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Martin Büsser und guest. |
Der nachfolgende Text ist als Veranstaltungsankündigung für die Lesung mit Martin Büsser geschrieben und beinhaltet gleichzeitig Rezensionen seiner beiden Bücher IF THE KIDS ARE UNITED und ANTIPOP.zusammengestellt von Roli
Martin Büsser beschäftigt sich in den zwei
Büchern mit verschiedenen Strömungen der Musikkultur. Mit If
the Kids are United bearbeitet er einen bestimmten Substrom, während
er in Antipop einen Bogen spannt, der sich über die
verschiedensten subkulturellen und popgeschichtlichen Felder erstreckt. IF THE KIDS ARE UNITEDJohn Lydon (Sex Pistols): Außer Sid war keiner der Pistols selbstzerstörerisch drauf ganz im Gegenteil. Wir hatten die Absicht, das System zu zerstören, aber bestimmt nicht uns selbst. Das war der Ansatzpunkt der Sex Pistols mit Beginn der Punkära und der daraus folgenden Hardcorebewegung. Hardcore ist neben Punkrock die einzige Musik, die innerhalb der autonomen Linken eine solche internationale Akzeptanz erreichte, daß die kritische Aufarbeitung, die nicht nur ein Nachdenken über Musik, sondern über ein subkulturelles Medium mit all seinen Widersprüchen und Bruchstellen sein sollte, längst überfällig ist.In den neunzigern hat Punk/Hardcore das System nicht zerstört, sondern ist Bestandteil dessen geworden. Wie konnte Punk, eine einst so radikale Bewegung, zum kommerziellen erfolgreichen Dauerbrenner in MTV werden? Was mußte geschehen, damit eine solche anarchische und Gesellschaft ablehnende Bewegung zum ästhetischen >Status quo< der Neunziger wurde. Diesen und anderen Fragen geht Martin Büsser, langjähriger Mitarbeiter des Punk/Hardcore-Magazins ZAP, in If the Kids are United nach. In geraffter, auch für Außenstehende verständlicher Form, wird hier erstmals die komplette Geschichte einer der bedeutendsten Jugendkulturen unserer Zeit wiedergegeben: Der Weg führt vom britischen Früh-Punk 1976 über den Polit-Punk in Deutschland, vom amerikanischen Hardcore über dessen Rezeption in Europa hin zur Kommerzialisierung der Hardcore-Bewegung und zur Rückbesinnung auf alte Punk-Werte. Ohne einem strengen Akademismus zu verfallen, werden hier sowohl die ästhetischen wie auch die sozikulturellen Aspekte der Bewegung analysiert: Musik, Kleidung, Covergestaltung, Häuserkampf, Punks contra Hippies, Geschlechtsverhältnisse, Punk contra Neofaschismus sind Themen, denen sich dieses Buch widmet. Der Text wird bereichert durch Musikzitate aus den mehr als hundert Interviews, die der Autor bis zum entstehen des Buches führte darunter Fugazi, Nomeansno, Henry Rollins, Alice Donut, Sonic Youth, Slime, Hüsker Dü, Die Goldenen Zitronen und Neurosis. In diesem Buch gibt es weder Schuldzuweisungen noch Good Times-Nostalgie. Anderseits handelt es sich aber auch nicht um einen nüchternen Bericht. Der Autor, der dieser Szene mehr als ein Jahrzehnt angehörte, berichtet, wie und warum es so gekommen ist. Die überarbeitete Auflage des Buches wurde von verschiedenen Publikationen wie TAZ, ZAP, Jungle World, Rock Hard, Vision und Die Beute zum Standardwerk erklärt. Das Buch ist Pflichtlektüre für jüngere Generationen, insbesondere im Conne Island Umfeld, die Ansatzpunkte älterer Conne Island Betreiber zu denen ich mich selbst zähle oft nicht nachvollziehen können. L.E. Crew erscheinen Pflicht!!!!! ANTIPOP: der vielseitige Reader zwischen Pop Diskurs und Unterhaltung.Behandelt werden u.a. Henry Rollins als selbsternannter Übermensch. Gemessen an Miles Davis war auch Henry Rollins der Neunziger nur noch eine musikalisch öde Athletenmaschine, die in Videos, welche inzwischen bunter geworden sind als seine Tattos, nur noch stumpf den Selbsterhalt einer unzeitgemäßen Kraft reproduziert.Oder >Pop ist eine Pizzaschachtel< über die Grenzen einer politischen Aufwertung von Pop als Subversionskultur. Einerseits ist Pop in all seinen Spielarten zur imperativen ästhetischen Vorgabe geworden, die sämtliche gesellschaftlichen Gesellschaftsbereiche durchdringt (wer sich dem Diktat des Pop entziehen will, muß unweigerlich Fernseher/Radio abmelden und aufs Land ziehen), zum anderen hat sich das, was einmal Underground genannt wurde, derart atomisiert, daß eine stringente Lesart nicht mehr möglich ist, nachträglich sogar die Tauglichkeit des Underground-Ethos in Frage gestellt werden muß. Wer heute noch von einer Unity spricht sei es im Punk, im Hip Hop oder im Techno kann stets nur ein kleines Feld meinen, das selbst gegenüber der eigenen Szene sich hat abkoppeln müssen: Je globaler Pop sich gebärdet, desto lokaler werden seine Subkulturen. Die Hoffnung vom Internationalismus ging diesbezüglich nach hinten los. Internationalismus erreichte Pop nach dem Verfall der alten Subkulturen nur noch über kulturindustrielle Errungenschaften wie MTV, VIVA, Internet. International ist auch hier lediglich die Sprache der Werbung geworden, nicht die der Kommunikation. Pop-Pluralismus läßt sich allemal am besten noch bei McDonalds beobachten, dem einzigen Dach auf dieser Welt , das unter sich Bankdirektoren, Obdachlose, Punks, Skater, kurz Menschen jeglicher sozialer Herkunft zu vereinen versteht. Weitere Themen in Antipop: Die Techno-Debatte über Geschichte und Schulen. Ganz wichtig sind die beiden Interviews über Vergangenheit und Zukunft des Punk mit Jello Biafra/Half Japanese (Ex-Dead Kennedys): Im Grunde ist Heavy Metal ja schon immer abgestumpft gewesen, aber wenn ich die Texte von Metallica und Sepultura von heute mit denen zu ihrer Anfangszeit vergleiche, muß ich eigentlich den Hut ziehen. Manchmal nicht immer kommt Bewußtsein mit dem Älter-werden. Im Punk scheint es sich mit den Jahren bei den meisten zu verlieren. Kleiner Nachtrag zur letztlich geführten Montagsdiskussion, über die Präsentation von sechs Leipziger Bands + 3 DJs an einem Abend im Conne Island. Jello Biafra: Gute Bands sind immer eine Motivation, die zig andere Bands nach sich zieht. Gute Bands entstehen allerdings nur dort, wo die Musik nicht zum Job oder zur Verpflichtung gegenüber beschissenen Knebelverträgen wird. Und über Krautrock mit Arnulf Meifert (Ex-Faust). Die Melvins, Jim ORourke, die Krise der Rockmusik, die aussterbende Zunft der Plattensammler sind weitere Themen und runden den exzellenten Essayband ab. Antipop ist sehr kenntnisreich mit einer Menge an Fakten und Meinungen. Anfangs dachte ich, dies könnte mein letztes Buch zum Thema Pop sein. Nun aber befürchte ich, daß es sich hier bloß um Skizzen handelt zu einem Text, vor dessen enormer Arbeit ich momentan noch zurückschrecke (Martin Büsser) Fazit: Pflichtlektüre und Fundgrube für subkulturelle Aspekte. |
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