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Seit Jahren schon bietet der Rock einen Anblick des Schreckens. Man findet ihn
nicht einmal mehr in Agonie verstrickt. Jede aktuelle Poptheorie überführt ihn gerade in die
Annalen der Musikhistorie. |
Sie alle haben noch einmal daran geglaubt, daß die direkte, handgemachte Musik im Rock-Kontext möglich ist, der direkte Kick über die Gitarrensaiten, die ungefilterte Message ohne doppelten Boden, die Live-Intensität, egal ob auf der Bühne oder im Studio. (Martin Büsser) Zahlreichen Indie-Hörern geht es nicht um die Treue zu einer Form, die einmal als die
gültige verstanden wurde und fortan als Folie über jeder Wahrnehmung liegt. Sie wollen das
Interesse an Musik auf jenem Energielevel halten, das die einst auf MUDHONEY, THE SMITHS, HÜSKER DÜ stoßen ließ - und was in den
Sparten Elektronik, Dub, Techno seit längerer Zeit passiert, entspricht genau diesem Energielevel
. Die Statik der Rockmusik ist zu ihrem eigenen Totengräber geworden. Der Koloß Rock, dafür geschätzt, unverfälscht und unmittelbar rezipiert werden zu können, besitzt jene strukturellen Fangarme, die alles vereinnahmen und erdrosseln, was sich nur ansatzweise neu entwickeln will. Crossover war wohl der letzte Versuch, eine Authentizität zu entfalten, ohne den Rock-Habitus aufzukündigen. In den Achtzigern standen Labels wie SST, Dischord, Alternative Tentacles, Homestead, Shimmy Disc, Touch & Go, Am Rep und Sub Pop für den Ansatz, aus dem Scheitern des Punk innerhalb eines Rockkontextes die Schlüsse zu ziehen, daß die direkte, distanzlose und irgendwie authentische Rockmusik noch möglich ist (M. Büsser). Spätestens im Jahre 1991 jedoch lief jener Versuch in Sphären, wo die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens offensichtlich der Übermacht der Majors weichen mußte. Der Wechsel etlicher Bands oder der Aufkauf von Labels, stellten jeden Underground-Anspruch auf das Abstellgleis. Die Independentstruktur der Achtziger transformierte sich, bzw. wurde transformiert. Aus ihr entstand der Alternative-Marktsektor, für den zum Beispiel in Deutschland Magazine wie das Visions - Musik für die Neunziger entworfen wurden, oder in dessen Sog die Fashion-Industrie via TV eine Generation (X) zu klonen versucht. Eine Unterscheidung zwischen Freund und Feind scheint für viele seitdem tabu zu sein. Rockmusik ist quasi an einem Endpunkt angelangt, über dessen Zustand PAVEMENT nur von außerhalb sprechen wollen. Verständlich. Ist sie doch dort gelandet, wo sie bisher jeden neuen Sound, jede Innovation aus dem ihr ureigenen Katalogisierungsmechanismus heraus genormt hat. Rock erweist sich heute als stagnativer Monolith, dem die Perspektive ausgegangen ist. Dafür zeichnet in gebührendem Maße die immer wieder neu forcierte Distanz zwischen Musiker und Rezipient verantwortlich. Aus Prinzip haßt der Rockhörer DJing und jegliche Weiterverarbeitung von Sounds und Strukturen (ZAP, Jan. 96). Das entlarven auch TORTOISE, wenn sie ihre eigenen Aufnahmen zum Ausgangspunkt für weiteres machen. (Das ist genau der Gegensatz zur Herangehensweise der meisten Rockbands.) Der vermeintliche Schluß, die Verkehrung der Vorzeichen sei der rettende Anker des Rock, ist genauso zum Scheitern verurteilt, wie die Meinung, der Rockismus sei damit gekippt. Diesem Irrtum unterlag, zwar anfangs unbewußt, schon einmal der Punk.
Ralf |