Am 11. Oktober 1997 wurde in Saalfeld eine
antifaschistische Bündnis-Demonstration staatlicherseits verhindert. Unter
dem Motto Den rechten Konsens durchbrechen sollte dort gegen die lokale
neofaschistische Szene demonstriert werden. Gleichzeitig ging es um die
Thematisierung der Ursachen für ein Erstarken der örtlichen
Nazi-Szene, die nur dadurch so selbstsicher auftritt, weil sie in einem rechten Konsens verankert ist.
Eingebettet in eine Hetzkampagne gegen die OrganisatorInnen
geführt von verantwortlichen Lokal- und Landespolitikern, der Lokalpresse
und Behörden ereilte die geplante Demonstration ein folgenschweres
Verbot durch das Landratsamt. Unter der systematischen Gleichsetzung von
AntifaschistInnen und Nazis exekutierte das Land Thüringen mittels eines
martialischen Polizeiapparates das Verbot. Die Folge war, daß mehrere
hundert AntifaschistInnen in Gewahrsam genommen und unter schikanösen
Umständen in einem eigens dafür eingerichteten Sondergefängnis
bis zu zwei Tage festgehalten wurden. Trotz alledem fanden am 11.10. spontan an
verschiedenen Orten mehrere Demonstrationen und eine erzwungene
Autobahnblockade gegen das Verbot mit rund 1.500 Antifas statt.
Die für den 14. März geplante Demonstration richtet sich in
gleicher Weise gegen die örtliche Naziszene, die Zustände, in denen
es den Nazis möglich ist zu agieren und gegen die systematische
Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstandes. Wir wollen mit der
Demonstration klarmachen, daß sich AntifaschistInnen nicht das praktische
Eingreifen verbieten lassen. Wir rufen deshalb alle auf, sich an der
bundesweiten Demonstration zu beteiligen.Rechter Konsens - Das Exempel Saalfeld
Saalfeld gerät zum Beispiel dafür, wie der staatliche Umgang
mit AntifaschistInnen nur im Kontext der bundesdeutschen Alltags-Realität
zu verstehen ist: Ein zur Staatsideologie erhobener
Extremismus-Begriff zur Gleichsetzung von Nazis und
AntifaschistInnen, eine rassistische Politik gegen MigrantInnen, ein
Lokalpatriotismus seitens der örtlichen PolitikerInnen, eine besonders
unter Jugendlichen starke, offen faschistische Szene, die gegen alles zu Felde
zieht, was nicht in ihr Weltbild paßt, und für die
Öffentlichkeit nicht existent zu sein scheint. Aus all dem folgt die
öffentliche Umdeutung von faschistischen Übergriffen in bloße
unpolitische Gewalt. Nicht wachsender Rassismus und
Rechtsextremismus werden von der politischen Mehrheit als Problem
gesehen, sondern die Menschen und Initiativen, die auf diese aufmerksam machen,
die Nestbeschmutzer, die angeblich das Ansehen der
Stadt schädigen. Das ist der Hintergrund für den rechten Konsens, von
dem hier die Rede ist, und auf den sich antifaschistische Politik allerorten
gefaßt machen muß, wenn Widerstand gegen Nazis geleistet werden
soll. Das Gerede von Law and order
Das Demonstrationsverbot und seine Durchsetzung sind Ausdruck der allgemeinen
Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik. Selbst sozialdemokratische Minister
zeigen Bereitschaft, sich als Garanten des law and order-Staates
anzubieten. Dabei ist das staatliche Kalkül von law and order
die Antwort der Herrschenden auf die von ihnen selbst produzierten sozialen
Mißstände. Der Feind wird überall da ausgemacht, wo es der
Konsens subjektiver Sicherheitsbedürfnisse gegen die angeblich explosiv
ansteigende Kriminalität zuläßt. Der Feind der inneren
Sicherheit lauert hinter jeder Ecke ob die vietnamesische
Zigarettenmafia oder der schwarze Drogendealer. Die
apokalyptischen Bedrohungsszenarien werden mit rassistischen Vorurteilen
verknüpft. So werden neben der Legitimation für den weiteren Abbau
der Grundrechte auch noch Möglichkeiten eröffnet, von den
tatsächlichen Ursachen der sozialen und politischen Probleme abzulenken.
Für die Linke bedeuten die Verschärfung der Poliziegesetze und die
Überwachungsmöglichkeiten des Staates, wie der gerade beschlossene
Große Lauschangriff, daß der Spielraum des politischen
Handelns mehr und mehr eingeschränkt wird. Politischer Protest soll mit
Hilfe von polizeistaatlichen Mitteln mundtot gemacht werden. Saalfeld ist zwar
als Beispiel für die Verhinderung antifaschistischer Demonstrationen durch
ein staatliches Verbot nicht neu - die Massenverhaftung aber sucht ihresgleichen.
Der faschistischen Jugendbewegung muß direkt entgegengetreten werden
In Saalfeld zeigt sich auch sehr deutlich, wie wenig Beachtung die
faschistische Jugendsubkultur als gefährliches Auffangbecken sich
verfestigender rassistischer und antisemitischer Weltbilder findet.
Getreu der von den Bielefelder JugendforscherInnen theoretisch bestimmten
akzeptierenden Jugendarbeit wird Jugendlichen mit einem bisher
ungefestigten rechtsextremistischen Weltbild Tür und Tor zur
Verfestigung dieser Vorurteile geöffnet. Die Attraktivität der
faschistischen Jugendsubkultur kann sich erhöhen, ohne daß die
jeweils eingesetzten SozialarbeiterInnen ihr Tun hinterfragen müssen. Was
bei dieser Herangehensweise seitens der Kinder - und Jugendpolitik einzig und
allein zählt, ist nicht der Kampf gegen das faschistische Denken der
einzelnen Jugendlichen, sondern die Eingliederung rechtsradikaler Jugendlicher,
damit diese mit ihren Aktivitäten nicht aus der Reihe tanzen.
Mit unserer Demonstration erheben wir gleichzeitig die Forderung, diese
unsägliche Praxis zur weiteren Ausbreitung der faschistischen
Jugendsubkultur umgehend zu beenden. Unser Motiv
Wir wollen in Saalfeld entschlossen gegen organisierten Neofaschismus und
für antifaschistisches Denken und Handeln demonstrieren. Das werden wir
uns trotz staatlicher Versuche nicht nehmen lassen. Am 11. Oktober 1997 wurde
mit dem martialisch durchgesetzten Demonstrations-Verbot eine neue
Qualität deutlich, wie sehr die staatliche Politik jegliche ungebetene
Meinung in der Öffentlichkeit verhindern will. Für uns als
AntifaschistInnen ist es eine Selbstverständlichkeit, gegen den rechten
Konsens vorzugehen. Dies erst recht, wenn - wie inzwischen schon üblich -
die staatliche Politik Nazi-Aktivitäten deckt und die Opfer der
Naziattacken und -angriffe in der Öffentlichkeit häufig gar zu
TäterInnen gemacht werden und gleichzeitig antifaschistischer Widerstand kriminalisiert wird.
Sehr nüchtern müssen wir feststellen, daß sich der
öffentliche Aufschrei nach dem Demonstrationsverbot in engen Grenzen
hielt. Mit dieser Situation müssen wir als AntifaschistInnen umzugehen
lernen. Wir müssen uns also darauf einstellen, daß uns jederzeit und
überall das Recht auf antifaschistische Demonstrationen als eines unser
wichtigsten Politikmittel streitig gemacht wird, weil es dem Charakter der
Standortpolitik von Bund, Ländern, Landkreisen und Kommunen
gleichermaßen zuwider läuft. Die Öffentlichmachung einer
jeweils örtlichen Nazi-Szene und die Zusammenhänge ihres
Funktionierens widerstreben vollends der nationalistischen und
profitorientierten Sichtweise von einem sauberen, idyllischen Investitionsstandort.
Zusammen antifaschistisch kämpfen!
Für uns ist Antifaschismus Grundlage für ein Bündnis, in dem wir
versuchen, viele Menschen in unsere Bemühungen gegen die zunehmende
Rechtsentwicklung der Gesellschaft mit einzubeziehen. Daß diese Aufgabe
nicht einfach ist, zeigt der alltägliche Rassismus und die
Bagatellisierung nazistischer Aktivitäten, die von weiten Teilen der
Gesellschaft getragen werden.
Im Sinne dieser Position soll es das gemeinsame Anliegen der Demonstration
sein, aufzuzeigen, wie sehr jeder einzelne Mensch in der Lage ist, seine
jeweilige Lebenssituation zu reflektieren und daraus sein Handeln abzuleiten.
Die AntifaschistInnen, die am 11. Oktober demonstrieren wollten und dies nun am
14. März werden, kommen aus den unterschiedlichsten politischen Spektren.
Dafür spricht nicht nur der Bündnischarakter der Demonstration,
sondern die individuelle Motivation jeder einzelnen TeilnehmerIn.
Wir fordern jede Einwohnerin und jeden Einwohner von Saalfeld auf, sich offen
zu Antifaschismus und Antirassismus zu bekennen und sich der Demonstration anzuschließen.
Charakter der Demonstration Der Bündnischarakter soll die Wichtigkeit der Demonstration für alle
AntifaschistInnen widerspiegeln, denen an einer antifaschistischen Praxis
gelegen ist und diese unterstützen. Schließlich geht es nach unserem
Verständnis um nicht mehr und nicht weniger als die Verteidigung des
Antifaschismus vor denen, die ihn nur allzugern auf dem Müllhaufen der Geschichte landen sähen.
Deshalb bauen wir auf ein breites Bündnis, in dem es eine positive
Bezugnahme aller Beteiligten geben wird. Auch wenn klar ist, daß die
Hintergründe für die Beteiligung der einzelnen Gruppen und
Initiativen sehr unterschiedlich sind, wird es nicht möglich sein,
AntifaschistInnen aufgrund ihrer unterschiedlichen Aktionsformen in
gute und böse Antifas zu trennen.
Antifaschistische Aktion Berlin · Bündnis gegen Rechts (Leipzig) · Antifa Saalfeld
Schluß mit der akzeptierenden Jugendarbeit mit rassistischen Jugendlichen!
Einstellung aller Ermittlungsverfahren gegen die Verhafteten in Saalfeld!
Antifaschismus läßt sich nicht verbieten! |