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Wie schon im letzten Jahr veröffentlichen wir den Jahresbericht des Projekt Verein e.V., dem Trägerverein des Conne Island. Wir wollen so inhaltliche Diskussionen transparent machen.
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Projekt Verein e.V.
Conne Island

Jahresbericht 1997

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Veranstaltungsspektrum/konzeptionelle Ausrichtung

Nach wie vor erweist es sich für den Projekt Verein e.V. als richtig und existentiell, an der Schnittstelle von kulturellen, jugendarbeiterischen und sozialen Schwerpunkten zu agieren. Daß dabei die kulturelle Ausrichtung, inzwischen traditionell, das besondere Bindeglied darstellt, liegt nicht zuletzt in der Bedeutung für fast alle jugendkulturellen Subkulturen begründet.
Wie im Vorjahr hat der Verein dabei besonderes Augenmerk darauf gelegt, die Entwicklungen in den einzelnen Szenen zu befördern und zu repräsentieren. Das wiederum ist nach wie vor nur möglich, weil der Verein durch seine integrierende, kooperative Arbeitsweise und durch seine jeweiligen Angebote jenen Rückhalt und notwendige Akzeptanz erfährt, ohne die sich die Vereinsziele nicht nur verschöben, sondern auch in weite Ferne gerückt sähen. Sicherlich hätte es sich der Verein noch vor Jahren nicht erträumen lassen, daß die Regelmäßigkeit von Veranstaltungen tatsächlich zu Großteilen von einem personellen Kern getragen wird, der das Herzstück einer durchaus als Kulturbetrieb zu bezeichnenden Struktur darstellt. Trotzdem weiß der Verein um die zwingende Notwendigkeit, nichts ohne die jeweiligen Szeneaktivisten oder Subszenenvertreter über die Bühne gehen zu lassen. Demzufolge liegt das Hauptaugenmerk nach wie vor auf dem, was – zwar ein wenig verschleiernd und konstruiert, aber dennoch am treffendsten – authentisch genannt wird.
Ursprünglich angetreten mit der Zielsetzung, ein kontinuierlich stattfindendes Stück Gegenkultur innerhalb der Region präsent zu halten, zu legitimieren und – nicht zuletzt – tagtäglich zu leben, mußte sich der Verein mit der Tatsache abfinden, daß – bei aller Innovationsfreude und -bereitschaft – diese Grundintention in der den Marktgesetzen unterlegenen Praxis nur mit einschneidenden Kompromißen haltbar ist. Diese Zugeständnisse beruhen letztendlich auf einer erzwungenen Freiwilligkeit, die damit zu tun hat, daß Kultur, die nicht stagnieren soll, nur auf dem weiten Feld des Pop möglich ist, und damit im besonderen einer unabdingbaren Vermarktung unterliegt. Denn, die volleyballcup, 19.2k Pop-ularisierung kultureller Entwicklungen funktioniert nur darüber, daß alles zur Ware und als ein Produkt anbietbar wird. Innerhalb dieses Mechanismus kommt einem Veranstaltungsort wie dem Conne Island nicht mehr und nicht weniger die Bedeutung zu, Rad im Getriebe zu sein. Die Werte, für die der Projekt Verein insbesondere steht, und auf dessen Vermittelbarkeit großes Augenmerk gelegt wird, erweisen sich dabei in der Endkonsequenz als Sand im Getriebe. Eigeninitiative, Rebellisch-Sein, Politisierung, Selbtsorganisierung, Aufzeigen von Konsum-Grenzen oder die Ausprägung gegenkulturellen Verständnisses sind ideelle Intentionen, die der Verein nur ein Stück weit einbringen kann, weil dies ansonsten die Herauskatapultierung aus bestehenden kulturellen Strukturen bedeuten würde, zu denen es nach Auffassung des Vereins keine Alternative gibt.
Daß mit dem Engagement des Projekt Verein ein gutes Stück westlicher Metropolenkultur in Leipzig und in der Region verankert wurde, ist dem Verein vollends bewußt. Die Stadt partizipiert also in erheblichem Maße von den Angeboten des Projekt Verein, ohne daß dies vom Verein selbst explizit an die große Glocke gehangen wird. Letzteres hat ausschließlich damit zu tun, daß der Verein nicht den Anspruch erhebt, etwa für Leipzig Kultur zu machen, sondern in allerster Linie für die Szenen, die sich eben nicht über das Lokale definieren. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips ergibt sich aber aus dem Profitieren der Stadt die Legitimation öffentlicher Förderung, zumal bekanntlich Kultur nicht unmittelbar zur Pflichtaufgabe einer Kommune gehört.
Die nach wie vor äußerst wichtige soziale Maßgabe bei der praktizierten Preispolitik beruht auf zwei wesentlichen Grundpfeilern. Zum einen ist da das beispiellos hohe ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder zu nennen, ohne das der Verein seinen strukturellen Charakter absolut verlieren würde, weil es auf dem Prinzip der Gleichberechtigung und des Einbeziehens in fast alle Entscheidungen beruht – auch wenn bestimmte Hierarchisierungen bei der Meinungsbildung immer wieder Anlaß zu berechtigter Kritik geben. Zum anderen natürlich die öffentliche Förderung, die es ermöglicht, die Zugänglichkeit für Angebote in einem angemessenen Rahmen zu halten und bei weiterer Einschränkung selbiger fundamentale Einbrüche bei der Umsetzung der Vereinsaufgaben zur Folge hätte.
Die Anzahl der Gesamtbesucher des Conne Island im Jahre 1997 sank gegenüber dem Vorjahr um 19.316 auf 99.104. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Einer der wesentlichsten liegt in der tendenziellen Hinwendung zu mehr qualifiizierten Publikum, ohne jedoch einen elitären Anspruch wie im Kunst- oder Jazzbereich zu erheben. Das meint insbesondere, daß das Hauptaugenmerk denen gehört, die die jeweilige Szene oder Subkultur verkörpern. Demzufolge versucht der Verein die Bewerbung für seine Veranstaltungen und Angebote so zu streuen, daß in erster Linie jene davon Kenntnis erhalten, denen nach unserem Verständnis die Veranstaltung „gehören“ soll. Daraus folgt gleichzeitig der Schluß, sich gegenüber bestimmten „falschen“ Medien verschließen zu müssen.
Darüberhinaus, und das ist so widersprüchlich wie es hier klingt, fanden in ‘97 bewußt weniger Veranstaltungen statt als im Jahr 1996. Das heißt, die Risiko- und Innovations-freudigkeit stieß 1997 in stärkerem Maße an ihre materiellen Grenzen, weil die Priorität stärker als in den Vorjahren auf der Sicherheit lag, daß auch wirklich genügend Besucher zu den einzelnen Veranstaltungen kommen. Das wiederum bedeutet aber, und da liegt der Widerspruch, das einzelne Künstler über den jeweiligen Szenerahmen hinaus genügend Popularität besitzen; sich somit also selbstredend außerdem Publikum einfindet, das als nicht szentypisch zu betrachten ist.
Trotz dieser auf mehr kalkulative Sicherheit bedachten Programmplanung kam es zu mehreren finanziellen Veranstaltungs-Einbrüchen, die zum Teil aus einer falschen Einschätzung der Popularität und der damit im Zusammenhang stehenden Unkosten beruhte. Darüberhinaus gab es Höhen und Tiefen bei der Neu-Etablierung der aus England stammenden Drum&Bass-Musik (D&B) und sogenannter Neuer Elektronischer Musik im Umfeld von D&B als zusätzlichem Programmpunkt. Außerdem ergab sich aus der Eröffnung der Kneipe im Werk II ein Besucherschwund für unsere kickercup, 7.7k Begegnungsstätte, da die Betreiber der dortigen Kneipe ungefähr dasselbe Klientel ansprachen wie das Conne Island.
Das Veranstaltungsspektrum umfaßte weiterhin neben den „üblichen“ jugendkulturellen Pop-Sparten eine sogenannte Social Beat-Messe, parallel zur Leipziger Buchmesse, die für reichlich Diskussionsstoff innerhalb und außerhalb des Conne Island sorgte, weil ihr künstlerischer Gehalt als äußerst umstritten galt. Darüberhinaus gab es nach langer Zeit wieder einen ausschließlich von der Szene selbst organisierten traditionellen Hip Hop Jam mit der gleichgewichteten Repräsentanz von Graffiti, Breakdance und Musik, mit dem seit langer Zeit wieder einmal der ansonsten so typisch gewordene „normale“ Hip Hop-Konzertrahmen überschritten werden konnte.
Unregelmäßig fanden mehrere Diskussions- und Informationsveranstaltungen sowie Buchvorstellungen durch Autoren statt. Eine im Jahr 1996 begonnene Kooperation mit einer Theatergruppe verlief ‘97 im Sande. Es hat sich darüberhinaus bestätigt, daß das Conne Island nur sehr bedingt als Theaterstätte taugt, da das potentielle Publikum nicht unmittelbar zur Zielgruppe gehört.
Im besonderen Maße in der Kritik standen 1997 die durchgeführten OI!-Skinhead-Konzerte. Die Verteidigung und Rechfertigung dieser Konzerte durch den Verein führte innerhalb der Connewitzer Alternativ-Szene zu einer Polarisierung. Insbesondere die Unterstellung, wir hofierten mit diesen Konzerten Rassisten, Nazis und Männlichkeitskult, schlug ziemlich hohe Wellen. Nichtsdestotrotz legte der Verein öffentlich dar, welche Beweggründe für ihn diese Konzerte legitimieren. Jene sind in erster Linie kulturelle, antirassistische und antifaschistische Ambitionen, da der Verein damit erfolgreich die Möglichkeit sieht, die antirassistische und nicht-rassistische Skinheadströmung – als eigentlicher Ursprung dieser Szene – aktiv zu unterstützen, um den Einfluß der Nazis und Rassisten zurückdrängen zu können. Allgemein läßt sich feststellen, daß der Verein die Institution Conne Island mit der immer stärkeren Zunahme faschistischer Subkultur und nazistischer Tendenzen als wesentlichen Bestandteil einer effektiven Zurückdrängung faschistischer und rassistischer Bestrebungen gerade unter Jugendlichen begreift. Der daraus resultierenden Verantwortung will sich der Verein auch zukünftig stellen.
Leider findet das Conne Island im aktuellen Jugendhilfeplan keine Erwähnung. Damit hat der Verein durch fehlende Präsenz gegenüber dem Jugendamt der Stadt Leipzig mit zu wenig Nachdruck die Anerkennung der geleisteten Jugendarbeit eingefordert. Die geplante Einrichtung eines Kinder- und Jugendcafés wurde durch fehlende Personal-Finanzierung nicht möglich. Dennoch war der Verein bestrebt, auf dem Gebiet der Jugendarbeit mehr zu leisten. Das äußerte sich beispielsweise in der Tatsache, daß eine Schülerinitiative, die dem Rechtsruck unter den Schülern etwas entgegensetzen möchte, nicht nur Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, sondern auch tatkräftig unterstützt wurde. Inzwischen ist es so, natürlich in erster Linie durch die Schüler selbst, daß ein regelrechtes Netzwerk entstanden ist, dem sich Schüler aus vielen Leipziger Schulen angeschlossen haben. Darüberhinaus gelang es dem Verein, eine größere Gruppe jüngerer Leute, die sich insbesondere zur Hardcore-Musik-Szene zugehörig fühlen, in das Conne Island so einzubinden, daß sie jenes genau wie andere Vereinsmitglieder und Nutzer nicht nur als „ihren“, sondern als „unseren Laden“ begreifen.
Die Ausrichtung mehrerer Sportevents wie Skatercontests, Volleyball-, Tischtennis- oder Kickerturniere erfreuten sich ungebrochener Beliebtheit. Die ständig bestehenden Angebote wie Streetball, Skatepark, Volleyball, Tischtennis, Billard oder Kicker fanden zwar weniger Anklang als im Vorjahr, geben aber hinsichtlich ihrer Nutzung keinen Anlaß zur Sorge.
Auch die Lesebude und der Infoladen behielten ihre Anziehungskraft für Nutzer, auch wenn es weniger zu verzeichnen gab als im Vorjahr.
Erfreulich ist die gestiegene Auslastung der existierenden Proberäume. 1997 konnte so einigen neuen Bandprojekten geholfen werden.
Das bestehende Tonstudio findet ebenfalls regelmäßig seine Nutzer.
Insbesondere 1997 wurde deutlich, wie wichtig die Transparenz getroffener Entscheidungen und die inhaltliche Gewichtung der Angebote ist. Mit dem monatlich erscheinenden Heft CEE IEH wird diese Transparenz hergestellt. Der Verein empfindet es als substantiell entscheidend, daß eine öffentliche Auseinandersetzung über und mit dem Conne Island stattfindet, da er dies als äußerst befruchtend betrachtet und darüberhinaus so gewissen Fehlentwicklungen oder diesbezüglicher Ignoranz vorgebeugt werden kann. Letztendlich sind dies auch die entscheidenden Bedingungen, um ein Identifikationsmoment mit der Gesamteinrichtung Conne Island zu ermöglichen.

Personalsituation

Die Viertelung der vom Kulturamt gewährten Personalkosten und die Bezahlung zweier Stellen aus Eigenmitteln sind nach wie vor die einzigen Festanstellungen. Darüberhinaus existiert eine Zivildienststelle.
Entscheidend ist und bleibt für den Charakter des Conne Island das ungmein hohe ehrenamtliche Engagment der Vereinsmitglieder.

Projektmittel/Förderung

Nach wie vor erbringt der Projekt Verein einen unvergleichlich hohen Eigenanteil.
Darüberhinaus wurde der Verein 1997 erstmalig institutionell durch das Kulturamt gefördert. Nur schwerlich kann sich der Verein damit abfinden, daß ihm de facto aus der institutionellen Förderung keine inhaltliche Bezuschußung zukommt.
1997 hat der Verein Projektmittel beim Jugendamt beantragt. Dieser Antrag ist negativ beschieden worden.
Außerdem beantragte der Verein beim Regierungspräsidium Fördermittel aus dem Strukturförderprogramm. Diese wurden ebenfalls nicht bewilligt. Daraufhin organisierte der Verein eine Protestaktion vor dem Regierungspräsidium, in deren Folge ein Gespräch mit Vertretern des Regierungspräsidiums stattfand. Dort wurde dem Verein mitgeteilt, daß er faktisch keinen Anspruch auf Mittel aus dem Strukturförderprogramm hätte, weil er diese nicht gleich mit Beginn des Programmes vor zwei Jahren geltend gemacht hat.
Aus dieser Negativ-Bescheidung und den im Jahresbericht ausgeführten programmatischen Gründen erwirtschaftete der Verein im Jahre 1997 ein Defizit.

Hauszustand

Im Jahre 1997 wurde die endgültige gewerbliche Konzession für den Verein erteilt, da die letzten längerfristigen Auflagen seitens des Gewerbeamtes erfüllt wurden.
Das größte Manko besteht nun in der seit langem geplanten Sanierung des Vorderhauses. Auch 1997 passierte diesbezüglich nichts. Der Verein erwartet nun, daß der für ’98 fest geplante Heizungseinbau im Vorderhaus den Beginn für die fortlaufenden Sanierungsarbeiten darstellt.

Kooperationen

Neben den guten Kontakten zu Künstleragenturen und anderen Einrichtungen außerhalb Leipzigs ergab sich 1997 eine intensivierte Kooperation mit dem Frauenkulturzentrum.
Innerhalb der Connewitzer Szene kam es zu Spannungen, die sich zu verstärkten Vorurteilen auswuchsen (siehe dazu den Teil Veranstaltungsspektrum/konzeptionelle Schwerpunkte). Trotzdem ist das Conne Island nach wie vor entscheidender Stabilisator für die Szene.
In der Regionalgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft soziokultureller Zentren arbeitet der Verein entsprechend seinen Möglichkeiten aktiv mit.

Ämterproblematik

Der Verein erfreut sich gerade mit Abschluß eines neuen Vertrages ab 1997 ungeminderter Akzeptanz durch das Kulturamt. Ebenso würdigt der Verein diese Kooperationsbasis.
Trotz der Nichterwähnung im Jugenhilfeplan konnte der Verein seine Akzeptanz im Jugendamt erhöhen. Diesbezüglich gab es mehrere Gespräche mit Jugendamtsmitarbeitern. Diese Gespräche machten dann auch eine erfolgreiche Mittelbeantragung in ’98 möglich.
Auf Landesebene, sukzessive dem Regierungspräsidium, gab es leider keinerlei Akzeptanzsteigerungen. Für 1999 hat der Verein jedoch schon Bestrebungen angestellt, im Bereich Soziokultur eine Förderung zu erfahren.


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last modified: 28.3.2007