home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[81][<<][>>]

Aufstand gegen die „Volksfeinde“

Am 1. September trat auch in Leipzig auf Kommando die Zivilgesellschaft zusammen, um ihr Land gegen die Extremisten zu verteidigen. Der nationalistische Charakter, der sich im verordneten Engagement der „Gesicht zeigen!“-Kampagne Bahn brach, bestätigte die Notwendigkeit der Kritik an einem demokratischen Deutschland, welches Nazis nur noch zur Abgrenzung nötig hat.

Auch für viele Linke war es eine neue und verwirrende Situation. Da mobilisieren die Nazis zum großen Aufmarschspektakel, kündigen sich Tausende potentielle und reale rassistische Totschläger an und eine ausgewiesene Antifa-Gruppe wie das „Bündnis gegen Rechts“ (BGR) aus Leipzig macht die Kritik an der „Zivilgesellschaft“ zum Schwerpunkt ihres Aufrufs zu Gegenaktivitäten. Daß man dem Deutschland der „befreiten Zonen“, welches von den in aller Regelmäßigkeit wieder antretenden Nazis repräsentiert wird, den Krieg erklärt, wäre nicht der Rede Wert gewesen. Die konfrontative Haltung gegenüber dem demokratischen Antifaschismus allerdings, konnten viele nicht nachvollziehen. Sie sehen darin eine Politik, die mögliche Bündnispartner verschreckt und somit nicht nur wirksamen Widerstand gegen die Nazis erschwert, sondern generell die Linke in die Isolation führt.
Und sicher, letztere Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Wer den engen Spielraum der staatlich angefachten Anti-Rechtsextremismus-Kampagne verläßt, bekommt ein Legitimationsproblem. Schon immer bestimmt die
Aufkleber - falsch, 11.0k

Vorauseilender Gehorsam?
Original aus dem Internet (unten), weit verbreitete "Fälschung" aus Plagwitz (oben): Dort sollte Stötteritz nicht verbal (sondern nur symbolisch) zur "desaster area" erklärt werden.


Aufkleber - richtig, 21.1k
„wehrhafte Demokratie“ über die Akzeptanz politischer Äußerungen und schließt aus, was Kapital- und Staatsinteressen zu widerläuft.
Das Besondere an der jetzigen Situation ist, daß die Herrschenden heute zum linksradikalen Antifaschismus in Konkurrenz treten, was seiner bisherigen Duldung, die aus moralischen und geschichtspolitischen Erwägungen erfolgte, wohl eher schaden dürfte.
Neben dieser prekären Lage führt aber viel mehr eine optimistische und oberflächlich moralische Sichtweise auf den offiziellen deutschen Anti-Nazi-Konsens dazu, den Staatsantifaschismus nicht kritisch auf seine Motive hin zu befragen.
Geschieht dies, so wird man feststellen, daß es im wesentlichen zwei Gründe gibt, die alles andere als gutzuheißen sind.
Zum einen steht die staatliche Kampagne für eine nationale Integrationsstrategie, die den Vorzeichen, unter denen Deutschland nach außen seine Großmachtpolitik betreibt, im Inneren zur Durchsetzung verhilft.
Daß wirtschaftliche und politische Interessen nach 1945 nicht mehr erfolgreich mit nationalsozialistischen oder faschistischen Begründungen durchsetzbar sind, ist eine zwanghafte Konsequenz der internationalen Nachkriegsordnung. Schon seit Adenauer ist in der deutschen Außenpolitik die Strategie angelegt gewesen, Deutschlands Macht im westlichen Bündnis und somit im Gleichklang mit den heiligen Werten des bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsmodells zu entfalten. Selbst wenn der Euro-Deutschlandblock ökonomisch gegen die letzte Großmacht USA opponiert, ist eine Machtausweitung nur mit Berufung auf die universellen Menschenrechte zu haben.
Daß mag im Vergleich zur nationalsozialistischen Option ein Fortschritt sein. Wer aber nicht sehen will, daß der Zivilisierungsschub des Westens bis heute mit Massenmord, Ausbeutung und Unterdrückung einhergeht, daß die Neue Weltordnung an hochgerüsteten Grenzen, auf den Schlachtfeldern angestachelter ethnischer Konflikte und besonders in den ökonomischen Wüsten tagtäglich neue Opfer hervorbringt, betreibt die Affirmation der Verhältnisse.
Mit der Regierungsübernahme von Rot-Grün wurde der Legitimationszusammenhang der kriegerischen Großmachtpolitik noch einmal forciert. Mit der propagandistischen Lüge, die deutsche Beteiligung am Angriffskrieg gegen Jugoslawien müsse erfolgen, um ein neues Auschwitz zu verhindern, war der Gipfel der moralischen Aufladung erreicht. Materielles Ergebnis waren dann sog. Kollateralschäden und tausende Tote, von denen in der deutschen Öffentlichkeit – im Gegensatz zu anderen Opfern des Weltgeschehens – niemand, aber wirklich niemand etwas wissen will.
Bei gegenwärtig anstehenden Militäreinsätzen braucht es solche großen Worte schon nicht mehr. Vielmehr setzt auf den Trümmern ehemaliger Beschränkungen eine Normalisierung der militärischen Außenpolitik ein.
Trotzdem benötigt auch eine weniger hochtrabende „antifaschistische“ Rechtfertigungsstrategie die Zustimmung der Bevölkerung. So ist die Staatsantifa letztendlich auch ein groß angelegtes Umerziehungsprogramm mit dem Ziel, einen gesellschaftlichen Konens herzustellen. Dies steigert nicht nur die Glaubwürdigkeit der Rechtfertigung für die nationale Interessenvertretung gegenüber dem durchaus noch kritischem Ausland, ist also eine vertrauensbildende Maßnahme, sondern dient ebenso der Selbstversicherung. Nach dem Wegfall der Systemauseinandersetzung und der damit nachlassenden Bindekraft einer antikommunistischen Ideologie, müssen andere Identitätsangebote her, die die Widrigkeiten des kapitalistischen Alltages erträglich machen. Gegen die Konkurrenz von Esoterik und völkischem Nationalismus präsentiert der Staat sein hochamtliches antifaschistisches Angebot, welches in Folge der Anschläge auf die USA zu einem wahnhaften Antiextremismus ausgeweitet wird.
Eine zweite wesentliche Motivation für die verordnete Zivilcourage
Demo vorn, 14.2k

 

 

 

 
Demo von der Seite, 13.4k
läßt sich auf den Begriff des Standortnationalismus bringen. Diesem ist der völkische Hass der Nazis, der sich jenseits von wirtschaftlichen Erwägungen gegen alles Fremde richtet, ein Graus. Auch wenn es fraglich ist, inwieweit Schaden für Kapitalanlagen und Exportgeschäft nachweisbar sind, die Angst vor einem bedrohten Standort Deutschland sitzt tief. Daß sie von Schröder & Co. immer wieder abgerufen wird, unterstreicht denn auch weniger bereits eingetretene Verluste, sondern die Ernsthaftigkeit mit welcher der regierungsamtliche Antifaschismus angegangen wird. Zumal es Aufgabe des Staates ist – in Anbetracht von New Economy und demographischen Schwund der Deutschen – für die Wirtschaft den internationalen Wettbewerb um benötigte Arbeitskräfte zu organisieren.
Ein vitaler Rassismus der Straße wird so zum Standortnachteil und begünstigt andere Abwerber, die dann Entwicklungs- und Schwellenländern das mühsam ausgebildete Personal klauen.
Letztdendlich handelt es sich also bei der Anti-Rechtsextremismus-Kampagne, um nichts anderes als ein den Zeitumständen und historischen Lernprozessen angepasstes nationalistisches Programm inklusive militärischer Interssenvertretung weltweit.
Mit dem Slogan „Deutschland den Krieg erklären. Den zivilgesellschaftlichen Militarismus und die Neue Weltordnung angreifen“ positionierte sich das BGR gegen diesen – mit den Mitteln der Polemik und symbolischen Überspitzung – auf den Punkt gebrachten Zusammenhang.
Und wer bis dahin noch eine Bestätigung für die Richtigkeit der aktionistischen Ausrichtung suchte, der fand sie bei der von der Stadt organisierten Kundgebung auf dem Leipziger Augustusplatz. In den Reden, welche vom Leipziger Oberbürgermeister und Pfarrer Führer gehalten wurden, wimmelte es nur so von Appellen an das Wir-Gefühl.
Die Beschwerde, daß „wir als Steuerzahler ein Schweinegeld“ (Führer) für den Polizeieinsatz bezahlen müssen, ließe sich vielleicht noch als Lichtblick werten, insofern er darauf hinweist, daß sich auch im völkischen Osten das Denken in den rationalen Kategorien der kapitalistischen Zwänge durchsetzt. Was aber ansonsten von den Rednern verlautbart wurde, war nichts als dumpfer Nationalismus, der sich nicht einmal besonders viel Mühe gab, durch Beschwörungen demokratischer Werte einen Unterschied zu den Nazis zu markieren. Schon die Ansprache des Nikolaipfarrers mit dem verfänglichen Namen war ein reines Ausschlußprogramm. Gerichtet war sie nicht an Bürgerinnen und Bürger, sondern an die „Mitmenschen“ aus Leipzig, Sachsen und Deutschland. Daß damit keine Wohnortpräferenz gemeint waren, erschloß sich spätestens mit der Lobhymne auf diejenigen „die Gesicht zeigen, damit Deutschland nicht das Gesicht verliert, die sich verantwortlich fühlen für die Zukunft unseres Landes“ (Führer) und die zumindest stolz darauf sein können, Leipziger zu sein. Schon der OBM hatte in die gleiche Kerbe gehauen. Um für ein besseres Deutschland zu werben, dafür war ihm Brecht in der PDS-Hochburg Leipzig gerade gut genug. Hätte die drittstärkste Partei im hiesigen Parlament NPD geheißen, er hätte zur Illustration seines Nationalismus auch eine andere Quelle benutzt.
Angereichert wurde dieses Programm mit einem gehörigem Schuß autoritärem Gehabe. Wenn die Stadtoberen zur Courage befehlen, dann strömen die Massen auf den Platz. Der deutlichen Freude über das Ergebnis der Untertanenmentalität folgte postwendend der Verweis darauf, daß es selbst in der gepriesenen Demokratie keine freie Entscheidung ist, wie und an welchem Ort gegen Nazis vorgegangen werden kann. Der Aufstand der Anständigen richtet sich nicht gegen das Gewaltmonopol des Staates. In der Leipziger Variante a lá Tiefensee und Führer läßt er nicht mal gutwillige, sozusagen zivilpolizeiliche Parallelaktionen zu, die die Nazis dort, wo sie marschieren, stoppen wollen.
So entpuppte sich im Großen und Ganzen am 1. September in Leipzig jene für den staatlichen Antifaschismus charakteristische Mischung aus demonstrativer Extremismusabwehr und ideeller Integration des nationalen Kollektivs. Vorgetragen allerdings mit einem Schuß Ostspezifik. Ohne auch nur eine wirkliche anti-völkische, antirasisstische Position zu beziehen, wurde mitgeteilt, welcher Patriotismus in Zukunft erlaubt ist und welche politische Äußerungen unter das paradoxe Toleranzverbot fallen.
Ein solches ideologischen Programm taugt dazu, mit dem von den Massen intonierten Soundtrack „dona nobis pacem“ linke Demonstranten vom SEK verprügeln zu lassen, so wie es auch einen Angriffskrieg auf einen souveränen Staat als Akt der Menschenwürde erklären kann.
Vom Krieg und der deutschen Beteiligung daran, sprach dann aber keiner der Redner, was angesichts der Berufung auf den symbolischen Charakter des Weltfriedenstages schon eine profunde Verdrängungsleistung darstellt und nur damit erklärt werden kann, daß die serbischen Volksfeinde bereits in die Knie gezwungen wurden.

Falk


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[81][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007