vor in dieser Hinsicht notwendige Staatskritik und immer noch
einschlägig taugenden libertären Grundsätze verlassen werden,
wird damit auch der kapitalistisch-militärische Charakter des Staates
Israel mehr als nur verklärt nämlich gar noch bestärkt.
Daß Israel von Gegnern umzingelt ist, macht in der bürgerlichen
Logik einen wehrhaften Staat erforderlich, dessen Unterschied in der
Gesellschaftsordnung zu einem Staat wie Kuba erst mal festzuhalten ist. Deshalb
macht sich mit linken Grundsätzen unvereinbar und verabschiedet sich von
ihnen, wer diesen starken Staat von Links(!) legitimieren will das macht
auch einen entscheidenden Unterschied zwischen einer historischen Herleitung
und einer linken Kritik aus, die zwar beide Gemeinsamkeiten vorweisen, aber
eben nicht identisch sind und sein können. Insofern kann auch niemand von
links bestreiten, daß der Frieden für Israel bewaffnet sein
muß.
Was der Shoah-Überlebende Imre Kertesz feststellt sollte sich für die
deutsche Linke im besonderen verifizieren lassen: Der Holocaust ist ein
Trauma der europäischen Zivilisation, und es wird zu einer Existenzfrage
für diese Zivilisation werden, ob dieses Trauma in Form von Kultur oder
Neurose, in konstruktiver oder destruktiver Form, in den Gesellschaften Europas
weiterlebt.
In einer Erklärung des israelischen Außenministers Shlomo be-Ami an
die jüdischen Gemeinden in aller Welt, in der er sich im Namen der
Israelischen Regierung über die häßliche
Antisemitismuswelle, die in letzter Zeit in vielen jüdischen Gemeinden
spürbar war, besorgt zeigt, wird festgestellt, daß nicht
zwischen Israel und der Diaspora unterschieden werden könne, wenn
Rassismus und Verbreiter von Haß wüteten und es gelte,
niemals unsere Wachsamkeit gegenüber dieser Bedrohung (...) zu
lockern. Und er stellt abschließend fest: Liebe Feunde:
Israel und das jüdische Volk sind heute stärker als jemals
zuvor.
Diesen Worten folgend, ist festzuhalten, daß im derzeitigen Konflikt
zwischen Palästinensern und Israelis die Existenz von Israel in keinster
Weise ernsthaft bedroht ist. Allein die wirtschaftliche Wirklichkeit
spricht (...) eine andere Sprache: 94 Prozent der palästinensischen
Exporte gehen nach Israel, 84 Prozent der Importe in den Gaza-Streifen und ins
Westjordanland kommen von dort. (FAZ vom 14.11.2000)
In einem Interview mit der Tageszeitung junge Welt erläutert Bryan
Atinsky vom Independent Media Center Israel sehr
anschaulich: Zum Verständnis wichtig ist das eigentümliche
Rechts-Links-Schema in Israel, das sich von dem in anderen Ländern stark
unterscheidet. Politisch links wird außerhalb Israels fast immer an den
Kriterien Ökonomie und Kultur gemessen. Hier (in Israel R.) ist das
Kriterium die Haltung zu den Palästinensern. Barak gilt als links, nur
weil er mit ihnen gesprochen hat. Um als links zu gelten, muß man noch
nicht einmal glauben, die Palästinenser hätten einen Zipfel eines
Bantustan-Staates verdient. Wer ihnen ein bißchen Autonomie zugesteht,
gilt schon als radikal links. Bezüglich einer Kapitalismuskritik existiert
mit Ausnahme von der Chadasch-Partei keine Linke. Denn sowohl Labour als auch
Likud verstehen sich gleichermaßen als Träger der neoliberalen
Revolution (...)
Auf die Frage der jungen Welt, was an der israelischen Berichterstattung
über den Palästinenseraufstand zu kritisieren wäre,
erläutert Atinsky weiter: Es heißt hier (in Israel R.)
Krieg zur Zerstörung Israels, Heiliger Krieg gegen
Israel oder Was heißt Unabhängigkeit, die
Palästinenser sind doch unabhängig, sie benutzen das doch nur als
Ausrede, um die Juden ins Meer zu treiben. Entlang dieser Linien wird der
Konflikt in den israelischen Medien präsentiert. Was nicht vorkommt, weil
es das Bild zum Wackeln bringen würde, sind die schlimme wirtschaftliche
Situation der Palästinenser, die hohe Arbeitslosigkeit, die Tatsache,
daß palästinensische Autonomie nur ein Inselreich ist umgeben
von hochgerüsteten israelischen Siedlern und einer Armee, die letztere
ausrüstet und verteidigt. Wir sind, folgt man den israelischen Medien,
anscheinend eine Nation im Belagerungszustand, und nicht die
Palästinenser. Diese einseitige Berichterstattung existiert nicht nur in
Tageszeitungen wie Yedioth Aharonot und Maariv, sondern auch in der angeblich
linken Zeitung Haaretz.
Festzuhalten bleibt, daß die Logik des bewaffneten Konfliktes
um den Begriff Krieg zu vermeiden die (Kriegs-)Propaganda
hervorruft und benötigt. Unter umgekehrten Vorzeichen läßt sich
selbiges also auch ohne genaue Nachweisführung für die
palästinensische Seite konstatieren und voraussetzen.
Die Unterscheidung zwischen dem völkischen Blutsdenken dem
Blutsprinzip ius sanguinis und der Boden-Historisierung dem
Territorialprinzip ius soli verschwimmt bei so manchem deutschen Linken,
wenn gefragt wird, ob es rechtens wäre, daß die Staatsgründung
Israels mit der Vertreibung und Besatzung derer, die dort vordem waren,
zusammenfällt.
Es muß immer mal wieder festgestellt werden, daß die wenn
man so will Landnahme der späteren Gründer des Staates
Israels nicht zu dem Zweck erfolgte, andere zu vertreiben oder zu besetzen.
Viemehr stellt selbiges in den Augen der Israelis ein notwendiges historisch
begründetes Übel dar.
Wer die Kategorien Besatzung und Unterdrückung aus dem Völkerrecht
der Selbstbestimmung der Völker ableitet, dem ist im Gegensatz zu
Lenin und Stalin und dem proletarischen Internationalismus
das Links-Sein streitig zu machen. In Folge dessen jedoch mit dem Vorwurf des
Völkischen zu hantieren, entspringt vereinfachendem binärem Denken in
den ausschließlichen Kategorien von Bluts- oder Territorialprinzip, das
die besonderen historischen Konstellationen nicht erfassen kann.
Ginge man davon aus, daß sich Israel mehrheitlich als eine
postzionistische Gesellschaft begreifen würde, ergäben sich daraus
weitreichende Möglichkeiten, die die Normativität des Faktischen als
Primat gegenüber der Geschichte installieren würde. Dieser m.E.
notwendige innergesellschaftliche Paradigmenwechsel Israels ermöglichte
eine Form von vertretbarer nun ja Geschichtslosigkeit, die eine
wesentliche Stärkung notwendiger säkularer Prozesse auf beiden Seiten
der der Palästinenser wie der der Israelis befördern
würde.
Die beidseitige Zurückdrängung religiöser Motive und
Argumentationen wäre im Konflikt schon die halbe Miete bürgerlichen
Völkerrechts, hinter das es im Namen bürgerlicher Demokratie keinen
Rückfall und dazu auch keine ernstliche Alternative geben sollte.
(Der Beitrag ist die überarbeitete Fassung eines einleitenden Referats zu
einer Diskussionsveranstaltung anfang November in Leipzig unter dem Titel
Das Unbehagen der deutschen Linken der Konflikt zwischen
Palästinensern und Isrealis)
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