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Sowas kommt von sowas

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Ein paar Worte über den deutschen Außenminister Joseph Fischer und seine linksradikale militante Vergangenheit

In der sozialliberalen Ära der Bundesrepublik galt mal als Binsenweisheit, daß ein junger Mensch, der nicht im Übermut seiner Naivität sich Sozialist nennt, später wohl nie ein guter Demokrat würde. Gesagt ist damit zwar wenig aber immerhin einiges über die notwendige Kapitulation des bürgerlichen Individuums als Subjekt vor der als eigene Rebellion begriffenen Biografie, die in aller Regel durch – wenns sein muß gewalttätigen – Zwang hergestellt wird. Diese Zurichtung zum bürgerlichen Subjekt erfolgt insbesondere dann zwangsläufig, wenn der individuelle Wille eine ideologische Vorleistung erbringt: die Herstellung eines ambivalenten Verhältnisses zur Macht. Dieses ambivalenten Verhältnisses haben sich radikale Linke historisch immer durch ein Mißverständnis bedienen können: Das Begreifen des
Meinhof-Demo, 24.2k


„Ob friedlich oder militant – wichtig ist der Denunziant“: Fischer beim Polizistenverprügeln und in Wackersdorf

Wackersdorf, 27.2k
revolutionären Seins als – im günstigsten Fall – Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Da Politik dazu verdammt ist, in der Endkonsequenz immer die Machtfrage stellen zu müssen, ob sie sich nun revolutionär, libertär, syndikalistisch, antiautoritär, sozialdemokratisch, liberal, demokratisch, konservativ oder faschistisch schimpft, reproduziert das Wesen der Politik selbst oder gerade dann die Macht, wenn sie vorgibt, diese zu bekämpfen.
Substrat der Macht ist die Politik, in dem sich eine Jutta Ditfurth oder ein Thomas Ebermann (ehemalige linke Gründungs-Grüne) ebenso ausreichend gewälzt haben wie der, um den es hier geht: Joseph Fischer.
Die (einstmalige) Pflicht des Citoyens (des idealiten aufgeklärten Bürgers) zum Widerstand wurde in der bürgerlichen Ideologie nach dem Muster der halluzinierten staatlichen Machtpartizipation ausgebildet, die sich gut und gerne auch als ganzheitliche Staatsstürzung gerieren kann, ohne auch nur im Ansatz selbiges leisten zu können (bzw. auch wirklich zu wollen).
Der aufgeregte Umgang des Staates wegen ein wenig Remidemi, von wegen er sei „gefährdet“ und so, ist dann also schon immer ein instrumenteller, der sich in seinen Vasallen zigfach „plural“ widerspiegelt und die „öffentliche Meinung“ repräsentiert, aus der der Staat wiederum seine Legitimation zum „Handeln“ ableitet.
Das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern ist ein Gewaltverhältnis, das von ihnen gerade wegen der Gewaltenteilung allseits affimiert wird. In ihm drückt sich jene „repressive Toleranz“ (Herbert Marcuse) aus, die die Grenzen festlegt.
Die Gewalt des Staates ist somit immer vermittelte Gewalt, die sich der Apologie durch seine Bürger sicher sein kann. Diese vermittelte Gewalt verschleiert sich zur „äußersten ultima ratio“ (Joseph Fischer im Stern) von Gewalt und macht sich so dem gesellschaftlich herrschenden Gewaltbegriff, dem man sich mittels bürgerlichem Denken „freiwillig“ unterwirft, äußerlich: „gesellschaftliche Gewalt“ als einzig und allein „Gewalt in der Gesellschaft“ ist somit der Form halber gesellschaftlich geächtet.
Aus der erfolgten Historisierung dieser Form von Gewalt als Widerstand, die sich aus den medialen Fischerchören zum Thema deutscher Außenminister und seine Vergangenheit offenbart, läßt sich gut ablesen, wie eng der Spielraum für heutige linke Militante oder Rebellion überhaupt geworden ist. „(...) Seit Fischers Jugend hat sich wenig geändert. Nach seiner Logik müßte es auch heute noch viel Anlaß zu Krawall geben.“ (taz).
Es handelt sich um ein Glanzstück nicht etwa Fischerscher Provenienz, sondern bürgerlicher Verdrängungs- und Vertuschungslogik, wenn er, der Joseph Fischer, der früher wie „ein Besessener (...) Marx, Hegel, griechische Philosophen“ (Spiegel) las, „Gewalt“ als „extrem gefährlich“ bezeichnet.
Die Verdrängung, die sich in Joseph Fischer verdinglicht, ist die „Realität“ – die Form der bürgerlichen Gesellschaft, „(...) die den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere (...) als gegenständliche Charaktere (...) zurückspiegelt“ (Marx). In diesem Sinne verkörpert Joseph Fischer in besonders perfider Weise „die Personifikation der ökonomischen Verhältnisse“ (Marx), von denen im Kapitalismus niemand frei sein kann, ob er will oder nicht, – auch wenn das ein Großteil der Linken gerade bei ihren Begriffen von Politik, Ideologie oder Identität nicht wahrhaben will – und die gerade deshalb den bürgerlichen Freiheitsbegriff ad absurdum führen.
Ein Staatsmann wie Joseph Fischer verkörpert das nur scheinbare Paradox: als bürgerliches Subjekt trägt er die „Charaktermaske“ (Marx) mit dem aufrechten Gang des aufgeklärten Staatsbürgers, weil die bürgerliche Herrschaft so total funktioniert.
Der Charakter des Individuums Fischer ist ein durch die bürgerliche Gesellschaft zugerichteter. Sein psychologisches Moment ist der ungebrochene Machttrieb, welcher für die Kontinuität seiner Biografie steht.
Es stärkt seine Glaubwürdigkeit, wenn der „Fixpunkt seines Handelns“ tatsächlich Auschwitz darstellt und sich in ihm der Adornitische Imperativ der „Minima Moralia“, alles zu tun, daß ein zweites Auschwitz oder ähnliches sich nicht wiederhole, verkörpert. Es ist ein schwerer aber nötiger Schlag, all jene mit diesem Fakt zu konfrontieren, die vehement in den Neunzigern gefordert haben, daß „Deutschland denken, Auschwitz denken heißen“ (Günter Grass) muß. Die „moralische Barriere“, die sich Fischer als Außenminister der imperialistischen Großmacht Deutschland errichtet, heißt nichts anderes, als daß im Fischerschen Denken Auschwitz tatsächlich im Mittelpunkt steht: „Erst im Kampf gegen den angeblich faschistischen Staat, dann – mit der Staatsmacht im Rücken – Bomben gegen marodierende Serben im Kosovo, Härte gegen Rechtsextremisten.“ (Spiegel)
Das ist das Kontinuum Fischerscher Prägung: Was einst der Bekämpfung des Kapitals Motiv gab, nützt heute der Akkumulation von Kapital bei der Staatspolitik. In dieser Logik ist Fischer der glaubwürdigste Repräsentant des zivilgesellschaftlichen Deutschlands, den man sich nur vorstellen kann.
Fischers geschichtlich ungeheuerliche Analogie – „Wir erkannten allmählich, daß diejenigen, die mit der Abkehr von der Elterngeneration als Antifaschisten begonnen hatten, bei den Taten und der Sprache des Nationalsozialismus gelandet waren“ – ist der doppelte Bruch nicht etwa mit sich selbst, sondern mit der Linken und mit dem NS. So hat er sich selbst den Weg zur Macht im bürgerlichen Staat Deutschland geebnet, die die ungewollte Versöhnung von Vätern und Söhnen gerade deshalb zu repräsentieren versteht, weil sie beiden ihre „Jugendsünden“ zu entschuldigen vermag wie Fischer sich die seinigen. Funktionieren aber kann diese neue Form von Versöhnung nur durch die Gleichmacherei von „Gewalt in der Gesellschaft“, weil nur darin die Form als das Wesen begriffen wird, was es nicht ist: etwas losgelöstes. Daß niemand auf die Idee kam, auf die Gewalttätigkeit des Joseph Fischer als Kriegsherr zu sprechen zu kommen, ist Ausdruck davon und bescheinigt gleichzeitig, daß es eine gesellschaftliche Unfähigkeit im Denken gibt, die von der subjektgewordenen Sensation verdeckt wird und von totaler Affirmation des Bestehenden kündet.
Der herrschende Gewaltbegriff trägt Zwangscharakter und ist ein zugerichtetes Produkt dessen, was der Begriff verschleiert: ein abstraktes Gewaltverhältnis, das die Gesellschaft zusammenhalten soll.

Ralf


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last modified: 28.3.2007