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Wie jedes Jahr veröffentlichen wir den Jahresbericht des Projekt Verein e.V., dem Trägerverein des Conne Island. Wir wollen so inhaltliche Diskussionen transparent machen. Form und Inhalt bestimmen sich auch über seinen Zweck – der Repräsentanz nach außen.
dokumentation, 1.1k

Jahresbericht 2006


Nicht nur weil das Conne Island im August sein 15-jähriges Bestehen beging, sondern weil nach wie vor das soziokulturelle Zentrum am südlichen Rand Leipzigs seine kultur- und jugendpolitischen Prämissen umzusetzen vermochte, neue Ideen zur jugend- und popkulturellen Repräsentation entwickelte und ein qualitativ hochwertiges Kulturprogramm lieferte, war 2006 ein durchaus erfolgreiches Jahr.
Das Conne Island und sein Träger – der Projekt Verein e.V. – gehen größtenteils gestärkt aus dem Jahr 2006. In erster Linie deshalb, weil die Diskussionen um die kulturelle wie kulturpolitische Grundkonzeption des Projektes erfolgreich und auf der Höhe der Zeit geführt werden konnte. Insbesondere die sich teilweise stark auswirkenden veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, die sozialen und wohlfahrtsstaatlichen Neukonstitutionen machten diese Diskussionen notwendig. Dass in „Prekären Verhältnissen“ insbesondere für Kultur weniger Mittel bereit stehen, hat sich, nachdem Fördermitteltöpfe eher schrumpfen denn zunehmen, nicht zuletzt auch bei unseren KonsumentInnen gezeigt. Der sich in den Jahren zuvor bereits andeutende Trend zu Preissteigerungen hat sich im vergangenen Jahr nochmalig verschärft. Eintritts- wie Gastronomiepreise bewegen sich mittlerweile nahe am „Marktüblichen“. Trotzdem versucht der Verein der sozialen Komponente – sofern es der wirtschaftliche Rahmen zulässt – Geltung zu verschaffen. Innerhalb dieser Entwicklung hat sich allerdings auch – innerhalb einer gewissen Zwangsläufigkeit – eine Art „Kulturkonservatismus“ durchgesetzt: Neue, kleine oder experimentierfreudige Kulturansätze sind nur noch mühevoll und verlustreich in den Alltag integrierbar und bleiben – trotz hervorragender Ideen – oftmals außen vor.

Erfreulich ist, dass das Conne Island – nicht zuletzt aufgrund der großen Anzahl am Projekt angebundener politisch interessierter Einzelpersonen, Initiativen und Gruppen – sein bildungspolitisches Profil schärfen konnte. Eine implizite historisch-politische Bildungsarbeit mit Jugendlichen, die die Zeit des Nationalsozialismus und die Shoah und deren Maleranleitung, 17.9k Umgang heute thematisiert, spielt innerhalb des Charakters des Projektes zwar schon immer eine große Rolle, ist aber zunehmend auch nach außen institutionalisiert. Die aktuelle Situation in der Bundesrepublik zeigt, dass nach wie vor großer Handlungsbedarf gegen die weitere Verbreitung und Verfestigung von rassistischen und antisemitischen Einstellungen in der Bevölkerung besteht. Die am Conne Island angesiedelte und von der EU geförderte „Jugendbildungsinitiative“ verstand sich 2006 als ein Projekt, das Interesse an politischen Diskussion wecken und zur Herausbildung kritischer Persönlichkeiten beitragen sollte.

Das Conne Island beging im August diesen Jahres – nach überstandener Fußballweltmeisterschaft – zusammen mit vielen ehemaligen Beteiligten, ehrenamtlichen MitarbeiterInnen und seinem kulturellem wie politischen Umfeld sein 15-jähriges Bestehen. Neben einem Konzert mit der Hamburger Band Blumfeld, einer szenischen Lesung mit dem ehemaligen Grünen-Mitbegründer Thomas Ebermann und Bestseller-Autor Rocko Schamoni, verschiedenen kulturtheoretischen Diskussionsangeboten und einem großen Fußballturnier mit allen SympathisantInnen des Kulturzentrums erfreute sich das Conne Island an einem sehr gelungenen langen Wochenende. Ein Reader dokumentierte zusätzlich die immerhin 15-jährige Conne-Island-Historie, Entstehungsereignisse, Brüche und Perspektiven.

Auch wenn die Fußballweltmeisterschaft – neben vielen kontroversen Diskussionen zum neuen deutschen Selbstwertgefühl als „endlich normale Nation“ – eine Kulturflaute für fast den kompletten Sommer mit sich brachte, kann das Conne Island rückblickend auf eine umfangreiches, spezifisches und qualitativ hochwertiges Kulturprogramm zurückblicken.

Veranstaltungs-, BesucherInnen- und Projektspektrum

Als ein wichtiger Pfeiler der Conne Island-Identität diente jahrelang die Idee der kulturellen Intervention durch das Modell „Subkultur“. Die Intention, eigene Spielräume innerhalb der Kulturindustrie zu schaffen, in einer „gelebten Systemfeindschaft“ zwischen Sub- und Mainstream sich die Illusion nach Utopie und gelebter Gegenkultur zu bewahren, verkam in den letzten Jahren, für viele überraschend, weil an die eigenen Nieren gehend, zur oberflächlichen Phrase. Die ästhetische Differenz zum Massengeschmack und seiner Warenförmigkeit als etwas Politisches zu kennzeichnen, war angesichts der Tatsache, dass die selbst gelebte und zelebrierte Dissidenz immer mehr zum Stillen der individualisierten Bedürfnisse einer gleichgeschalteten hippen Popkultur beitrug, nicht mehr tragbar. Bis heute hat das Conne Island – weniger in der Theorie als in der praktischen Umsetzung von Kultur – mit dieser Konsequenz zu kämpfen.

Trotzdem, entgegen den Befürchtungen, das Conne Island könne dem Trend zur kulturellen Beliebigkeit und Verflachung inhaltlicher Positionen erliegen, wurde das kulturpolitische Profil im letzten Jahr wiederum geschärft. Eine Vielzahl inhaltlicher Diskussionen (z.B. zum kulturellen Antiamerikanismus) und die Fähigkeit, aktuelle gesellschaftliche Ereignisse kulturpolisch einzuordnen, haben viel zu dieser Profilschärfung beigetragen.
Auf dem kulturellen Feld sind die Spielräume deutlich enger geworden. So treten ökonomische Zwänge immer weiter in den Vordergrund und gewinnen gegenüber Innovation, Authentizität und „kultureller Avantgarde“ deutlich an Gewicht. Das Ziel für den Verein wird daher weiterhin sein, sich die Fähigkeit, kulturelle Maßstäbe gegenüber einem immer schnelllebigeren und beliebigeren Musikbusiness zu setzten, zu erhalten und zugleich (kultur)politische Prämissen zur Anwendung zu bringen. Dies wird auch zukünftig das Profil und die Integrationskraft des Ladens bestimmen.

Deren Wirkung und Ausstrahlungskraft ist nach wie vor ungebrochen. Die spezifischen Momente der Identifikation und Einbindung funktionieren seit Jahren und sind – das kann durchaus festgestellt werden – mittlerweile professionalisiert. Das Conne Island ist gleichzeitig Infrastruktur, Kristallisationspunkt und Austragungsort verschiedener jugend- und popkultureller Ansätze, organisiert das gleichberechtigte Nebeneinander der Szenen und wirkt bei Konflikten vermittelnd bei, ohne notwendige Differenzen und Abgrenzungsmechanismen glatt- und abzubügeln.
Am Puls der Zeit zeigte sich das Conne Island – nach einigen Jahren innovativer Zurückhaltung – in der Förderung neuer elektronischer Metropolenmusik: Zum einen etablierte sich die Techno/Minimal/Dancefloor-Reihe „Electric Island“ als Klassiker der nicht-mehr-ganz-jungen Clubculture-Generation und zieht zweimonatlich die Gäste in seinen Bann. Die nicht minder ambitionierte Reihe „This is Grime“ versucht den neuesten britischen Trend – eine hochexplosive Mischung aus Hip-Hop, Drum & Bass und UK-Garage/Rave – nach Leipzig zu exportieren. „Grime“ ist zur Zeit der Soundtrack der britischen marginalisierten Jugendlichen, verhandelt soziale und politische Themen und nimmt mittlerweile beinahe die Rolle ein, die Hip Hop in Amerika Anfang der 80er Jahre inne hatte.
Die Stars der amerikanischen Hip-Hop-Szene gaben sich 2006 die Klinke in die Hand: Neben Beat Street-„Darsteller“ Kurtis Blow beehrten „The Teacher“ KRS One, Guru of Gangstarr und die Dilated People ein vollkommen aus dem Häuschen geratenes Hip-Hop-Publikum.
Der Techno-Gott Carl Craig aus Detroit – Vater des modernen minimalistischen, urbanen Techno-Sounds – kam genauso ins Conne Island wie Drum & Bass-„Erfinder“ Goldie, der anlässlich des Fußball-Worldcups ein Special gab.
Ein Erfolgsmodell am Conne Island ist die Geschichte des Oi!-Punk. Angelehnt an die Skinheadtradition der 60er/70er Jahre in England und deren klassisches Workin' Class-Image ist das Conne Island mittlerweile der, auch international, angesagteste Veranstaltungsort in diesem Genre. Highlights 2006 waren die Konzerte mit den Bands Perkele, The Business und Loikämie. Gerade durch die Kooperation mit den Leipziger SkinheadvertreterInnen hat das Conne Island mittlerweile international Strukturen zur Etablierung einer antirassistischen Skinheadkultur aufgebaut und leistet dabei nicht nur eine quasi „Sozialarbeit jenseits klassischer sozialarbeiterischer Prämissen“, sondern trägt nachdrücklich zur positiven Entwicklung der Subkultur bei.

Orientiert an den jeweiligen Vorbildern, reicht das kulturelle Angebotsspektrum des Conne Island von Konzerten über Allnighter, Tanzveranstaltungen, Festivals, Jams, Diskotheken bis hin zu Theateraufführungen und Shows der verschiedenen Sparten. Die Subkultursparten im Conne Island beginnen bei Hip-Hoppern, antirassistischen Skinheads, Punks, Hardcorern, Gitarrenpoppern, Rock'n'Rollern und reichen von Fußballfans/Ultras, Alternativen, Techno- und Housefans über Skater und Reggaefans, Drum & Bassern bis zu den Freunden elektronischer Tanzmusik.
Die veranstaltungsspezifische „Erfolgsgeschichte“ des Conne Island lässt sich daher schwer als eine kontinuierliche erzählen. Sie reicht vom jährlichen Highlight der Skateboarder, dem „Little Sista Skatecup“, über die ganz Connewitz auf die Beine stellende Sommerparty „Sunshower“, dem Hip Hop-Highlight „Say What Jam“ bis zum tradierte Geschlechterrollen thematisierenden „Ladyfest“. Diese herausstechenden Ereignisse können jedoch kaum den klassischen Veranstaltungsalltag in seiner Wichtigkeit aufheben.

Es waren gerade 2006 eine Vielzahl von Diskussions-, Informations- und Bildungsveranstaltungen, die die jugendkulturelle Arbeit des Vereins um bildungspolitische Akzente erweitern konnten. Rainer Trampert und Thomas Ebermann ließen es sich nicht nehmen, den Fußball-Weltmeisterschaftstaumel bereits im Februar zu persiflieren. Konkret-Autor Gunnar Schubert lieferte Anfang März einen historischen Abriss über die Dichotomien der Opfer-Täter-Verschiebung in den Erzählungen über den NS in Dresden. Aber auch das seit dem 11. September 2001 zum Beststeller avisierte Thema – der Islamismus – spielte eine große Rolle im Veranstaltungsspektrum des Vereins: die Regisseurin Fathiyeh Naghibzadeh referierte zu Zwangsheiraten und Ehrenmorden in islamistischen Communities, Wahied Wahdat-Hagh, Mitarbeiter des Middle East Media Research Institute (MEMRI), thematisierte den politischen Islam im Iran und das Leipziger Bündnis gegen Antisemitismus zeigte vor dem Hintergrund der Ermordung des holländischen Filmemachers Theo van Gogh seinen Film Submission.
Die in den letzten Jahren wieder zunehmende kulturelle wie politische Dominanz von Nazis, rechten Parteien und nationalsozialistischen Ideologien prägte natürlich auch das Veranstaltungsspektrum des Conne Islands. Neben vielen Diskussionen, Veranstaltungen und Worksshops zu (kultur)politischen Strategien zum Thema veranstaltete das Conne Island u.a. eine Film-Dokumentation über die Ereignisse von Potzlow „Zur falschen Zeit am falschen Ort“.

Die offenen Angebote im Conne Island

Zur Gesamtkonzeption des Conne Island gehört neben den vielen florierenden jugend- und popkulturellen Aktivitäten ebenso ein „sozialer Rahmen“, ein offenes Angebotsprinzip, das mit kontinuierlichen niedrigschwelligen Angeboten Einstiegs- und Freizeitmöglichkeiten sowohl stadtteilbezogen, aber auch szenespezifisch anbietet.
Zu den passiven Angeboten, die vom Verein zur Verfügung gestellt werden, zählen Möglichkeiten für Sport, Freizeitgestaltung, Kommunikation und Weiterbildung; im Wesentlichen also die offenen Angebote der Jugendhilfe. Diese gelten insbesondere Jugendcliquen und Angehörigen der verschiedenen Szenen aus dem Viertel und dem gesamten Stadtgebiet Leipzigs.
Zu den niedrigschwelligen Angeboten des offenen Kinder- und Jugendtreffs zählen die sechs Tage in der Woche geöffneten Räume der Spielhölle mit Kicker und Billardplatte, der Infoladen, der Computerpool in der Lesebude, der Multimedia-Schnittplatz des Internetradios, das Café, der Kinderspielplatz sowie die sportlichen Anlagen (Volleyballplatz, Streetballanlage). Der Infoladen ist Standort einer thematisch weit gefächerten Bibliothek und eines umfangreichen Zeitschriftenangebotes. Einer – die Kapazität der Angebote übersteigenden – großen Nachfrage erfreut sich der in den vergangenen zwei Jahren etablierte Schnittplatz für Musik und die Produktion von Radiobeiträgen – u.a für das hauseigene „Radio Island“.
Die Bürgerstiftung Leipzig finanzierte dem Verein 2006 neben einer Bestuhlung für Workshops, Diskussions- und Bildungsangeboten neues Freizeit-Equipment.

Eine der wichtigsten Momente jugendlicher Außenwahrnehmung im Conne Island sind ohne Frage die berühmt-berüchtigten Conne Island-Skateramps, die sich in eine Freiluft- und eine Indoor-Variante aufteilen und dadurch zu fast jeder Jahreszeit befahrbar sind. Skateboarding und dessen Subsparten gilt heute immer noch als eine der angesagtesten Freizeit- und Sportaktivitäten bei Jugendlichen.
Für das Conne Island ist die Unterstützung der SkaterInnen-Szene seit jeher expliziter Bestandteil seiner Außenwahrnehmung und gehört quasi zum Gründungsmythos des Projektes dazu. Seit kurz nach der Wende entstand hier die größte und aktivste Skater-Community im Osten Deutschlands. Der Conne Island-Skatepark mit seinen jährlich stattfindenden, teilweise bundesweit besuchten Wettbewerben gilt mittlerweile als Klassiker unter den Jugendlichen. Nicht zuletzt deshalb erfuhr die aktuelle Generation der SkaterInnen (hier auch Inliner, BMXer und verschiedene Subformen des Skateboarding) einen enormen Zulauf. Insbesondere Kinder und Jugendliche im Alter von 16-23 Jahren stellen einen nicht unerheblichen Anteil dieser neuen Generation dar. Das Jugendamt der Stadt Leipzig hat dieser jugendkulturellen Entwicklung bereits Respekt gezollt und dringend notwendige Mittel für eine Perspektive der Aktivitäten bereitgestellt. Die beiden 2006 co-finanzierten Projekte „Flying Wheels“ und „Conne Island-Skatecamp“ waren ein voller Erfolg und insbesondere in der Ferienzeit vollkommen ausgebucht. Nicht zuletzt um dieser erhöhten Nachfrage gerecht zu werden, hat der Verein verschiedenste Projekte geplant, um das Attraktivitäts-Level weiterhin hoch zu halten. Große Unterstützung erfährt das Conne Island dabei durch die organisierten Skater selbst – in diesem Falle durch den Verein „Urban Souls e.V.“.

Darüber hinaus wurde ein Trainingsraum im Jahr 2006 weiter ausgebaut in dem Jugendliche selbstorganisierte und regelmäßige Kurse zur Selbstverteidigung durchführen. Auch hier werden seit kurzer Zeit ausdrücklich Kurse zur Selbstverteidigung von Mädchen und jungen Frauen angeboten.
Insbesondere junge Eltern aus dem engeren und weiteren Umfeld des Conne Island nutzen mit ihren Kindern wieder intensiv den auf dem Gelände vor 14 Jahren angelegten Kinderspielplatz. Die Ausnutzung könnte effizienter sein, wenn das Angebot an Spielmöglichkeiten auf einen aktuellen Stand gebracht werden würde. Ein Ziel, das mit den rar gesäten Mitteln des Vereins leider nicht kurzfristig zu realisieren ist.

Im vergangenen Jahr nutzten ca. 109.650 Personen die Angebote des Projekt Verein e.V., hinzu kommen eine Vielzahl vom Verein unabhängiger, regelmäßiger Treffen verschiedener Initiativen und Projekte aus Bereichen der Antifa-, Antira-, Sport- und Kulturarbeit. Kooperationen mit befreundeten Institutionen der Pop- wie Stadteilkultur fanden öfter denn je statt: u.a mit dem Fußballverein Roter Stern Leipzig, dem Skateverein „Urban Souls“, der tradierte Geschlechterrollen kritisierenden Gruppe „Propellas“, dem Leipziger Label Velocity Sounds oder den Computerfreaks von „Freifunk.Net“.
Wie bereits in den Jahren zuvor ist eine erhöhte Auslastung der offenen Angebote des Vereins insbesondere in den Sommermonaten und der Ferienzeit zu verzeichnen. Dabei spielt sicher die sich zuspitzende soziale Situation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine Rolle.
Der Verein hat darauf mit der Akquise von Fördermitteln für die unmittelbare kulturelle Arbeit – weniger für Nebenprojekte (z.B. Bildungsangebote) – reagiert und baut zugleich seine weiterhin sozialverträgliche Preisgestaltung auf das ungebrochen hohe ehrenamtliche Engagement. Des weiteren wurde eine Erweiterung des kulturellen Spektrums und die damit verbundenen Identifikations- und Integrationsmöglichkeiten auf dem jährlichen Arbeitswochenende des Vereins ausführlich diskutiert.

Zur Grundkonzeption des Conne Island und inhaltlichen Angleichungen

Seit seiner Gründung 1991 baut der Charakter und die Selbstverortung des Soziokulturellen Zentrums Conne Island auf der Schnittstellenfunktion von sozialen, kulturellen und jugendarbeiterischen Prämissen auf. Insbesondere das Vermögen, sowohl jugend- und popkulturelle wie jugendarbeiterische Elemente integrativ zu vereinen, macht die Vereinsarbeit in gewisser Weise einzigartig. Gerade auf dem Feld der Integration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und deren Herausbildung als kritische, verantwortungsvolle und selbständig denkende- und handelnde Persönlichkeiten liegt der Wert des übergreifenden Angebots des Conne Islands. Das hohe Engagement seiner ehrenamtlichen Mitglieder (zur Zeit 145) hat großen Anteil an diesem Ergebnis. Über die beschriebenen Identifikations- und Integrationsmomente definiert sich der Verein auch explizit politisch: Intervention gegen rassistische, nazistische und antisemitische Darstellungen in Jugendkulturen tritt das Conne Island stets vehement entgegen.
Nach wie vor ist das Conne Island eines der wenigen Projekte in Leipzig, das es vermag verschiedene Jugend-, Pop- und Subkulturen zu integrieren, einen Identifikationsmoment zu schaffen und selbstbestimmtes und innovatives Denken und Handeln zu fördern. Das ist die langjährige und erfolgreiche Basis des Vereins. Zusammen mit den ProtagonistInnen der jeweiligen Jugendszenen, Pop- und Subkulturen und mit größtmöglicher gestalterischer Freiheit werden Ideen spezifisch umgesetzt.
Ebenso ist es vorrangiges Anliegen des Conne Island, überregional relevante und international bekannte urbane Metropolenkultur zu veranstalten und zu fördern. Das Conne Island lebt in dieser Beziehung seit Jahren vor, was im zur Zeit in der Diskussion befindlichen Kulturentwicklungsplans der Stadt Leipzig als die Förderung urbaner Jugendkulturen bezeichnet und als „profilbildend“ für die Kommune explizit festgeschrieben wird.

Der Terminus „moderne Vereinsarbeit“ bedeutet im Zuge der Gesamtkonzeption des Vereins das Erreichen einer höchstmöglichen Chancengleichheit und eines Mitbestimmungsansatzes, der die Grenzen zwischen ehren- und hauptamtlicher Arbeit möglichst niedrig erscheinen lässt bzw. die mit Positionen und Aufgabenbereichen verbundenen Wissens- und Handlungsvorteile in Entscheidungsfindungsprozessen „aussetzt“.
Der Vorteil dieses Prinzips der Vereinsstruktur – das beileibe nicht einfach ist und in seinen teilweise langwierigen Prozessen oftmals komplizierte Diskussionen mit sich bringt – liegt allerdings auf der Hand: Die Identifikation aller MitarbeiterInnen mit dem Projekt ist enorm.
Projekte, Veranstaltungen und Events im und am Conne Island werden nicht deshalb gut, weil sie vielleicht eine gute Projektleitung haben, sondern weil sie authentisch sind und unter besonders aktiver Mitwirkung der jeweiligen ProtagonistInnen stattfinden. Nicht zuletzt für Jugendliche, Jugend-, Pop- und Subkulturen ist eben dieser Grund – das Image, der authentische Moment bzw. der basiskulturelle Ansatz – oftmals der entscheidende für eine Beteiligung.
Mit Sorge betrachtet der Verein allerdings die Auswirkungen, die das Zurückfahren sozialer Modelle der Lebens- und Bildungsabsicherung betreffen. Die „prekären Verhältnisse“ gehen auch am Conne Island nicht spurlos vorbei. So haben die Schwierigkeiten bei der Selbstfinanzierung des Studiums und die flächendeckende Einführung von Hartz IV maßgeblich Auswirkungen auf die Möglichkeiten, sich als Jugendlicher zusätzlich ehrenamtlich zu engagieren. Die Bewältigung des Arbeitsalltags des Vereins wird dadurch leider nicht einfacher. Der bereits 2004 anvisierte und teilweise vollzogene Generationswechsel im Conne Island, steckt nicht zuletzt deshalb und aufgrund des mittlerweile viel höheren gesellschaftlichen Drucks und kleiner werdender Spielräume für junge Menschen in einer Sackgasse.

In den kulturpolitischen Diskussionen 2006 spielte – wie in den Jahren zuvor – das Verhältnis von Nationalismus und Popkultur eine besondere Rolle. Insbesondere im Zuge der Fußballweltmeisterschaft, in der sich ein freundlicher, bunter und scheinbar bescheidener Nationalismus über einen eher popkulturellen denn sportlichen Ansatz manifestierte, der nicht zuletzt in seiner Dimension auch die Vereinsmitgliedern überraschte – ja, regelrecht überrollte – war Anlass für heftige Diskussionen. Galt bisher das Conne Island als ein Ort, in dem die popkulturell modernisierte Heimatidentifikation aufs schärfste kritisiert wurde, so blieb im Sommer eine notwendig umfangreiche Kritik leider aus. Inwiefern diese „Unterlassungsleistung“ an der politischen Nonkonformität des Projektes nagt, wird die Zukunft zeigen.
Umso deutlicher wiederum engagierte sich das Conne Island für kosmopolitische Ansätze innerhalb der von ihm präsentierten musikalischen Sub- und Popkulturen. Hier wendet sich der Verein – u.a. mit der Kampagne I Can't Relax in Deutschland – gegen einen modernisierten Nationalismus.
Zumindest an diesem Punkt hält das Conne Island am Abgrenzungsmechanismus des Popkulturbegriffs fest. Ansonsten verlaufen Diskussionen – insbesondere über das ästhetische Potential und die Kritikmöglichkeiten via Pop – zunehmender desillusioniert. Zu schnell landet man beim Versuch, das kritische und unabhängige Potential von Popkultur auszuloten auf der Seite von Distinktionsgewinnlern. Nicht zuletzt deshalb beteiligte sich das Conne Island 2006 nicht an der Independent-Messe „PopUp“, wenngleich man zu den MacherInnen ein gutes Verhältnis pflegt. Die Reanimierung des eingemotteten Independent-Mythos und die Darstellung einer scheinbar unabhängigen Musikszene, ohne die kulturpolitischen Diskussion der letzten zehn Jahre fruchtbar einzubinden, empfindet der Verein als einen unglücklichen Weg.

Personalsituation und Förderung

Im Haushaltsjahr 2006 wurde erneut ein Eigenanteil gegenüber der kommunalen Förderung von mehr als 80 % erwirtschaftet. Dennoch war die kommunale Förderung ein wichtiges finanzielles Standbein für den Verein, denn Akquise und Eigenerwirtschaftung waren nur auf Basis von Anteilsfinanzierung in die personelle und bauliche Struktur des Conne Island möglich.
Neben der Sockelfinanzierung des Kulturamtes förderte das Jugendamt der Stadt Leipzig zwei überaus erfolgreiche Projekte – das Skatecamp im Conne Island sowie den Workshop „Flying Wheels“. Letzterer richtete sich insbesondere an Mädchen und jungen Frauen, die Lust auf Skateboarding haben. Das Projekt „Flying Wheels“ hatte sich zum Ziel gemacht, der männerdominierten Skateszene zumindest symbolisch etwas entgegenzusetzen. Die explizite und frühe Förderung von jungen Frauen und Mädchen im Bereich der Männerdomäne und Jugendkultur der „Skater“ sollte dem Projekt auf die Fahnen geschrieben werden.
Durch die Europäische Union und die Fördermittel des „Jugend für Europa“-Fördertopfes konnten zum einen die „Jugenbildungsinitiative“, zum anderen das Osteuropa-Drum&Bass-Netzwerk „Get Connected“ cofinanziert werden. Beide Projekte verliefen sehr vielversprechend und sollen fortgesetzt werden, denn sie stellen in erster Linie eine Eigeninitiative von Jugendlichen für Jugendliche außerhalb des relativ starren schulischen Rahmens dar. Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Jugendlichen einen selbstbestimmten und entsprechend eigener Schwerpunkte orientierten Zugang zu kulturell, politisch und sozial relevanten Themen zu vermitteln. Dadurch Maleranleitung, 15.6k können Vorurteilen und Ressentiments entgegengewirkt werden. Ziel der Projekte war u.a., gesellschaftliche Vorgänge transparenter für Jugendliche zu gestalten, um damit gleichzeitig auch eine Grundlage für politische Mitbestimmung zu schaffen.
Das Programm „5000 x Zukunft“ der „Aktion Mensch“ unterstützte die Arbeit des Vereins gleich zweimal: Das Projekt „Mit dem Computer in die Zukunft“ stellte Computerwissen in Kursen für Jugendliche des Stadtteils zur Verfügung. Bei den Projektworkshops von „Bildung statt Tourismus – Jugendbildung im Südraum Leipzigs“ ging es u.a. darum, die jugendkulturelle und bildungspolitische Ebbe und den Einfluss neonazistischer Ideologien im Kulturbereich in den ehemaligen Tagebaugebieten zu thematisieren und gleichzeitig Alternativen zur kulturellen Stabilisierung von Kindern und Jugendlichen in der Region aufzuzeigen.
Der Stura der Universität Leipzig sowie die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützen punktuell Lesungen und Diskussionsveranstaltungen.
Mit der Hilfe der Bürgerstiftung Leipzig konnte die Infrastruktur – eine einheitliche Bestuhlung – für Diskussionsveranstaltungen gestärkt werden.

Wie in den Jahren zuvor wurde der von der Stadt Leipzig gewährte Personalkostenzuschuss für zwei Stellen auf mehrere Angestellte (drei ganze und zwei halbe Stellen) verteilt. Darüber hinaus werden drei Vollstellen, eine halbe Stelle, eine Anstellung als geringfügige Beschäftigte und ein Freiberufler über den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins selbst finanziert. Zusätzlich existiert am Conne Island eine Zivildienststelle.
Zum Ende des Jahres gab der langjährige und konflikterprobte Geschäftsführer Christian Schneider turnusmäßig sein Amt weiter, wird aber auch in Zukunft dem Verein nicht verloren gehen und große Teile seiner Kraft und Energie der Kulturarbeit am Conne Island widmen.

Baulicher Zustand

Die bauliche Situation hat sich 2006 leider zugespitzt. Notwendige Investitionen in die Immobilie konnten aufgrund des angespannten Finanzetats der Stadt leider nicht realisiert werden. Ein bereits zum wiederholten Male in den Haushalt der Stadt eingereichter Finanzantrag zur Sicherung der Bausubstanz wurde negativ beschieden.

Das Conne Island gliedert sich in den Veranstaltungssaal und das Vorderhaus. Vor allem letzteres befindet sich in einem unverändert kritischen baulichen Zustand. Es ist – wie in den letzten Jahren auch – der aufopferungsvollen ehrenamtlichen Tätigkeit und Improvisationsgabe der Vereinsmitglieder zu verdanken, dass die Arbeit des Vereins im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten so erfolgreich verlief.
Umso mehr ist zu konstatieren, dass Havarien stetig zunehmen. Die Behebung ist auf Dauer weitaus kostspieliger als ein beherztes Eingreifen hinsichtlich umfangreicher Sanierungsarbeiten.
Mit Hilfe von Geldern des EU-Programms „Jugend für Europa“ konnte innerhalb des Projektes „Jugendbildungsinitiative“ zusammen mit Jugendlichen zumindest der am stärksten renovierungsbedürftige Seminar-Raum des Infoladens überholt werden.
Der berühmte Tropfen auf den heißen Stein ist an dieser Stelle bereits oft bemüht worden...

Um also die langfristige, kontinuierliche Arbeit abzusichern sowie bestehende Bauauflagen auch zukünftig zu erfüllen, ist es nach Ansicht des Vereins notwendig folgende, bereits in den letzten Jahren formulierte, Arbeiten durchzuführen:
  • Trockenlegung des Vorderhauses und des Saalgebäudes, um eine regelmäßige Komplettsanierung des Parterre zu verhindern bzw. die Bausubstanz zu sichern.
  • Grundlegende Sanierung des Zufahrtsweges und des Parkplatzes, denn dieser weist trotz Ausbesserungsarbeiten tiefe Löcher auf. Die Zufahrt ist gekennzeichnet durch bedrohliche Unebenheiten, so dass Zulieferer, Entsorgungsfahrzeuge und Nightliner-Busse Gefahr laufen anzuecken. Ebenso mehren sich die Beschwerden der Zuschauer, die ernsthafte Schäden an ihren Fahrzeugen befürchten.
  • Die Dämmung des Vorderhauses würde die Energiekosten deutlich senken. Das Parkett im Saalgebäude, einst als Tanzparkett gedacht, gleicht nach jahrelangem Konzertbetrieb einem Flickenteppich, ausgebrochene Dielen sind notdürftig durch Holzbretter ersetzt.
  • Eine grundsätzliche Überholung eines Großteils der Fußböden im Vorderhaus und insbesondere im Café ist für den Sommer 2007 geplant.
  • Dingend notwendig ist darüber hinaus die grundlegende Überholung der sanitären Anlagen im Vorderhaus und im Veranstaltungssaal – das Conne Island besitzt immer noch keine behindertengerechten Toiletten, die Sanitäranlagen für KünstlerInnen befinden sich in schlechtem Zustand –, sowie die Überholung des Treppenhauses.
Kontakt zu den Ämtern der Stadt Leipzig

Das Verhältnis zum Kulturamt schätzt der Verein als vertrauensvoll und produktiv ein.
Das Conne Island geht aufgrund seiner spezifischen jugendkulturellen Arbeit und seiner konkreten Position als Vermittler zwischen jugend- und subkulturellen Szenen in der Stadt Leipzig und insbesondere im Leipziger Süden davon aus, dass die Ende 2007 auslaufenden Rahmenverträge verlängert werden.
Ebenso konnte das gute Verhältnis zum Jugendamt fortgesetzt werden, welches sich in der Gewährung von Fördermitteln für 2006 wiederspiegelt.
Der Projekt Verein engagiert sich in der AG Soziokultur und der AG Freie Träger der Jugendhilfe und schätzt diese Arbeit – insbesondere hinsichtlich der Zuarbeit, Kommunikation und Diskussion gegenüber der Stadt – als gut ein.
Ordnungspolitische Konflikte mit der Stadt konnten 2006 zwar mit Unterstützung des Kulturamtes beruhigt, allerdings nicht mit einem zufriedenstellenden Ergebnis für den Verein beendet werden. Nach wie vor besteht zwischen Verein und Ordnungsamt ein Dissens zum Verhältnis der öffentlichen und unkommerziellen Werbungsmöglichkeiten für die Freie Kulturszene und der möglichen Beeinträchtigung des Stadtbildes im Leipziger Süden.

Projekt Verein e.V.


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last modified: 10.7.2007