High Visibility
Last-Minute-RocknRoll
Üblicherweise gelingt es Bands wie AC/DC oder der
den skurrilen Namen tragenden Lynryd Skynryd den Ausnahmezustand bei denen
auszurufen, die etwas auf sich und ihre Musik halten. Ästhetische
Ansprüche, gepaart mit einer Brise Sachverstand werden dabei zum Grundsatz
von Treu und Glauben stilisiert, die Trommelfelle trotz subjektiv
sittenwidriger Dienstleistungen strapazierbarer als die Gesundheit des Papstes
per se. Mitreden können sie alle, den neuen Lebensgefühlen, intoniert
mit den besten Bands der Welt, sei dank. Und in der Sozietät der
Flugzeuge im Bauch(1) sollten auch die kleineren
Instrumente des modernen Militarismus(2) dem Allgemeinwissen implizit
sein.
Hoch visibel(3) also, die dargebotene Kunst aus Schweden. Wenn schon
die Verquickung der drei Erfolgsprinzipien veni, vidi, vici ihre
Untauglichkeit im täglichen Leben erfährt, hat man mittlerweile der
Verstandesreife genug, um sich mit wenig zufrieden zu geben.(4) Gerade
die der politischen Arbeit Verdrossenen ziehen sich in ihre Kämmerlein
zurück und tüfteln, was das Zeug hält. Hier eine neue, ach,
bahnbrechende Theorie, da ein unerschütterlicher Ausschweif
höchstpersönlicher gedanklicher Güter und zuguterletzt die weise
Erkenntnis, doch alles richtig gemacht zu haben.
Nun, Ernüchterung hält Einzug, wer behauptet, dass dieses
Phänomen allerorten zu beobachten ist, liegt gar nicht so falsch.
Anders hingegen im Norden Europas, ganz konkret in Schweden, dessen
bekanntester Staatsbürger Sven Göran Erikson der designierte
Thronfolger eines Kevin Keagan auf dem Trainerstuhl von Good Old
England ist.(5) Ein Skandal sondersgleichen sollte es werden
der erste Ausländer, welcher den Stolz des Vereinigten
Königreiches(6) unter seine Fittiche nehmen dürfen wird. Er
und seine Landsleute sahen es gelassen, Unruhe kommt bei denen ohnehin selten
auf, schon gar nicht, wenn einschlägige musikalische Institutionen ihrem
Charisma freien Lauf lassen.(7) Da auch die Arbeitslosenquote
weitgehend auf null reduziert ist, interessieren Lieder über das grausame
Leben ohne das menschliche Grundbedürfnis nach Tätigkeit
nicht. In konträrer Ausrichtung zu den meisten hiesigen Bands wird der
Hörer desöfteren mit Themen, deren Notwendigkeitsmaßstab im
Verborgenen bleibt, konfrontiert. Außer mit den Achseln zu zucken und
einen Vergleich über die vier Schweden an sich(8)
anzustellen, bleibt mithin nicht viel übrig. Hier entscheidet man sich nur
noch zwischen Himmel und Hölle.(9)
So ist auch gerade in den skandinavischen Ländern ein gewisses Faible
für das Dunkle, ja Masochistische zu
erkennen.(10) Währenddessen man sich weitab von der westlichen
Welt wähnt, sich von einem Königshaus repräsentieren lässt,
wird das Auge der Öffentlichkeit höchstens in Anbetracht der
alljährlich stattfindenden Nobelpreisverleihung in Stockholm erregt. Wer
mehr erfahren will, muss zwangsläufig Eigeninitiative an den Tag legen.
Ob dabei allerdings ein Künstlerzusammenschluss, der sich an einem solchen
in oben erwähnter Qualität orientiert, helfen kann, ist dabei
zweifelsohne streitig. Vielleicht sollte diesem nur eine diametrale Genese in
Bezug zu allen anderen Hardrock-Interpreten anheim gelegt werden.
Währenddessen sich die Wesenverwandtschaft zu den gleich- respektive
wechselströmigen Rockveteranen gleichwohl in der Namensgebung
wiederfindet(11), lassen sich Rückschlüsse zu anderen Heroen
des metallurgischen Genres allenfalls an der eigentümlichen Kleiderordnung
festmachen. Wenn dabei noch die gemeinsame Tournee mit und als Vorband von Kiss
zum größten Erfolg in der Geschichte seit Bestehen gerechnet wird,
wird unsereins angst und bange. Von den musikalischen Qualitäten derer
ganz zu schweigen, ein Aushängeschild, eine Referenz scheint dies nicht
zwingend zu sein.
Doch natürlich sind die Hellacopters keine von denen, vielmehr sind sie
ein Metalloid, ein Nichtmetall sozusagen. Dass ihre Musik dies allerdings kaum
unterstreicht, ist kein Geheimnis. Wenn denn schon der Unterschied zwischen
Metal und RocknRoll so geringfügig
erscheint, bleibt die Frage nach der Notwendigkeit der Einteilungen in diese
verschiedenen Sparten.
Ein weiteres Rätsel gibt die beharrliche Verfolgung des Zweckes, solch
Musik zu produzieren auf. Währenddem die Zeiten der AC/DC und Co.
längst der Vergangenheit angehören, ist es eben auch nur der
grandiose Erfolg seinerzeit, der den unzähligen Comebacks solcherlei
Musiker eine Vielzahl Besucher beschert. Deren Altersdurchschnitt liegt bei
weitem über 40 Jahren, ihr Ableben dem der Bands hoffentlich
proportional.
Daß allerdings die Hellacopters in diese Lücke
hineinkatapultiert werden, ist kaum in Sicht. Eine solche wird es nicht geben.
Wenn doch, sind die Schweden mit ihren albernen Cowboyhüten und einem
Herz, welches ein Zuhause sucht(12), bestimmt nicht die ersten, die in
Frage kommen. Seis drum, es gibt schlimmeres.
Teewald
Fussnoten:
(1) Herbert Grönemeyer
(2) Hier in schwedischer Ausführung in Form der
Hellacopters vorliegend; ähnlich die mannigfaltige Auswahl in
den Vereinigten Staaten (vgl. insoweit U.S. Bombs)
(3) High Visibility, 1999, Universal Music Publishing AB
(4) So auch die Hip Hop-Fraktion, welche gar die gefährliche
Synthese Weniger ist mehr. kategorisch vertritt.
(5) Gemeint ist die englische Fußballnationalmannschaft, deren
bisheriger Cheftrainer Keagan nach der 0:1 Niederlage in der WM-Quaifikation
gegen Deutschland zurückgetreten war.
(6) Allerdings stellen England, Schottland, Wales und Nordirland
jeweils eigene Nationalteams.
(7) Eine Ausnahme von dieser Regel ist zweifelsohne die
Skatepunk-Legende Millencollin, welche in ihrem Einflussbereich als die
unbestrittene Nummer eins der Welt gilt, sich allerdings auf ihrer neuesten
Veröffentlichung Pennybridge Pioneers mit Hellman
(Lied Nr. 7) jenen Kategorien verdächtig annäherte.
(8) ABBA
(9) Gleiches kann auch bei den Norwegern von Turbonegro mit Are
You Ready For Some Darkness geltend gemacht werden. Ähnlich
interessant erscheint in diesem Fall geradewegs die Namensgebung unter
Betrachtung der zwei Bestandteile negro und turbo. Auch
der Zusammenschluss namens Hells Angels, deren Hauptsitz in
Dänemark anzunehmen ist, macht dieses krasse Missverhältnis besonders
deutlich.
(10) Hier sei wieder an Trainer Erikson erinnert, welchem eine sehr
kurze Halbwertzeit auf der Bank prophezeit wird.
(11) Man vergleiche nur Highway To Hell.
(12) High Visibility, Lied Nr. 9, A Heart Without
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