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Superlative me! |
Zeitungsmeldung nach einem extrem trockenen Sommer, als Ursache wurde die Atombombe genannt (1947) Drohende Versumpfung Europas Zeitungsmeldung nach einem verregneten Sommer, als Ursache wurde die Atombombe genannt (1948) Die Luftverschmutzung könnte die globale Temperatur um mehr als drei Grad sinken lassen ausreichend, um eine Eiszeit auszulösen. Stephen Schneider, Klimatologe (welcher später von einer katastrophalen globalen Erwärmung überzeugt war) in der Zeitschrift Science (1971) In fast jedem von uns ist der Experte erwacht. Trudelt im Januar ein Marienkäfer durchs heimische Wohnzimmer: ganz klar ein Resultat der Klimaerwärmung! Das Schneeglöckchen am Wegesrand: Ebenso! Die Überschwemmung, über die in der Tagesschau berichtet wurde: war doch klar! Wenn sich allen Endzeitgrößenphantasien zum Trotz doch noch banaler, winterlicher Schnee bei Minusgraden blicken lässt, beruhigen sich die Gemüter nicht: Erstens passt schlechtes, unbequemes Matschwetter doch in den Klimakatastrophensprech, der besagt dass klimatechnisch alles schlimmer wird und außerdem unterstreicht es die These, dass der Klimawandel seinen Ausdruck in Wetterextremen findet. Droht der ausgehandelte anthropogen verursachte Katastrophenkonsens ins Wanken zu geraten, fällt der Umgang mit scheinbaren Widersprüchlichkeiten gar nicht mehr schwer und plötzlich gelingt dialektisches Denken, welches im deutschen Mainstream traditionellerweise nicht unbedingt en vogue ist. Die Frage, wer ein direktes Interesse an der Widerlegung der Klimawandelhypothese hat und warum, ist nicht so schwer zu beantworten. So bietet z.B. Exxon demjenigen 10.000 $, der es schafft die Thesen des aktuellen IPCC-Berichts erfolgreich anzufechten. Zu beantworten, warum man sich derartig über Eine unbequeme Wahrheit (Al Gore) freut und Spaß daran findet, apokalyptische Wahnvorstellungen zu nähren, ist hingegen schwerer zu beantworten und die Erklärung verkauft sich eben gut greift dabei wohl zu kurz. Die Euphorie, die dem Klimawandel entgegengebracht wird, weist auf jeden Fall auf die starke Anziehungskraft des Schauderns hin und zeigt, wie reizvoll der Flirt mit dem Thanatos sein kann. Zeitzeuge zu sein wofür auch immer ist im neuen Jahrtausend weitgehend unhinterfragt überaus angesagt. Und Zeuge einer historischen Zäsur voller klimatologischer Superlative zu sein, das ist doch was. Notwendige Bedingung für den Reiz an diesem potentiell wirklich dramatischen Geschehen ist natürlich die eigene Unschuld und die Möglichkeit, einen Schuldigen ausmachen zu können. Der genugtuende Blick nach Übersee mit dem Hinweis auf ein nicht-ratifiziertes Kyotoprotokoll reichen aber schon aus, um sicherzugehen, dass man selbst sich auf der Seiten der Guten' befindet. Ebenso notwendig ist die Operation der selektiven Wahrnehmung, die den eigenen Überzeugungen und damit dem eigenen Narzissmus zuliebe resistent gegen abweichende Meinungen macht. Damit fällt jegliche berechtigte und notwendige Kritik an besagtem Dokument vom Tisch. Es existieren recht plausible Theorien, die den Menschen als hauptursächlichen Motor für die Erderwärmung bezeichnen (CO2-Emissionen) und ebenso plausible, welche die Ursache eher weit außerhalb seines Wirkungsfeldes verorten (kosmische Strahlung). Gegen letztere ist man relativ ohnmächtig, erstere hingegen bieten einen Rahmen und ein Inventar an Aktionismus, der prinzipiell begrüßenswert, wenn er nicht so ideologisch gefüttert wäre und diabolische Feindbilder heraufbeschwören würde. Mit dem Export ökologischer Technologien geht in Deutschland immer auch der Export von Moral einher. Wie sich die Bemühungen, den mühsam ausgehandelten Atomkonsens zu kippen und die Laufzeiten der AKWs wieder zu verlängern in das Bild eines ökologisch geläuterten Deutschlands passen, steht auf einem anderen Blatt dank selektiver Wahrnehmung ist dies aber nicht weiter problematisch. Dieses diabolische Feindbild enthält z.B. die Liste der sog. Klimaleugner diese Analogie muss man erst mal sacken lassen , welche von seriösen` Forschern der Zunft erstellt wurde. Die Liste enthält Physiker und Meteorologen, die der Hypothese des Klimawandels eher skeptisch gegenüber stehen und dient dazu, vor ihnen zu warnen, bevor sie ihre satanistischen Botschaften verbreiten können. Zu jenen Satanisten zählen z.B. Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Eine Art ökologischer Aufstand der Anständigen durfte natürlich auf diesem Sektor auch nicht fehlen. Es wurde dazu aufgerufen am 01. Februar fünf Stromschweigeminuten (zwischen 19.55 und 20.00 Uhr) durchzuführen, indem man Licht, Strom und sonstiges ausschalten solle. Die unfreiwillig ironische Wirkung dabei war, dass Stadtwerke appellieren mussten, dies zu unterlassen, da kollektives Ab- und Anschalten zu einer Netzüberlastung führen würde und das damit verbundene Hochfahren der Kraftwerke ungleich mehr Strom verbraucht hätte. Aber wer auf der Seite der Guten steht, muss dies symbolisch untermauern Sinn hin oder her. Hier könnte man eine ganze Reihe ökologisch vollkommen sinnloser Aktionismen anführen von Wiederaufarbeitungsanlagen bis hin zu Biokraftstoffen. Als Dauerrenner hat sich die Angst um ein Sinnbild des deutschen Charakters entpuppt. Palmen bald auf Helgoland aber die deutsche Eiche stirbt titelte in den vergangenen Tagen eine recht populistische Zeitung, die anscheinend die Kampagne einer Tageszeitung aus dem Jahre 1993 adaptierte, die schon damals schrieb Die Eiche stirbt aus. Die deutsche Sau reibt sich anscheinend nicht gerne an Palmen. Eventuell das wäre wohl eine (Flirt mit dem Thanatos hin oder her) sehr positive Entwicklung muss sie das auch gar nicht, die Eiche bleibt und die Prognosen bestätigen sich ebenso wenig wie die Versteppung oder Versumpfung Deutschlands und werden möglicherweise kein eklatanter Teil der Geschichte, sondern eine belustigendes Zitat, das man für die Kopfzeile eines Artikels über den Klimawandel verwenden kann. Wenn`s doch zutrifft ist aber die Kacke am Dampfen. Wer unsicher ist, wie er kritisch zu dem komplexen Komplex stehen soll, liegt damit schon mal genau richtig. So reizvoll das Einstimmen in den Katastrophenkanon oder die diametrale Kritik an diesem auch sind: Wir sind eben keine Experten, und wenn auch noch so viele Marienkäfer noch so häufig in unseren Zimmern überwintern. Der Klimadiskurs ist ein politischer und kein wissenschaftlicher. Die politische Dimension ist dabei an vielen Punkten kritikwürdig, überzogen, nervig. Aber der Kern des Problems der Klimawandel lässt sich nicht über einen gesellschaftlichen Diskurs und bestimmte Haltungen zu diesem lösen, sondern nur durch Expertise, die weder Feuilleton noch intelligente GesellschaftskritikerInnen vorweisen können. Diskurse haben eine ganz andere Zeitlichkeit als der Klimawandel und können daher aus sich selbst heraus gar nicht ausdauernd genug sein, um der Thematik gerecht zu werden. Obwohl selbstredend eine saubere Trennung der wissenschaftlichen Ebene von der gesellschaftlichen nicht möglich ist, sollte man soweit es möglich ist analytisch differenzieren, will man sich nicht aufs Glatteis begeben, welches eventuell schon am Abschmelzen ist. Andi K. Ramba |
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