HKS 13 (Hrsg.):hoch die kampf dem.20 Jahre Plakate autonomer
Bewegungen.VLA: 1999, 240 Seiten
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Klaus Schönberger (Hrsg.): Va banque. Bankraub, Theorie, Praxis,
Geschichte.
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Wir schreiben nun das Jahr 2001 und eigentlich sollte die Menschheit dem
traditionellen Buch schon längst den Rücken gekehrt haben. Vertreibt
sich nicht heute der moderne Mensch seine Zeit mit dem Internet und CD-ROMs,
die nach Eingabe eines Suchbegriffs und anschließendem Knopfdruck die
wichtigsten Informationen ausspucken? Wer macht sich heute noch die Mühe
und kämpft sich durch unzählige Seiten umweltfreundlichen Papiers, um
sich zu bilden oder zu vergnügen? Eigentlich fallen mir da nur die
Kollegen der Review Corner ein, die sich Monat für Monat abrackern, die
wichtigsten, witzigsten und wasserdichtesten Bücher für Euch zu
lesen, damit Ihr weiter The age of empire zocken und trotzdem
mitreden könnt, wenns um Bücher geht. Daß Lesen aber
genauso spannend sein kann wie Computerspiele, beweisen zwei Titel, die unsere
interne Jury zu den besten Büchern des Jahres 2000 kürte. Die
Bewertungskriterien waren diesmal nicht so umfassend wie im letzten Heft. So
wurden die Titel diesmal nicht auf Wasserfestigkeit und dem Verhältnis von
der Masse zum Preis geprüft, sondern es ging lediglich nach Inhalt,
Layout, Preis und Kompatibilität für den Computer. Wie sich
vielleicht einige von Euch erinnern, gab es im letzten Jahr eine
beträchtliche Anzahl guter Bücher, die wir ja auch versuchten, Euch
schmackhaft zu machen. Leider hatten die meisten, sei ihr Inhalt noch so
entzückend gewesen, einen Makel: sie sahen einfach Scheiße aus. Ganz
anders unsere Gewinner: informativ, aufregendes Layout, verspielte
Illustrationen und vor allem mit virtuellen Anwendungsmöglichkeiten! Jetzt
wollen wir Euch aber nicht länger auf die Folter spannen: die Bücher
des Jahres 2000 sind Hoch die Kampf dem: 20 Jahre Plakate autonomer
Bewegungen (leider für alle, die es sich noch ins Regal stellen
wollen, im Moment nicht mehr zu haben) und Va banque: Bankraub. Theorie.
Praxis. Geschichte (im Handel noch erhältlich, wäre ein
schönes Weihnachtsgeschenk für EureN besteN FreundIn gewesen, leider
jetzt zu spät!). Aber immer schön der Reihe nach. Kommen wir also
erstmal zum erstgenannten, weil es schon länger auf dem Markt ist und wir
von der Review Corner es abgöttisch lieben. Das liegt natürlich nicht
an dem Hochglanzpapier, sondern an der beigefügten CD-ROM, die das
perfekte Heimkino für alle Fans und Freaks autonomer Politik, Kultur und
Kunst bietet. 3000 Plakate von den Autonomen der letzten 30 Jahre auf einer
kleinen Scheibe da lästere nochmal jemand über das Zeitalter
der modernen Technik! Aber eigentlich ist die CD-ROM ja erst am Ende des Buches
beigelegt, sozusagen als Entschuldigung dafür, daß das Buch nur 240
Seiten hat. Also, warum nun ist das Buch so schön? Erstmal muß
mensch wenig lesen, denn zwei Drittel einer Seite sind zum größten
Teil farbige Abbildungen politischer Plakate. Dabei haben sich die MacherInnen
für eine thematische Ordnung entschieden. Das hat zum einen den Vorteil,
daß sich jedeR zuerst die Plakate ansehen kann, die ihren/seinen
Neigungen am meisten entsprechen (also gehöre ich eher zu den Anti-Imps,
den Antimilitaristen, den Anti-AKWs oder den Antifas, dann schaue ich mir
natürlich die Plakate zuerst an, die meiner Gruppenzugehörigkeit
entsprechen, um dann über die anderen zu lästern), auf der anderen
Seite kann sich eine Person, die noch keiner festen Gruppe angehört anhand
der Plakate entscheiden, welche politischen Aktivitäten sie in Zukunft
bevorzugt. Wer sich aber weniger für die politische Arbeit interessiert,
sondern mehr für die künstlerische, kann sehr schön die
technische Entwicklung des Layouts der letzten 30 Jahre nachvollziehen. Das
Buch deckt so also vielseitige Interessen ab und informiert uns
darüberhinaus noch über die Geschichte der autonomen Linken, ohne uns
pseudo-intellektuell zu kommen. Wir finden, daß das Buch auf jeden Fall
seine 39,80 DM wert ist (auch weils ja noch die CD-ROM dazu gibt). Also,
falls es eine Nachauflage gibt, unbedingt anschaffen!
Das zweite Highlight im vergangenen Jahr steht dem ersten in keinster Weise
nach. Auch Va banque, herausgegeben von Klaus Schönberger
(www.klaus-schoenberger.de), erschien beim VLA/Verlag der Buchläden
Schwarze Risse-Rote Straße und ist 5,80 DM billiger und noch
käuflich zu erwerben. Nicht nur die autonome Öffentlichkeit
interessierte sich für die Geldräuber, sondern sogar die
Süddeutsche Zeitung veröffentlichte eine Rezension zu diesem Werk
(siehe SZ vom 20.4.2000), was aber für unsere Auswahl natürlich keine
Rolle spielte. Das Buch unternimmt abwechlungsreiche Ausflüge in die Welt
des Bankraubs und läßt uns das erleben, wovon wir immer
geträumt haben einmal Robin Hood zu sein. Auch wenn die AutorInnen
im Vorwort betonen, kein Handbuch für Banküberfälle haben
schreiben zu wollen, kribbelt es doch manchmal in den Fingern und mensch
wünschte sich, doch nur einmal dabei sein zu dürfen. Eingebettet in
theoretische, psychologische und historische Abrisse der Bankräuberei
werden ihre Akteure biographisch, in den meisten Fällen mit Abbildungen,
vorgestellt. Und alle genossen sie die Sympathie ihrer Zeitgenossen und auch
derjenigen, die erst heute etwas über sie erfahren. Vielleicht liegt es
daran, daß Bankräuber für eine Art sozialer Rebellion stehen,
die die gesellschaftliche Norm angreift und zusätzlich die Erfüllung
von Träumen möglich macht. Die Sehnsucht nach einem Ausbruch aus den
gesellschaftlichen Konventionen ist eine kollektive Phantasie, und so
träumt fast jedeR von einem neuen Anfang und dem großen Coup.
Übrigens glaube ich, daß jeder Akt gegen die Gesellschaft ein
politischer ist. Allen voran das Stehlen. Ich rede nicht vom gemeinen
Diebstahl, der, legal oder nicht, darin besteht, arme Leute zu überfallen,
sondern vom STEHLEN, einst erbliche Tugend und traditionelle Kunst ... und
überragende Hoffnung des Menschen, sein Ziel mit seinen eigenen Mitteln zu
erreichen. Die anderen Möglichkeiten heißen: Pferderennen und
Lotto. (Albert Spaggiari, 1976) Solche und ähnliche Bekenntnisse von
Bankräubern aller coleur zitieren die insgesamt 39 Autoren des Buches
besonders gern, denn im Sinne von Bertolt Brechts Was ist ein Einbruch in
eine Bank gegen die Gründung einer Bank? können sie ihre
Sympathien für einen clever ausgeklügelten Bruch kaum verbergen.
Während 1961 in Neustadt die BürgerInnen
gegen Schundliteratur das waren in ihren Augen Kriminalgeschichten, die
für die Zunahme von Banküberfällen verantwortlich gemacht wurden
demonstrierten, organisierten die Autonomen Jahre später eine
Kriminellenkongreß, auf dem Banküberfälle propagiert wurden.
Wahrlich überraschendeZusammenhänge, die sich erst nach dem
aufmerksamen Studium beider Bücher offenbaren...
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Natürlich wird auch nicht verschwiegen, daß es im Verlaufe der
Jahrhunderte, also mit der fortschreitenden Technisierung der Gesellschaft
immer schwieriger wurde, einen erfolgreichen Überfall zu inszenieren. So
büßte der motorisierte Bankräuber beispielsweise im Zuge der
Automobilisierung der Gesellschaft seinen Vorsprung bei der Flucht bald ein.
Die heutige Kontrollgesellschaft läßt für stilvolle, kreative
räuberische Aktivitäten kaum noch Spielraum. Heute muß mensch
angesichts Online-Banking und Kreditkarten nur noch geschickt am PC
manövrieren, um zu Reichtum zu kommen. Vorbei also die Zeiten der Knarren
und Schneidbrenner. Wem das Buch noch nicht genügt, kann sich mit Hilfe
der im Text angegebenen zahlreichen Internetadressen weitere Informationen
verschaffen. Es ist wirklich nicht nur ein inhaltlich interessantes Buch
geworden, sondern es ist darüber hinaus spannend geschrieben und fabelhaft
gestaltet. Das Autorenkollektiv bietet zusätzlich eine multimediale
Veranstaltung durch die Welt des Bankraubs an. Leider sind momentan keine
Termine mehr zu bekommen. Wäre ja auch für Euch mal eine willkommene
Abwechslung gewesen, den drögen Buchrezensionen zu entfliehen. Aber macht
euch keine falschen Hoffnungen. Wir werden Euch natürlich auch in diesem
Jahr weiterhin in jedem Heft mit den Büchern nerven, die die Welt (nicht)
braucht ...
Anne
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