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Das CEE IEH wird 150 |
Obwohl sich im Newsflyer nie nur antideutsche Positionen lesen lassen konnten, so waren diese doch prägend. Anhand dieser lässt er sich auch in seiner Entwicklung und heutigen Gestalt besser begreifen. In den Neunzigern ging es den Antideutschen darum, den Begriff Nation` allgemein zu kritisieren und besonders [ ] darum, herauszustellen, daß die deutsche Nation eine der übelsten war und mit ihr kein Frieden geschlossen werden darf! (CEE IEH #8). Der Neonazismus, der in den Neunzigern in Ostdeutschland so gewalttätig war, wie er es derzeit wieder wird, wurde als extremster Ausdruck einer typisch deutschen Grundhaltung interpretiert, die mit der Wiedervereinigung wieder Auftrieb bekommen hätte. Natürlich haben Antideutsche diese Grundhaltung nicht auf irgendwelche deutschen Gene zurückgeführt, wie die dümmsten Kritiker der Antideutschen gerne glaubten und verbreiteten, sondern auf eine besondere Geschichte (deutscher Sonderweg): Die deutsche Nation hätte sich nicht politisch qua bürgerliche Revolution gegen den Obrigkeitsstaat, sondern als Einheit aller Klassen und Schichten konstituiert und damit als völkische Nation in Abgrenzung zu allem Fremden hypostasiert. Aus dieser völkischen Identität wäre der Nationalsozialismus und als dessen zentralstes Element der Vernichtungsantisemitismus erwachsen. Die Antinationale Gruppe Leipzig, die in der zweiten Hälfte der Neunziger für viele politische Texte im CEE IEH verantwortlich war, erklärte, daß die deutsche Nation ohne Option der Ausgrenzung und Auslöschung des Judentums niemals hätte entstehen können (CEE IEH #49) Während andere Antifas, die sich als revolutionär und antikapitalistisch verstanden, betonten, dass der Faschismus eine Ausgeburt des Kapitals sei, stellten die Antideutschen die deutsche Nation, den deutschen Nationalismus und den sogenannten deutschen Sonderweg in den Mittelpunkt ihrer Faschismusanalyse. Wenn die revolutionären Antifas auf einer Demo zu skandieren begannen Hoch die internationale Solidarität!, brüllten die antideutschen Antifas Hoch die antinationale Solidarität! oder Hoch die antideutsche Solidarität!. Nachdem die Antideutschen, die ihre Positionen immer schon besonders rigide vorbrachten, die linke Jugendbewegung, besonders auch in Leipzig, stark durcheinander gebracht und für sich vereinnahmt hatten, wurden sie selber in ihren Grundfesten erschüttert. Verantwortlich dafür waren drei Ereignisse:
Der Aufstand der Anständigen, der in einer 200 000 Personen starken Anti-Nazi-Demonstrationen mit Gerhard Schröder an der Spitze gipfelte, war ein weiteres Ereignis, das die antideutsche Theorie stark ins Wanken brachte. Das Bündnis zwischen Staat, Bevölkerung und Nazis, das die Antideutschen angegriffen hatten, erwies sich als überholt oder als Popanz. Zwar gelang es einigen Antideutschen, etwa dem Bündnis gegen Rechts (BGR) im CEE IEH #72, selbst diesen Aufstand als einen des deutschen Mobs darzustellen. Aber den Inhalt, den dieser Mob vertrat, konnte man schwerlich die Etikette Nazismus umhängen. Man attestierte ihm die Ambition, Deutschland fit für die Globalisierung zu machen und, so der BGR-Text weiter, ökonomische Interessen zu vertreten, also etwas, was nicht gerade typisch deutsch ist. Seit dem Aufstand der Anständigen, der die Befürchtungen eines Vierten Reich Lügen strafte, gelang es den Antideutschen nicht mehr, überzeugend zu verdeutlichen, was am gegenwärtigen besseren Deutschland so außerordentlich barbarisch ist ausgenommen der Vergangenheit, von der sich jedoch auch das bessere Deutschland abzuwenden versucht. Nach den Anschlägen gegen die USA wurden die Antideutschen wieder dringend notwendig. Die in Seattle, Prag und Genua wieder gewonnene Dummheit der radikalen Linken führte zu entsprechenden Reaktionen. Im CEE IEH durfte Ralf, der später auf seine Art zur Vernunft zurückfand, ganzheitlich-revolutionäres Geschwätz absondern, welches kompromissloser als das kritisierte Kapital alles unters Allgemeine subsumiert: Die globale Vorherrschaft der westlichen Welt zeigt Risse. Das ist der Fakt, der die Krise belegt. Die Terroranschläge selbst sind nur Ausdruck davon und die Piloten der Jets sind dabei quasi die Hiobsboten, die in ihren fanatischen Selbstmordgelüsten in den Tod fürwahr wie in einen oben schon benannten Gottesdienst hineingehen. Diese Risse sind nicht etwa politischer oder moralischer Natur. Sie haben, und das war einstmals eine linke Binsenweisheit, eine Ursache, die man nach Marx und Engels zu vermeintlich linken Hoch-Zeiten schlicht Basis schimpfte: weil das Kapital an die Grenzen seiner weltgesellschaftlichen Wirkungsmächtigkeit stößt, das heißt, nicht vermag, alle Menschen ausreichend einzusaugen und allgemein gleiche Warenbesitzer und -produzenten aus ihnen zu machen, gerät hier und dort etwas partiell außer Kontrolle. [ ] Wen die Bilder von Manhattan und vom Pentagon noch ernstlich erschüttern konnten, offenbarte damit gleichzeitig, sich nicht etwa ein Stück Menschlichkeit bewahrt zu haben, sondern die eigene Abstumpfung, die notwendige Eindimensionalität seiner eigenen Existenzweise, überhaupt nicht zu reflektieren. Mit diesen Menschen läßt sich so allerhand an Schweinereien anstellen und ganz bestimmt auch ein KZ betreiben, in dem die Verantwortlichen der Anschläge und ihre Helfershelfer darben sollen. Denn letztlich ist das alles nur eine Frage der gesellschaftlichen Projektionskraft, der Verschleierung der wahren Verhältnisse. Denn wer die zynische Wirklichkeit des realen Lebens nicht mal kennen will, ist von einer Bewußtwerdung der bürgerlichen Zustände weiter entfernt als das antiamerikanischste, antizionistischste Arschloch. (CEE IEH #81) Die Antideutschen hingegen begriffen sehr schnell, dass es sich beim Islamismus nicht nur um Reaktion oder Ausdruck irgendeiner Krise kapitalistischer Produktionsverhältnisse handelt, sondern um eine höchst gefährliche Ideologie, die so wenig im Begriff des Kapitalismus aufgeht wie die nationalsozialistische. Gerade weil die Antideutschen sich, um den NS zu begreifen, mit dem Antisemitismus auseinandergesetzt hatten, wurden sie angesichts der Anschläge und den dazugehörigen Verlautbarungen zu Antiislamisten. Die Bezeichnung Antideutsch behielt man allerdings bei. Die antifaschistische Parteinahme gegen den Islamismus führte nicht bei allen Antideutschen, aber bei vielen, unter anderem mir, zu einer Affirmation der amerikanischen Intervention in Afghanistan und später dem Irak. Das führte zu großem Streit mit pazifistischen und strikt antikapitalistischen Teilen der Linken. Dieser Streit, der das CEE IEH zwischen 2001 und 2004 entscheidend prägte, erlahmte peu a peu. Mit der Zeit begriffen zwar immer mehr Linke, dass die Gefahr des Islamismus keine rassistische Unterstellung, sondern Wirklichkeit ist, zugleich mussten jedoch die Antideutschen begreifen, dass der Islamismus im mittleren und nahen Osten auch nach der kriegerischen Intervention stark geblieben ist. Die antideutsche Strömung ist während dessen immer mehr erstarrt. Zum Einen bemühen sich einige ehrenhaft, fleißig und ohne neuen Erkenntnisgewinn darum, den Islamismus und jegliche Toleranz gegenüber dem Islamismus zu denunzieren, zum Zweiten changiert man weiterhin eher unsouverän zwischen Verteidigung der bürgerlichen Demokratie und Kritik der kapitalistischen Produktionsweise und zum Dritten hat sich eine antideutsche Jugendbewegung herausgebildet, die, mit Israel-Buttons und Sonnenbrillen bestückt, erfolgreich dabei ist, Antifaschismus, Hedonismus und Kommunismus via 4/4-Takt und Koks zur dümmstmöglichen Einheit zu synthetisieren. Das sind schwierige Bedingungen, mit denen die neue CEE-IEH-Redaktion umzugehen hat. Während die Vorgänger-Redaktion, zu der auch ich gehörte, von der antideutschen Strömung profitierte, muss man heute aufpassen, an ihre Erkenntnisse anzuknüpfen und zugleich nicht in ihr zu versacken und zu verdummen. Nach dem ersten halben Jahr sieht es aus, als würde die neue CEE-IEH-Redaktion die schwierige Situation bestmöglich meistern. Sie hat das thematische Spektrum erweitert und das Niveau der Beiträge hoch gehalten. Sie hat der alten Redaktion nicht die Möglichkeit gegeben, im Nachhinein mit geschwollener Brust zu konstatieren, dass mit dem eigenen Abgang das Heft schlechter geworden ist. H. Gießler |
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