home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[73][<<][>>]

kultur-logo, 6.8k

, 0.0k

Wertfreiheit galore

, 0.0k

Mit „Student!“, der neuen Campus-Postille der Leipziger Uni, erhält Belanglosigkeit einen neuen Namen. Das ist sogesehen nicht die Bohne einer Berichterstattung wert, doch leider begreifen sich die MacherInnen, so wirkt es, als Speerspitze kritischen Denkens. Wenn sie da, wie die meisten ihre Kommilitonen, mal nicht mächtig falsch liegen...

Seit den 68ern sucht man bekanntlich vergeblich nach kulturell- oder politisch Verwertbaren in, an und um der Uni. Maximal in denunziatorischer Absicht findet heute das Attribut „studentisch“ noch Verwendung, was sowohl angesichts ästhetischer Defizite als auch praktisch nicht existierenden Reflexionvermögens seine absolute Berechtigung hat. Von dem unmöglichen Benehmen in Kneipen und Clubs mal ganz abgesehen. Sarkasmus und Spott bezüglich aller Aspekte studentischen Lebens sind daher stets angebracht.
Da sehnt man sich vergebens nach angloamerikanischen Modellen, die einst naiverweise herbeigezaubert werden sollten(1) – nach politisch organisierten Gruppen, MigrantInnenzusammenschlüssen und militanten Qeeraktivisten. Studentenunruhen und Institutionskritik sind passe, gehören mittlerweile nicht mal mehr zum radical chic des Campus-Lebens. Heute wird an den Unis nach innen demonstriert, sozusagen interdisziplinär, für eine konkurrenzfähige Bildung im nationalen Bezugsrahmen. „Der Student (...) ist eine provisorische Rolle, die ihn auf die endgültige vorbereitet, die er als positives und bewahrendes Element im Warensystem erfüllen wird.“(2) Für immer verloren in der Unmündigkeit.
Wie das „who is who“ studentischen Lebensgefühls liest sich auch Student!, Ausgabe 12/00. Unter dem Label – kritisch: ja, abhängig: nein – demonstriert das Blatt einerseits, und persifliert sich dabei unbewußt selbst, seinen pluralistischen Ansatz, zum anderen seine Ideologiefeindlichkeit, ohne auch nur im geringsten wahrzunehmen, wie implizit bürgerlich Altbackenes das Bild bestimmt. Low Intensity-Journalismus, angereichert durch Unmengen Metaphern, Differenzierung noch und nöcher und Abgrenzung zu radikal anmutenden Konzeptionen. Das schlimme dabei ist, man versteht sich vermutlich als links, als neue emanzipatorische Kraft im Backclash rechter Traditionalisten. Das meinen zumindest die LeserbriefschreiberInnen, die die Linkslastigkeit anprangern und lamentieren: „...das Blatt liest sich wie linke Propaganda und damit absolut bescheiden.“ Wenn dem so wäre, besäße die Linke StudentInnengruppe (lsg), meistgehaßtes Objekt von Mensa bis Seminarraum, zumindest den Status einer RAF, schön wär’s. Kritisch berichten heißt, jedenfalls nach Student!, Neutralität und Wertfreiheit als oberstes Ziel gegen die theoriebehaftete Kaltwetterfront weniger linker Diskursler einzusetzen. Insofern verwundern auch nicht Zitate wie folgendes anläßlich des 24 Stunden-Aktionstages „gegen Gewalt“, organisiert von Leipziger StudentInnen: „Den Aktionstag stellten die Studenten ohne die Hilfe (...) von ideologisch gebundenen Gruppen auf die Beine (...) schließlich wollten wir uns nicht für irgendwelche Propaganda instrumentalisieren lassen.“ Hätten sie das mal getan...
Was bleibt, ist eine auf allen Ebenen sichtbare defizitäre studentische Selbstdefinition, die sich noch um einiges strapaziöser liest als das jährliche Uni-Special des Kreuzers, der Waschsalontest sticht da noch heraus. Projeziert man die Zeitung Student! auf den Rahmen, in dem sie sich bewegt, ergibt sich daraus auch, daß eine Annäherung an das studentische Dasein aus linker Perspektive praktisch unmöglich ist. Das Vorhaben der Etablierung einer gegen-institutionellen Kritik, die ambivalent auch noch hedonistische Elemente einbaut, ist angesichts der Situation eigentlich nur noch lächerlich. Kulturelle und politische Opposition im Umfeld der Uni zu suchen, kommt deshalb der berühmten Nadel im Heuhaufen gleich. Viel Spaß dabei wünscht Lars

Cover, 21.8k
kritisch: ja, abhängig. nein – Student!, die neue Diskurs-Postille an der Uni.

Fußnoten:
(1)siehe Spex 5/96, Gegen die Uni studieren.
(2)aus: „Über das Elend im Studentenmillieu...“ in: Die Beute Neue Folge/ 2


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[73][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007