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Produktive Mißverständnisse?

Mit „tracking“ zeigt das Frankfurter Urgestein Tricky Cris wie der Hase in Sachen Dub-Symbiose zu laufen hat. Ob damit das Reggae-Ding wieder festen Boden unter die Füße bekommt, erübrigt sich aufgrund der scheinbar non-ambivalenten Bestandsaufnahme der Rasta-Gemeinde zu einer rein rhetorischen Frage ohne Aussicht auf Besserung. Doch Fragen ist bekanntlich noch erlaubt:
Was geht also, und vor allem wohin?
 
 
 
 
Und trotzdem. Wenn man das Lebensmotto von Reggae, frei nach Capelton „We are on a mission, not on a competition“ wohlweißlich undifferenziert zusammenfaßt, bleibt der Schluß nicht aus, daß außer der uneingeschränkten Huldigung zum Offbeat, neben dem Kultkoma um Bob Marley, nicht viel übrig bleibt von der „Lebensaufgabe“. Zumindest dann, wenn die Konflikte, die sich in der Diskussion um „schwarze“ Musik im Großen und Reggae im Kleinen auftun, ausschließlich so beackert werden, daß letztlich alles glattgebügelt ist und paßt. Die Widersprüche des säkularisierten Reggae, deren Verkörperung sich zugleich sozialkritisch, antiautoritär, religiös und nationalistisch wiederspiegelt, müssen somit in die hiesige politische Auseinandersetzung hineingehören und nach Möglichkeit innerhalb gängiger Diskurse um Multikulturalismus, Ethnizität und Sexismus aufgezeigt und aufgelöst werden. Sonst wird nichts. Was statt dessen bliebe, „wäre das Versprechen auf Teilhabe am Konsum aller, die nach Glück streben“. Ein fürwahr trostloser Universalcode, im Zeichen der vielzitierten Beliebigkeit.
Riddim wize tour
feat.

DJs:
Tricky Cris (Serious Dropout),
Reverend & General Motors

MCs:
Jah Meek,
Markie J.,
Marlon B.

Special guest:
Ras Gonda
Ob der Ruf nach „War inna Babylon“, einer Rhetorik, die gerne in einem antikapitalistischen und antiimperialistischen Sinn interpretiert wird, dabei die ultima ratio darstellt, wage ich zu bezweifeln. Als Symbol moderner Dub Soundsystems reicht dies sicherlich allemal, doch zum einen beziehen sich mittlerweile eine Menge Künstler positiv auf die gegebenen Verhältnisse, zum anderen verhält sich die Sache mit den kapitalistischen Akkumulations- und Regulationsmodellen heute um einiges komplizierter als im Babylon-Kontext auf eine knappe Formel gebracht. Reggae existiert eben im Diesseits, insofern ist an die Stelle des religiösen Mythos der Mythos des Alltags getreten. Dem einstigen Kampfes gegen Babylon steht somit der Fakt der gewollten Teilhabe gegenüber.

 
Ein Unterschied?, 22.1k


Der Unterschied zwischen Ansporn und Auseinandersetzung:
„Sexismus im Reggae (...) beruht auf Gegenseitigkeit der Geschlechter (...)“
Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, das europäische Dub Sounds, insbesondere die von der Insel, in ihrer Rezeption von Reggae ein vergleichsweise fortschrittliches und moderenes Verständnisparadigma entwickelten und bis heute in dem Bemühen stehen, dies fortzusetzen. Auch der Frankfurter DJ und Produzent Tricky Cris, bekannt aus Serious Dropout-Tagen, sieht sich in der Tradition dieser Entwicklung. Soundscapes, die auch mal bis 2 Step gehen und auch ansonsten ein multilaterales Abkommen mit den Styles dieser Welt abgeschlossen haben. Dub, wie es sich gehört, in einem neuen Sinnzusammenhang erscheinen lassen – das klingt pathetisch, ist aber so – und auch genauso gemeint. Insofern steht Tricky Cris wie kein anderer seit den famous Di Iries für bodenständigen urbanen Dubreggae, der Punk, Roots, Dancehall, Hip Hop und House sozusagen gleichberechtigt, sei es ästhetisch oder musik-ideologisch, durch die Maschinen jagt, Widersprüche sowohl als solche stehen läßt, als auch abrundet. Folgerichtig ein Protagonist des „alles wird gut-Riddims“ oder eben ein Künstler, von dem wir uns gerne über den Winter helfen lassen...
Sebastian
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


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last modified: 28.3.2007