Es gibt nur einen rechten KonsensRedebeitrag des Leipziger Bündnisses gegen Rechts auf
der bundesweiten Demonstration Gegen jeden rechten Konsens - Antifaschismus läßt sich nicht verbieten - Stoppt rassistische und faschistische
Übergriffe am 14. März 1998 in Saalfeld (Thüringen)
Liebe Leute,
das Motto der im Oktober vorigen Jahres staatlicherseits verhinderten
Demonstration lautete bekanntlich: Den rechten Konsens
durchbrechen. Im Vorbereitungbündnis zu dieser Demonstration haben
wir lange darüber gestritten, ob dieses Motto für diese Demonstration
tatsächlich wieder tauglich ist. Heraus kam dabei der Kompromiß,
daß wir hier gegen jeden rechten Konsens demonstrieren. Wir
müssen an dieser Stelle sagen, daß es für uns, trotzdem wir das
Demomotto mittragen, in Deutschland nicht unzählig viele rechte Konsense
gibt, sondern nur einen. Dieser äußert sich insbesondere allerorten auf die gleiche Weise:
Gefahr statt Bereicherung |
Überall nimmt im Grunde niemand an der rassistischen Politik dieses
Staates Anstoß. Es ist traditionell Konsens in diesem Land, daß das
zum Fremden Konstruierte erst einmal Unbehagen und Bedrohungsgefühle
auslöst. Die Andersartigkeit von allem, was von der deutschen
Norm abweicht, wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen westlichen
Ländern schon immer als Gefahr statt als Bereicherung begriffen.
Konstruierte Fremde: Unbehagen und Bedrohungsgefühl |
Das Staatsbürgerrecht dieses Landes beruht, ebenfalls traditionell, auf
den völkischen Werten von Blut und Boden. Die deutschen
Sekundärtugenden von Ordnung, Fleiß und Disziplin sind
hierzulande ein hochgehandeltes Gut. Auf dieser Basis wird überall
alltäglich eine Heimattümelei betrieben, die sich heutzutage Standortfaktor schimpft.
Diese deutsche Spezifik bei der Betrachtung des rechten Konsens nicht
mitzudenken, führt unseres Erachtens immer am eigentlichen Thema vorbei.
Deshalb auch gehen wir von keiner super-spezifischen Situation in Saalfeld aus,
sondern sind uns bewußt, daß eine ähnliche Konstellation
tatsächlich jederzeit überall vorzufinden ist.
Der Konsens zwischen Behörden, Bevölkerung und Nazis lautet: Wir sind
alle Deutsche. Und dabei kümmert man sich einen Scheiß um
bürgerliche Werte, die doch tatsächlich partiell im Grundgesetz noch
zu finden sind bzw. besser: zu finden waren. Deshalb auch ist es ein Leichtes,
genau diese Passagen, rechtsstaatlich abgesichert, aus der
Freiheitlich-Demokratischen-Grundordnung zu verbannen. An ihre Stelle treten
rigide, bürgerliche Rechte abschaffende Klauseln, die den Staat immer mehr
zur Sicherheits-Bastion gegen Minderheiten und ungebetene Meinungen machen.
Wenn uns jemand vor der Wiedervereinigung gesagt hätte, daß eine
radikale Linke heutzutage überall dazu verdammt ist, die bürgerlichen
Ideale zu verteidigen, hätten wir das für dummes Zeug gehalten.
Inzwischen sehen wir uns tatsächlich in diese Rolle gedrängt. Denn
wer kritisiert bitteschön anhand von Saalfeld und der hiesigen Situation
die bürgerlichen Verhältnisse. Stattdessen ringen und kämpfen
wir hier fast verzweifelt darum, überhaupt noch demonstrieren zu
können und kundzutun, daß wir gegen Nazis und ihre Hofiererei sind.
Sich mit einer solchen Situation zu arrangieren und das Maul zu halten, kommt
für uns grundsätzlich nicht in Frage. Wir wissen aber, daß die
Zukunft wohl kaum eine Besserung bringen wird und wir immer mehr mit dem
Rücken Richtung Wand gedrängt werden. |