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Der nachfolgende Text entstammt der Zeitschrift 17oC – „Zeitung für den Rest“ Nummer 11/1995. Er bringt in aller Kürze jene Essenz hervor, die klarstellt, daß Pop nichts anderes als kulturindustrielle Vergesellschaftung im Kapitalismus ist. Der Text gilt gemeinhin als Schlüsseltext und Bezugsgröße, wenn es um den Abgesang auf die Pop-Linke geht. (Siehe auch Ralfs Text „Die Macht des faktischen Dabei-Seins“ hier im Heft.)
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From substream to mainculture

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Das endgültiger Ende des Subversionsmodells Pop-SubkulturTM

1. Es gibt heute keine KULTURELLE Opposition zur Kulturindustrie mehr, die nicht selbst bereits Teil der Kulturindustrie wäre. Das Subversionsmodell „Pop“ ist in das impliziert, dem es sich dem Anspruch nach widersetzt: „Kulturelle/Künstlerische Opposition“ kann nicht mehr als Transzendenz der Kulturindustrie gedacht werden und Ziel einer Kritik kann nicht die Erringung kultureller HEGEMONIE sein (was weder möglich, noch erstrebenswert ist). Wer die Kulturindustrie kritisiert, muß deshalb an ihr zugleich teilhaben und nicht teilhaben. Der Selbstbewegung des Objekts vermag nur zu folgen, wer es kennt, ihm aber nicht vollkommen angehört. Solange die dissentierende kulturelle „Subversion“ darauf verzichtet, die Verhältnisse wirklich anzugreifen, ist sie – auch gegen gutgemeinte Intentionen – eine Form des Sich-Einrichtens in den Strukturen. Selbstbeschränkung auf kulturelle Kritik ist eine Handlung, die auf Machtpartizipation hinausläuft, auf Macht IN der Kulturindustrie und damit auch auf die fortbestehende Trennung geistiger und körperlicher Arbeit (nach Adorno die verleugnete „Erbsünde der Kunst“).

2. Die „Machtfrage“ wiegt schwerer, als daß sie durch (symbolische) „Subversion“ zu lösen wäre. Mit der Entwicklung der jeweiligen Reproduktionsformen des Lebens (und nicht nur der herrschenden Machtstrukturen) wird die Potentialität von Macht mitentwickelt. Dagegen muß mehr aufgefahren werden als „Gegendiskurse“ und „Subversion“. Solche Konzeptionen, die zunächst als Reaktion auf die „politischen“ Beschränktheiten traditioneller linker Organisationen entstanden (wie etwa bei Foucault), verkamen letztlich zur Geste und wurden damit selbst zur großen Verhinderung einer Kritik des Politischen. Der Beschränkung der einen auf die „kulturelle“ Kritik entspricht die Beschränkung der anderen auf die „politische“ Kritik. Beide Varianten ignorieren den ZUSAMMENHANG von Kultur & Imperialismus, wie ihn z.B. Said beschrieben hat und dem, weil er keiner von Basis und Überbau ist, weder mit „kulturalisierter Politik“, noch mit „politisierter Kunst“ beizukommen ist.

3. Von Frank Zappa bis Jeff Koons haben schon viele gezeigt, daß auf dem Boden von Kunst & Pop keine Rebellion zu gewinnen ist. Aber noch diese Feststellung selbst (die als abweichende Meinung abermals verkäuflich ist) nährt einen Diskurs, der von der allseits beliebten Unterstellung lebt, die reale Anpassung sei nur verhinderte (vereinnahmte, reterritorialisierte) Rebellion. Der bewußt ahistorisch gehaltene Reterritorialisierungs-Diskurs (der nie von politischer und militärischer Unterdrückung spricht) ist ein Blanko-Zertifikat, das pauschal und unspezifisch allen, die daran interessiert sind, ein rebellisches Interesse bescheinigt. Das Thema können die Besitzer dieses Zertifikats selbst eintragen. Eine Unterscheidung zwischen wirklich riskanten Rebellionen (und den konkreten Gründen ihres Scheiterns bzw. ihrer Unterdrückung), Rebellionen, die jederzeit abgebrochen werden können, und elitären Rebellionen, bei denen die Stilisierung zum Außenseiter dazu dient, die dominierenden Eliten zu verdrängen, ist in diesem Konzept ausgeschlossen. Durch die Abstraktheit des Konstrukts erübrigt sich zudem die Betrachtung des KONKRETEN Falls (Wie genau kam es denn – z.B. bei Techno – zu einem „Vereinahmungsproblem“? Wer hat wann wie konkret gehandelt?)

4. Wer an das Subversionsmodell „Pop“ immer noch ernsthaft glaubt, muß sich in einer Welt aus Verrätern wähnen: Portraits von linken Musikern in Springer-Zeitungen, Nachtsendungen mit Helden der Subkultur bei VOX, Vorstellung von Dancefloor-Jazz-Clubs in Sportswear-Magazinen, trendsetzende Clubmacher mit ihren Videos auf VH-1, MTV-Werbung im Zentralorgan der Gegenkultur, „Street Sound Systems“ bei VIVA, Kooperationen zwischen Kleinstlabeln und Majors, Alternative Rock bei WEA, Subversionstheoretiker im Spiegel und die Insidertips als Platte des Monats’ in Prinz. Das kulturelle Subversionsmodell (Wir sprechen hier nicht von real Marginalisierten, sondern von freiwilligen Outsidern: „Music for you and me, not for the industry“/Biohazard) ist so angelegt, daß der Prozeß des Zu-sich-selber-Kommens des Pop als Verfallsprozeß erscheinen muß. Die damit einhergehende Entrüstung über „zunehmenden Verrat“ und sich „ausbreitende Käuflichkeit“ befördert wiederum die Suche nach Unmittelbarkeit, unverfälschter Authentizität und glaubwürdigen Idolen. Auch Zyniker, die die PR-Bündnisse und Karrierestrategien von „Künstlern“ und „Kulturkritikern“ selbst wieder zum gut bezahlten Kunstthema machen, pushen letztlich nur den Glauben an eine verborgene und daher freizulegende Wahrheit der Kunst. Jede „Entlarvung des Verrats“ bleibt in der Logik der Sache stecken. Die Kritiker und Ideologen des „Vereinnahmungsproblems“ (auch Trendscouting ist keine Vereinnahmung!) outen sich am Ende als die letzten romantischen oder abgebrühten (ihre Interessen schützenden) Verteidiger des Subversionsmodells. Auch unser Ärger über Leute, die ihre „Dissidenz“ an MTV verkaufen, droht immer vom heiligen Glauben an den guten Ursprung eingeholt zu werden.

5. Das Subversionsmodell „Pop“ ist heute dort angelangt, wo die Kunst in den 60er Jahren mit Pop-Art angelangt war: Am Ende der Fahnenstange. Damals hatte sich die künstlerisch-kulturelle Moderne endgültig erschöpft. Die Pop-Art der 60er Jahre legitimierte erstmals Inhalte von Populärkultur und Massenmedien und veränderte dadurch, daß sie den Massengeschmack nicht mehr läutern wollte, nicht nur den high-culture-Status der bildenden Künste, sondern demontierte auch die traditionell gewordenen Avantgardekunstproduktion. Mit dem Übergang von Pop-Art zu Art-Pop ging die Stafette an die sich herausbildende youth culture über, die den Kunst-Diskurs noch einmal im Schnelldurchgang (aber bereits innerhalb der Kulturindustrie) nachspielte und die, nachdem sie selbst einen Kanon und schichtenspezifische Rezeptionsniveaus (spätestens seit „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“/1967) produziert hat, reif für die Uni („Kulturwissenschaften“) und das Bündnis mit dem Kunstbetrieb ist, dem der Gegensatz „avantgardistisch“ versus „traditionell“ bzw. „epigonal“ längst als überholt gilt.

6. Pop-Subkultur als Subversionsmodell ist strukturell nicht mehr möglich, das wissen die Ideologen oft besser als das Publikum. Ein Gegensatz zwischen kulturellem „Underground“ und (angeblich homogenem) kulturellem „Mainstream“ existiert schon lange nicht mehr. Mit dem beruflichen Aufstieg der 80er-Jahre-Rebellen ist das Thema Subkultur konkret abgeschlossen. Aber das bedeutet nicht, daß avantgardistisch-subkulturelle Gesten keine materielle Basis mehr hätten. Die theoretische Erkenntnis ist nicht das gleiche wie die soziale Wirklichkeit. Die massenkulturellen Praktiken absorbieren angesichts des sozialen Abgrenzungs- und Unterscheidungszwanges die alten hochkulturellen Praktiken und reproduzieren deren hierarchische Differenzierung. Wir haben es mit einem soziokulturell-ökonomischen System zu tun, das immer vielfältigere Muster hervorbringt, das diese Mannigfaltigkeiten gegeneinandersetzt, hierarchisiert und sich in den Konkurrenzen zwischen ihnen aufrechterhält. Es gibt daher heute hohe, mittlere und niedrigwertige Pop-Kultur und somit auch im Pop Raum für hochkulturelles Künstlerverhalten und Avantgarde-Praktiken. Nur ist das heute deutlicher als Klassenkampf-Prinzip erkennbar. Der „Underground“ wird uns überdies auch deshalb erhalten bleiben, weil die Kulturindustrie viel Geld in diesen Mythos investiert hat. „Pop-Subkultur“ ist heute ein Industrieprojekt. Die Underground-Mainstream-Dichotomie wird von der Kulturindustrie als unverzichtbares Identifikationsangebot gesponsort. Wer daher Pop als Subversionsmodell konservieren will, bejaht auch den Erhalt seiner kapitalistischen Voraussetzungen. Wer es ablehnt, muß jedoch, soll diese Ablehnung nicht reaktionär ausfallen, zugleich eine andere Gesellschaft wollen.

Die Redaktion


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last modified: 28.3.2007