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Zerplatzte Seifenblasen. | ||||
Eigentlich sollte es eine deftige Revanche werden. Nachdem im Oktober vorigen Jahres eine antifaschistische Demonstration vom Saalfelder Landratsamt und in zweiter Instanz auch vom Verwaltungsgericht verboten und anschließend von einem martialischen Bullenaufgebot verhindert wurde, war für den 14. März die Revidierung jener unsäglichen Kriminalisierung antifaschistischen Widerstandes geplant. Doch dazu sollte es leider nur sehr eingeschränkt kommen.Rückblick (Unterwellenborn I)Schon damals im Herbst 97 hatte sich in Thüringen der rechte Konsens
in einer bis dahin beispiellosen Art und Weise manifestiert. Nicht nur Nazis
riefen zu einer Gegendemonstration auf, sondern fast der gesamte Saalfelder
Stadtrat, die lokalen Medien und der überwiegende Teil der EinwohnerInnen
sprachen sich für ein Verbot der antifaschistischen Demonstration aus. Vom
geplanten Motto der Veranstaltung, Den rechten Konsens
durchbrechen, fühlte sich der Klüngel aus Nazis,
lokalpatriotischen Kommunalpolitikern und provinziellen Juristen
gleichermaßen auf die Füße getreten. Die ergangene
Verbotsverfügung wurde von allen mit Beifall begrüßt. Die Nazis
zogen daraufhin ihre Anmeldung, die ohnehin aus taktischen Gründen erfolgt
war, zurück. So konnten sie sich der nach rechts offenen Einwohnerschaft
als Saubermänner präsentieren, denen die Wahrung der deutschen
Sekundärtugenden Recht und Ordnung eine Ehrensache ist.
Die Konsequenzen dieser Transformation treffen die außerparlamentarische Linke aufs ohnehin angeschlagene Haupt. Gerade die Antifa-Bewegung konnte mit ihren Demos auf eines der letzten effektiven Politikmittel zurückgreifen. Nicht, daß damit faschistische Zentren von heute auf morgen vom Erdboden verschwanden. Aber es konnte ab und an gelingen, den Nazis das Leben schwerer zu machen. Waren ihre Organisationsformen einmal transparent und ihre Stärke an einem Exempel festgemacht, machten Begriffe wie befreite Zone und Nazihochburg die Runde, gingen die Nazis nicht mehr so einfach als normale Jugendliche oder biedere BürgerInnen durch, denen man nach Gutdünken ein Jugendzentrum nach dem anderen schenkt bzw. völlig sanktionsloses Handeln gestattet. Zweiter Anlauf (Unterwellenborn II)Aber darum sollte es am 14. März in Saalfeld nur in zweiter Linie gehen.
Antifaschismus läßt sich nicht verbieten, hieß die
eigentliche Devise, mit der die prinzipielle Interventionsmöglichkeit der
Antifa-Bewegung verteidigt werden sollte. Bereits kurz nach dem Bekanntwerden
der Demonstrationspläne zeigte sich, daß in Saalfeld kein
Stimmungswechsel stattgefunden hatte. Dem Vorbereitungskreis, einem selten
breiten Zusammenschluß von couragierten Christen über linke DGBler
bis zu den Autonomen, wurden nicht nur Steine, sondern ganze Gebirgsmassive in
den Weg geräumt. Die Vorgehensweise richtete sich nach dem Schema, welches
auch schon im Oktober 97 das Demonstrationsverbot nach sich zog.
Allerdings ging es diesmal noch um einiges obskurer zu: Das Saalfelder
Landratsamt zog es prinzipiell vor, zuerst mit der NPD zu verhandeln, die
selbstverständlich wieder zu einer Anti-Antifa-Demo aufrief. Ergebnis
dieser Gespräche waren dann restriktive Auflagenbestimmungen, nicht
für die Nazi-Veranstaltung, sondern für die lange vorher angemeldete
Antifa-Demo. So wurde dem antifaschistischen Bündnis die angemeldete Route
durch die Innenstadt verwehrt. Stattdessen sollte es abseits des urbanen
Zentrums (Marktplatz etc.) in abgelegenen Außenbezirken von Saalfeld
demonstrieren. Das thüringische Innenministerium gab sich ebenfalls wieder
von Anfang an Mühe, das Anliegen der antifaschistischen Demonstration zu
diskreditieren. Von ihm erhielt die Presse Informationen über angeblich
gewaltbereite Gruppen, die sich an der Demo beteiligen wollen. Auf Nachfrage
der Erstanmelderin Annelie Buntenbach (MdB), dementierte die Behörde
kleinlaut und gab zu, über solche Erkenntnisse nicht zu
verfügen. Nebenbei wurden von den Staatsekretären des
Innenministeriums auch noch Gesprächsprotokolle verfälscht und
laufend Versuche gestartet, das antifaschistische Bündnis zu spalten. Bei
Kooperationsgesprächen mit den Demo-AnmelderInnen und den
SprecherInnen des Bündnisses saßen auf einmal bekennende
Demo-GegnerInnen (z. B. ein Sprecher der Grünen im Thüringer Landtag)
mit am Tisch, und versuchten die OrganisatorInnen noch von ihrem Anliegen
abzubringen. Die Krone wurde dem Ganzen dann wieder vom Innenminister Dewes
aufgesetzt, der in einem Radio-Interview schon verbal den Knüppel schwang.
Schon bei der kleinsten Übertretung der Demo-Auflagen, würde er
radikal durchgreifen und die Veranstaltung gegebenenfalls auflösen, bekannte er.
Angesichts einer solchen festgefügten Phalanx aus Antifa-GegnerInnen überhaupt eine Demonstration durchsetzen zu können, mag einigen als Erfolg erscheinen. Aber war es das wirklich? Immerhin kamen über 5.000 TeilnehmerInnen zur Demonstration. Daß die Presse immer nur die von der Polizei verbreitete Zahl (2.500) kolportierte, muß wohl nicht weiter begründet werden. Die TeilnehmerInnenzahl geht auf jeden Fall in Ordnung, zeigt sie doch, daß die Verunsicherungsstrategie des Inneministeriums so wurde die Presse z.B. regelmäßig mit Verbotsgerüchten gefüttert nicht in jedem Falle aufging. Um so mehr gelang es aber dem massiven Bullenaufgebot, die DemonstrantInnen zu schikanieren. Manche mußten mehr als drei Vorkontrollen über sich ergehen lassen und aus nicht ersichtlichen Gründen ihre Personalien abgeben. Zudem wurde die Demonstration über den gesamten Verlauf von den Kameras der Polizei abgefilmt. Auch hierbei schien es, als wollte der Hardliner Dewes Mäßstäbe setzen. Der Einsatz an technischen Überwachungsmitteln sprengte alles bisher Dagewesene. Wenigstens gelang es den Bullen nicht, jedes Detail der Verbotsverfügung durchzudrücken. Sowohl dem Verbot von Seitentransparenten als auch der verfügten Marschordnung wurde nicht nachgekommen, dafür blieb den DemonstrantInnen aber der Weg in die Innenstadt versperrt. Im Saalfelder Außenbezirk Gorndorf fanden dann auch die USKler aus Bayern den Vorwand in die Demo zu knüppeln und wahllos Festnahmen vorzunehmen. Am Rande der Route provozierten 30 Nazis mit Baseballkeulen. Als daraufhin die Stimmung der Antifas hochkochte, schlugen die staatlich sanktionierten Störer zu. Der Höhepunkt der polizeilichen Kriminalisierung spielte sich jedoch 10 km vor Saalfeld ab. In einer idyllischen Tallandschaft probten die Sonder-Einsatz-Kommandos den Kriegsfall. Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes landeten neben der Landstraße, auf der ein Bus-Konvoi von Antifas nach Saalfeld auf dem Weg war. Die zwölf Busse aus Berlin, Halle, Leipzig, Brandenburg, Potsdam und anderen Städten wurden auf freiem Feld von einem Einsatzfahrzeug gestoppt und von den im Laufschritt anrückenden Bullen angegriffen. Als sich daraufhin die rund 700 Insassen zu einer spontanen Protestaktion formierten, setzten die Einsatzkräfte CS-Gas gegen sie ein, kesselten 200 DemonstrantInnen und nahmen sie fest. Wieder wurden die Verhafteten, von denen unentwegt Foto-und Filmaufnahmen gemacht wurden, in den eigens für diesen Tag hergerichteten Knast in Unterwellenborn verfrachtet. Die anderen wurde über Stunden in den Bussen festgehalten; wer nach draußen wollte, wurde wieder in den Bus geprügelt. Über die gesamte Dauer der mehrstündigen Repressionsmaßnahme zeigten sich die Bullen nicht verhandlungsbereit. Herbeieilende Landtagsabgeordnete bekamen Platzverweise ausgesprochen und selbst Bundestagsabgeordnete, die sich für die sofortige Freilassung der Gefangenen einsetzten, ließ man im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen.
Daß es den Nazis nicht gelang, sich ganz so offensiv zu präsentieren, sie stattdessen den lächerlichen Eindruck vermittelten, als hätten drei regionale Jugenzentren zur selben Stunde ihre minderjährige Klientel vor die Tür gesetzt, können sich die Antifas (die an diesem Tag auch noch einen Nazi-Aufmarsch in Lübeck behinderten) ans Revers heften. Offensichtlich hatten die meisten Nazis Schiß, an diesem Tag nach Saalfeld zu fahren. Mehr Positives läßt sich aber mit Blick auf die Ereignisse in Saalfeld nicht konstatieren. Realitätsgewinn (Unterwellenborn III)Bedenkt man, daß eigentlich eine Revanche angedacht war, die nicht nur
das Demoverbot vom 11. Oktober praktisch hinfällig machen, sondern
symbolisch auch den rechten Konsens durchbrechen, mithin generell verdeutlichen
sollte, daß sich antifaschistisches Handeln nicht vom Staat
reglementieren läßt, dann bleibt für Erfolgsmeldungen nicht
mehr viel Raum. Den staatlichen Behörden ließen sich nur sehr
eingeschränkt Zugeständnisse abringen. Formal gewährten sie die
Demonstration, de facto wurde sie aber durch den Auflagenbescheid verboten. Und
dies wird nicht ohne Auswirkungen auf andere außerparlamentarische
Aktionen bleiben. Schon die erste Verbotsverfügung vom Oktober diente als
Exempel für den Versuch der Ämter, antifaschistische Demonstrationen
in München, Freiberg und Dresden zu verbieten. Dort hatten die obskuren
Gründe vor den höheren Gerichtsinstanzen keinen Bestand. Seit dem
14.3. gibt es aber, für bis dahin nicht gekannte restriktive Auflagen,
eine Richtlinienentscheidung, die von einem Oberverwaltungsgericht legitimiert wurde.
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