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Eins Zwo, 2.3k
Square One + Dabru Tack & Mister Sosa, 1.1k

Schill-Out-Area

Bevor unlängst der „gesamten zivilisierten Welt der Krieg erklärt“ wurde, war selbige noch in Ordnung. Die afghanischen Glaubenskrieger waren bislang unbekannt, einzig Nina MC, paschtunischen Ursprungs, führte hierzulande ein kaum beachtetes „Schläferdasein“. Ihre Verbalanschläge und vor allem die ihrer meisten Kollegen wurden zumeist noch Unter-fernen-Oliven abgetan, an sogenannte „Kriegserklärungen“ fühlte sich in diesem Zusammenhang noch niemand erinnert. Doch nun stellen sich die Kräfteverhältnisse anders dar. Geschuldet ist dies auch den Rappern von „Eins Zwo“. Mit ihrem Lied „Bombe“ geben sie ihre wahren Absichten preis. Auch wenn sie weithin propagieren die „Unschuld vom Lande“ zu sein.

Dendemann + DJ Rabauke, 23.7k Atta, Fit, Spee, RFT
Viel neues gibt es indes nicht zu berichten. Die Geschmacksverhältnisse gerade im Bereich des Hip Hop sind nunmehr zurecht gerückt. Wer es bislang versäumte, sich eindeutig zu positionieren, sollte nunmehr ein ideales Feindbild abgeben. Dass diese Rechnung der hiesigen Politiker nicht in allen Belangen aufging, lag zumeist auch an den unzähligen mittelbar Betroffenen, Experten wie kulturell Hervorragenden. Vorreiter war wieder einmal Afrob, der vier Tage nach den „mörderischen Anschlägen“ eine „letzte Warnung“ an alle Querdenker und solche, die es sein wollen, aussandte und empfahl, „die gesamte Extremistenscheiße aus dem, unserem, Land zu jagen.“ Die näheren Intentionen scheinen vollkommen gleichgültig, was zählt ist einzig und allein der Status „Extremist“. Eine nähere Definition dieses wenig intelligenten Sammelsuriums aus den Gehirnströmen des in die Breite gegangenen Rappers blieb, Gott sei Dank, erspart. Auch insofern wird der politische Anspruch mit einem dargetanen lapidaren Ausspruch augenscheinlich und vor allem plakativ. Einige dieser „Scheiß-Extremisten“ lebten und leben wahrscheinlich jahrelang unbehelligt in Hamburg. Dies soll nun nach den Worten des neuen Innensenators Schill nicht mehr möglich sein. Insofern sei jeder Hamburger aufgerufen, „Seite an Seite mit den Sicherheitsbehörden für Recht und Ordnung“ in der Hansestadt zu sorgen.
In diesem Zusammenhang scheinen die Mitglieder von „Eins Zwo“ mit ihrer neuen Platte prophetische Fähigkeiten an den Tag zu legen. Obschon mit ihrem Lied „Bombe“ die Gefahr von neuen Selbstmordanschlägen aufgedeckt werden soll, wird im gleichen Atemzug nach den „Rechte(n) Dritter“ gefragt. Wenigstens kann ihnen nicht entgegengehalten werden, mit der Namensgebung ihres eigenen Zusammenschlusses den „Fundamentalisten“ die zündende Idee gegeben zu haben. Bis zwei zählen kann, ob man es glauben möchte oder nicht, mittlerweile fast sogar der Großteil aller Hip Hop-Fans.

Nordallianz
Viel hängt nunmehr von „Eins Zwo“ ab. Mithin die gesamte Zukunft der Subkultur. Währenddem sich Bands wie „Fettes Brot“, die „Fantastischen 4“ und „Freundeskreis“ nur noch in größeren Hallen unterbringen und finanzieren lassen, erweisen auf der anderen Seite „gestandene“ Interpreten wie Afrob gerade 200 Zuhörer die Ehre. Abhängen wird auch deshalb viel von Dendemann und Rabauke, nicht etwa weil deren karrieristischer Höhenflug wie Phoenix aus der Asche daherkam, auch nicht, weil sie mit soliden, niemals heuchelnden Texten Gesellschaftskritik übten und ihnen dadurch Erfolg beschieden wurde wie der Jungfrau mit ihrem Kind. Die Stellung als Hoffnungsträger erhält man vielmehr ungewollt. Vorliegend wahrscheinlich geradewegs deshalb, weil man hinsichtlich der eigenen Aktivitäten getreu dem Grundsatz „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ verfuhr. Eine Charaktereigenschaft, die sonst einem jedweden Hip Hopper als wesensfremd bescheinigt werden muß. Ebenso verzichteten sie weitgehend auf dubiose Kooperationen ihrer selbst willen, wobei gerade der Hang zur Affinität einem Hip Hopper auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Mithin verstärkte man die eigene, letzte Veröffentlichung einzig mit Nico Suave, dessen Handwerk nicht unbedingt die Selbstdarstellung ist. Und das ist auch gut so.
Kaum jemand wird unterdessen aber über die Botschaft der beiden Linguisten von „Eins Zwo“ mehr als ein Achselzucken parat haben. Währenddem sich politische Inhalte ihrer Texte zumeist nur zwischen den Zeilen finden lassen, ist diese Erkenntnis schon besser als gar nichts und im Hinblick auf die global heuchelnde Subkultur namens Hip Hop, in der lokalen Reichweite auf Deutschland beschränkt, ein Wertgewinn von überdimensionalem Ausmaß. Hier ist Glaubwürdigkeit noch angebracht, wobei selbstredend nach dem Maßstab „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“ verfahren werden soll, kann und muß. Dass dabei aber unterdessen nur noch ein kleiner Bruchteil der kostbaren „Hip Hopper-Zeit“ vonnöten scheint, wird gerade diesen hoch erfreuen. So bleibt viel Zeit zum Kiffen, um ein politisch korrektes Auftreten der Ideale kümmern sich unterdessen andere. So wie eigentlich immer. Schöne Aussichten.
Teewald



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last modified: 28.3.2007