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Die 8. Mai-Planung der Bundesregierung wird in einer Serie weiterer Gedenktage eingebettet sein. Dazu gehören u.a. der
27. Januar 1995: Befreiung von Auschwitz; Gedenkfeierlichkeiten unter polnischer Regie. Hier
könnte sich die Bezugnahme auf eine Mitschuld der anderen (unter den Stichworten: polnischer
Antisemitismus; alliierter Verzicht auf die Bombardierung der nach Auschwitz führenden
Bahngleise usw.) mit einem scheinheiligen Eingeständnis deutscher Schuld vielleicht noch die
Waage halten.
13. - 15. Februar 1995: 50. Jahrestag der Bombardierung Dresdens; Thematisierung der alliierten "Verbrechen" gegenüber Deutschland.
19. März 1995: Der hundertste Geburtstag von Ernst Jünger, des Heroenschreibers aus
dem ersten Weltkrieg und Inspirators der "Konservativen Revolution" in der Weimarer Republik wird
vermutlich zu einem nationalen Ereignis auch dann hochstilisiert werden, wenn Jünger bis
dahin stirbt.
11. April 1995: Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald, dessen Verwendung in den
Jahren 1945ff heute in erster Linie interessiert ("Wer von den KZ-Greueln der Nazis spricht, darf
über die sowjetischen Internierungsgreueln der Jahre 1945 - 47 nicht schweigen"). Als
Höhepunkt der Gedenkfeierlichkeiten ist eine Rede des ehemaligen KZ-Insassen Jorge Semprun
vorgesehen, der schon als Preisträger des diesjährigen "Friedenspreises des deutschen
Buchhandels" mit seiner Gleichsetzung von Gulag und Auschwitz sowie Hitler'schem KZ und Stalin'schem
Internierungslager zu beeindrucken wußte.
Zu befürchten ist, daß wir nach der Wendemarke des 8. Mai noch eine ganze Serie revanchismusgetränkter
Gedenktage aus Anlaß der Vertreibungen und Forderungen nach "Sühne"
für die gegenüber den Deutschen begangenen "Verbrechen" erleben werden.
InterviewEinleitung:
Das Jahr 1995 wird nicht nur eine weitere Fortführung rassistischer und mittlerweile teilweise
institutionalisierter Angriffe gegenüber Flüchtlingen bringen, sondern wir sollen
auch noch Zeugen eines einzigartigen Geschichtsrevisionismus werden. Was sich im vorangegangenen
Jahr durch die Art und Weise der Begehung des Stauffenberg-Attentats, des Warschauer Aufstandes,
der Landung der West-Alliierten oder die Verabschiedung der alliierten Soldaten aus Berlin
bereits abzeichnete, wird in diesem Jahr durch die "neu-groß-deutsche" Interpretation
weiterer Gedenktage, deren Höhepunkt der 8. Mai darstellt, fortgeführt werden.
Dieser Umdeutung historischer Fakten entgegen steht der Versuch eine explizit anti-deutsche
"Strömung" in bundesweitem Maßstab zu initiieren, die, auf früher existierenden
anti-deutschen Ansätzen aufbauend ("Nie wieder Deutschland" oder "Etwas besseres als die
Nation"), gegen die deutschen Großmachtbestrebungen aber auch gegen den Opportunismus in
weiten Teilen der Linken gewendet ist. Um über Ziele und Inhalte eines solchen Ansatzes mehr
zu erfahren, führten wir ein Interview mit zwei Vertretern einer Vorbereitungsgruppe, die
Gegenaktionen zur offiziellen Interpretation der anstehenden Gedenktage plant, durch.
- Wie begründet sich ein explizit anti-deutscher Ansatz?
- Es geht darum, daß der Relativierung der Einmaligkeit der NS-Verbrechen entgegen gewirkt
wird. Einfach nur gegen die Nation zu sein, reicht als Ansatz dafür nicht aus, um gegen
diese Planung der Feierlichkeiten straight argumentativ vorgehen zu können.
- Worin liegt Eurer Meinung nach der Grund, warum die Geschichte 50 Jahre nach Ende des deutschen Nationalsozialismus umgeschrieben werden soll?
- Es wird versucht, 50 Jahre danach, aus einer Niederlage im Nachhinein einen Sieg zu machen,
die Geschichte im deutschen Sinne zu verändern. Diese Bestrebungen gibt es schon seit 1945,
aber es gibt eine neue Situation seit der Wiedervereinigung der Weg ist frei für die
deutsche Nation im negativ belastenden historischen Sinne, wie er "von Geburt an" war, in Verbindung
z.B. mit "Blut und Ehre", "Blut und Boden" mit denen nie richtig gebrochen wurde. Und dies
reflektiert sich heute immer noch z.B. bei Ausländergesetzgebung, deutscher Staatsbürgerschaft,
...
- Mit der Wiedervereinigung hat es Deutschland geschafft, sich von dem positiven Knebel der Alliierten lösen zu können.
- Man muß vielleicht noch einmal genau betonen, daß sich der deutsche Nationenbegriff
von den in anderen Ländern üblichen Definitionen unterscheidet. Nämlich,
wie schon gesagt: "Blut und Boden" statt frei erwerbbarer Staatsbürgerschaft.
Zur Zeit ist es doch schon wieder so, daß in Osteuropa lebende sogenannte "Deutschstämmige"
als Reservoir für einen neuen völkischen Nationalismus in diesen Gebieten gehandelt
werden. Man kann davon reden, daß dort Deutsche stationiert sind. So etwas würde
in anderen Ländern nicht passieren, weil diese anderen Auffassungen von Staatszugehörigkeit
und Nationalitäten haben. Ergänzend wäre auch noch hinzuzufügen:
Die Sieger haben aufgehört zu siegen in dem reihum eine Art von Entschuldigungen und Versöhnungen
von den ehemaligen Siegermächten angeboten werden und dies bedeutet nichts
anderes als eine Relativierung der Verbrechen, die von diesem Land ausgegangen sind und da gilt
es gegenzuhalten.
- Ist euer explizit anti-deutscher Ansatz bloß aus der gegenwärtigen Situation entstanden oder ist er auch Ausdruck eines generellen, die Nation verneinenden, Politikverständnisses?
- Grundsätzlich halten wir den Begriff der Nation für blödsinnig. Das ist einfach
keine Kategorie, mit der man Menschengruppen oder Konstellationen erfassen kann - im Gegenteil,
dies ist vor allem eine Kategorie, die die Rechten irgendwann mal für sich instrumentalisiert
haben, um ihre politischen Vorstellungen und Ziele durchzusetzen. Allein deswegen geht
es natürlich auch schon einmal darum den Begriff "Nation" allgemein zu kritisieren. Aber
es geht in diesem Zusammenhang besonders darum, herauszustellen, daß die deutsche Nation
eine der übelsten war und mit ihr kein Frieden geschlossen werden darf!
- Wer kann mit einer solchen explizit anti-deutschen Kampagne erreicht werden, in einem Land, in dem der nationale Konsens gefestigt scheint und die Meinung "50 Jahre sind genug" durchaus massenkompatibel ist?
Ist euer Ansatz nicht pure Selbstbeweihräucherung oder seht ihr ein konkretes Ziel?
- Ich denke, daß sich das erst einmal auf eine Anti-Haltung beschränkt. Eine anti-deutsche Kampagne ist natürlich destruktiv angelegt.
- Es ist ja auch eine Lage, die nicht unbedingt selbst gewählt ist. Wenn man sich diesem
nationalistischen Konsens gegenüber sieht, und einem Volk, das nun mal gerne vergißt
und gleichzeitig wird gerne von einer sogenannten Normalität geredet - dies darf es angesichts
solcher geschichtlichen Verbrechen nicht geben. Wir stehen nicht freiwillig mit dem Rücken
an der Wand. Wir wollen eben nicht "Ja" sagen zu diesem nationalen Konsens.
- Der Druck beinhaltet ja nicht nur Gedanken und Ideen aus einer Verweigerung heraus gegenüber
dem nationalen Konsens an sich, sondern richtet sich gegen das gesamte Wertesystem, welches
dieser Nationalismus beinhaltet, z.B. solche Werte wie Familie als Zentrum der Gesellschaft,
die in ihm beinhaltete Hierarchie. Wenn z.B. ein Schäuble sagt, ein Solidaritätszuschlag
muß sein, dann machen eben alle mit. Und ein Ziel wäre z.B., so viele Leute
wie möglich zu überzeugen, sich solch einem Modell zu verweigern, diesen Konsens zum
Bröckeln zu bringen.
- Es handelt sich doch um eine beginnende "Strömung", die aus den Resten der "Restlinken"
besteht. Wenn man sich die Linke dieses Landes anschaut, beteiligt sich diese eifrigst - von
den Intellektuellen bis zur PDS, Bündnis 90/Grüne sowieso - an der Herausbildung dieses
nationalen Konsens', weil die dem Irrglauben unterliegen, da etwas mitgestalten zu können,
merken dabei aber nicht, daß sie sich dabei nur im nationalen Rahmen bewegen und wenn
sie für einen Solidaritätszuschlag stimmen, damit den armen Menschen im Osten geholfen
wird, dann sind das alles Überlegungen im Rahmen, den gerade mal die national gesinnten
Drecksschaluppen sich vorzustellen bereit sind. Die ganze Sache läuft in Richtung "Schicksalsgemeinschaft",
ihre Aufgabe ist vor allem der "Aufbau Ost" und ist demzufolge Nährboden
für wesentlich weitergehende rechte Gedankengüter.
Dem entgegen bildet sich aber eine interventionsfähige Strömung gerade erst heraus,
die sich auch gegen solche Art (nationale) Ausbreitung in der Linken selbst zu wehren hat. in
diesem Zusammenhang ist z.B. die Politik einer PDS grundsätzlich abzulehnen.
- Wenn sich in diesem Jahr die Bombardierung Dresdens zum 50sten Male jährt, dann werdet
ihr versuchen, dies als kriegsnotwendig zu begründen. Die bürgerlichen Kritiker und
die aus den eigenen Reihen werden aber bei radikalen Zuspitzungen wie "Do it again Bomber harris"
vor allem moralisch empört reagieren...
- In Dresden will niemand die Trauer eines dort wirklich privat Trauernden stören. Zum
anderen, es gibt in der Linken viele Leute, die den Luftangriff auf Dresden als Kriegsverbrechen
bezeichnen und gleichsetzen mit denen der Deutschen z.B. auf Conventry und dabei ganz offensichtlich
außer acht lassen, daß z.B. der Angriff auf Conventry dem Ziel diente alle
"englischen Städte auszuradieren", so wie es Hitler auch formuliert hat und insgesamt den
Kriegszielen der faschistischen deutschen Wehrmacht. Der Luftangriff der Alliierten auf Dresden
diente dem Ziel, den deutschen Faschismus militärisch nieder zu ringen, denn das deutsche
Volk war offensichtlich nicht in der Lage noch willens diesen zu beseitigen. Dieses "Do it again..."
ist natürlich nur eine Zuspitzung, dies würde keiner fordern. Das verdeutlicht
nur die inhaltlichen Positionen...
Eigentlich geht es bei Dresden nur darum, daß die Täter-Opfer-Relation, deren geschichtlicher
Antagonismus, wie ihn die Faschisten damals gechaffen haben, im wahren Licht betrachtet
wird. Die Bezeichnung, auch deutsche Luftkriegsopfer seien Opfer des Faschismus, führt
zu einer Nivellierung dieses Täter-Opfer-Verhältnisses. Liest man sich z.B. das "Tagebuch
der Anne Frank" durch oder betrachtet die Meinungen derer, die wirklich vom Faschismus verfolgt
waren, dann wird klar, wie jede Bombe der Alliierten von diesen begrüßt wurde,
weil sie zu ihrer Befreiung mit beigetragen hat.
Ohne die erbitterte Kriegführung der Alliierten hätte der deutsche Faschismus überlebt,
einfach deshalb, weil das deutsche Volk ihn getragen hat. Deshalb geht es nicht, die
Opfer von Verfolgung, KZ, und dem Raubkrieg mit den Opfern des sogenannten "Luftterrors" gleichzusetzen.
Das ist ein Gipfelpunkt des Geschichtsrevisionismus.
- Aber es ist doch ziemlich zynisch, einfach nicht zu differenzieren und zu sagen, sie haben alle die Bomben verdient. Ist das nicht eine absolute Opfer-Täter-Nivellierung?
- Bei der Kampagne in Dresden muß einfach klargestellt werden, wo unser Ansatz liegt,
daß dabei eine menschliche Dimension in die zweite Reihe gerückt ist, kann man nicht
leugnen, das ist eine Tatsache, es gab dort Tausende von menschlichen Tragödien, aber das
ist nicht unser Ansatz. Sondern der Liegt darin, den historischen Zusammenhang herzustellen und
darauf zu verweisen, wer die Verantwortung für den Bombenangriff auf Dresden trägt
und das ist explizit das deutsche Reich getragen vom deutschen Volk, das im Mainstream den totalen
Krieg eines Herrn Goebbels bejaht und bejubelt hatte. Und das ist eine historische Tatsache
die jetzt verdreht werden soll, in dem alle Taten des Krieges auf eine Stufe gestellt werden
sollen.
- Man kann es auch sozusagen menschlich ausdrücken. Wenn man so weit geht, zu sagen, auch
die Toten von Dresden waren Opfer, dann muß ich mir überlegen, auf der Seite welcher
Opfer ich stehen möchte. Auf der Seite der Opfer des Faschismus oder der eines sogenannten
alliierten "Luftterrors".
Und in der Regel waren die Leute in Dresden eben solche, die in irgend einer Uniform des NS-Staates steckten...
Es war notwendig, den deutschen Faschismus von außen militärisch niederzuringen und
da war jede Bombe notwendig und in diesem Zusammenhang sollte man die fortschrittliche Rolle
einer Anti-Hitler-Koalition und auch eines Bomber-Harris offensiv verteidigen...
Weiterhin ist zu sagen, was Dresden betrifft, es war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt in Richtung
Osten, sowohl für KZ-Häftlinge als auch für Wehrmachts- und SS-Verbände
oder auch für Zwangsarbeiterströme für's Reich und deshalb war die Bombardierung
Dresdens wirklich richtig.
Hinzu kommt der psychologische Aspekt: Wenn sich ein Volk als Herrenrasse fühlt und dann
mitbekommt, daß die eigene Stadt innerhalb einer Nacht vernichtet wird, der fühlt sich
nicht mehr als Herrenrasse. Der Angriff auf Dresden hat auch unter diesem Gesichtspunkt das
Kriegsende beschleunigt, da er einigen Menschen ihren Größenwahn nahm.
- Was ist an konkreten Aktivitäten bereits geplant bzw. in Vorbereitung?
- Erstmal möchte ich darauf hinweisen, daß es im Infoladen dazu einen Ordner gibt,
der über dieses Thema, die anstehenden Aktionen, die geschichtlichen Hintergründe,
z.B. 90/92 - "Nie wieder Deutschland", "Etwas besseres als die Nation", informiert.
Zum zweiten gibt es natürlich einige Aktionsplanungen etwas zu unternehmen, z.B. am 12.
Februar in Dresden, wenn dort die offiziellen Feierlichkeiten, die der Relativierung der deutschen
Geschichte dienen, abgehalten werden. Außerdem zum 8. Mai 1945, der sich zum 50sten mal
jährt und inhaltlich unter dem Motto stehen wird "Ab heute fangen wir wieder mit der deutschen
Normalität an!". Dagegen werden Aktionen vorbereitet, daran beteiligen sich z.B. der
Arbeitskreis Kassiber (Berlin), der früher Gefangenenarbeit gemacht hat und jetzt bei der
Initiierung einer anti-nationalen Strömung beteiligt ist, die junge Welt vor allem mit
Jürgen Elsässer in Berlin und in Hamburg die Zeitschriften 17ÝC und bahamas und in Leipzig
gibt es eine Vorbereitungsgruppe, die über das Offene Antifaschistische Plenum erreichbar
ist.
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