Treffend bezeichnete eine Erklärung des Conne Islands zum
Pop-Festival im Werk II die Veranstalter sowie große Teile der Akteure
und Rezipienten der neuen Beiträge zur Deutschen Popkultur als
Vertreter einer Neuen Deutschen Weichheit. Während hier an der
nationalen Eindeutschung des Pop noch fleißig gewerkelt wird, ist sie
andernorts längst Realität. Ein Blick auf die
konsequentere Fraktion.
Der Begriff Neue Deutsche Härte wird seit
geraumer Zeit gehandelt, die Entrüstung um die Verwendung
Riefenstahlscher Bilder in Rammsteins Video Stripped ist
abgeklungen. Indes hat der deutsche Exportschlager namens Teutonenrock nichts
Alte deutsche Härte |
an Aktualität verloren. Plazierungen in den oberen Rängen der
deutschen Hitparade von Bands wie Böhse Onkelz, Rammstein etc.
veranschaulichen die ungebremste Beliebtheit des in Musik gegossenen
Stumpfsinns in weiten Teilen der deutschen Hörerschaft. Die Präsenz
rechtsextremer Musikprojekte aus der Neo-Folk-, Dark-Wave- oder Industrialszene
auf dem diesjährigen Wave-Gotik-Treffen in Leipzig (u.a. Death in June,
Von Thronstahl etc.) und ihre teils euphorische Rezeption durch nicht nur offen
auftretende NS-Verehrer belegen den Unwillen von Veranstaltern, diesem Treiben
einen Riegel vorzuschieben. Auch die Musikindustrie distanziert sich nicht: Der
durch antisemitische Ausfälle ins Licht der (dürftigen) Kritik
geratene ehemalige Weissglut-Sänger Josef Klumb erhielt jüngst beim
Sony Label Dragnet/Epic einen neuen Vertrag und wurde von auflagenstarken
Magazinen wie Zillo, Rock Hard oder Metal Hammer vehement verteidigt.
Inzwischen existiert gar ein Buch, in dem Rock Hard-Redakteur Wolf-Rüdiger
Mühlmann die Verteidigung des als Phänomens gehandelten
Drecks der Neuen Deutschen Härte in Angriff genommen
hat.(1)
Es ist lange darüber diskutiert worden, inwieweit die bekennenden
Patrioten um Rammstein, Keilerkopf, Die Schinder, Richthofen, Totenmond, Oomph!
etc. pp. denn nun Nazis seien oder nicht. Außer im exponenten Fall Klumb
lassen sich Verbindungen ins rechtsextreme Lage nicht nachweisen. Doch darum
geht es auch nicht; das Kapitel Nazi- oder Rechtsrock, das in puncto Relevanz
und Umfang ohne Mühe einen eigenen Artikel rechtfertigen würde,
funktioniert ohnehin nach anderen ideologischen und ökonomischen
Kriterien. Vor dem gesellschaftspolitischen Hintergrund jedoch wird die
martialisch zur Schau getragene und ausnahmslos positiv verstandene NEUE
DEUTSCHE HÄRTE allemal politisch. Die Verknüpfung musikalischer,
thematischer und ästhetischer Aggressivität richtet sich dabei nicht
Neue deutsche Härte |
gegen die Gesellschaft, sondern ist eher getreues Echo der täglich via
Boulevardmedien inflationär gestreuten Themen denn Ausdruck der eigenen
Reflektionsfähigkeit. Verstärkt um den Rückgriff auf Deutschsein
und Männlichkeit, z.T. sogar offen faschistoide, immer aber
totalitäre Ästhetik, läuft die von Inhaltsleere und
Authentizitätslosigkeit geprägte Szene zudem Gefahr, den
kulturpolitischen Strategien der richtigen Nazis den Weg zu
bereiten. Längst ist Popkultur als wichtiges Terrain im Kampf um die
Machtfrage auf kulturellem Gebiet begriffen worden, die
Herausbildung einer rechten Gegenkultur und Alternativkultur im
Gange. Zum überzeugten Nationalsozialisten wird sich dank Rammsteins
Riefenstahl-Adaption wohl keiner der überwiegend jugendlichen Hörer
(soweit sie es nicht schon sind) entwickelt haben. Zur Repopularisierung
faschistischer Ästhetik und zur großen Freude rechter Strategen
tragen sie damit trotzdem bereitwillig bei. Das
Deutsche bei Rammstein, triumphierte die Junge Freiheit vor
drei Jahren, dient als Chiffre und Symbol des Unheimlichen, auch als
ironisches oder provokantes Zitat. Sie sind [...] Symptom eines
ästhetischen Paradigmenwechsels, der allmählich, sehr allmählich
stattfindet.
Das vermeintlich Provokante ist insbesondere Rammstein und ihren
Kollegen von ihren Anhängern immer wieder bescheinigt worden. Worin aber
liegt die Provokation, wenn Teutonenrocker lediglich
das ausdrücken, was in der überwiegenden deutschen
Bevölkerungsmeinung ohnehin Konsens ist? Am Beispiel Kraftwerk, die
oberflächlich betrachtet ähnlich den Rückgriff auf
faschistisch-konnotierte Themenfelder wagten, wird der Unterschied deutlich:
Während Kraftwerk durch hysterische Übertreibung und einen
beispielhaften Ikonoklasmus auf eine Auflösung ideologischer Strukturen
hinarbeiteten, repräsentieren die Keilerköpfe und Schinder der Nation
den gesellschaftlichen Konsens und liefern mit ihrer neuentdeckten alten
Version von Härte nur die eindimensionalste aller
Provokationen.(2) Der politische Kontext, in dem sich Rammstein und
Konsorten auf Deutschland und die Nation beziehen, ist eben nicht mehr der der
Studentenrevolte von 68 oder des Kniefalls Brandts in Warschau, sondern
der von brennenden Flüchtlingsheimen, der federführenden deutschen
Kriegsbeteiligung im ehemaligen Jugoslawien und dem grassierenden Arbeits- und
Ordnungswahn.
Auf die Frage, wie der Teutonenbrimborium denn nun letztendlich
rezipiert wird, antwortete der taz-Schreiber Daniel Bax kürzlich,
daß es ein Rammstein-Fan nicht als Widerspruch empfinden muß,
[gleichzeitig] Sabrina-Setlur-Poster aus der Bravo zu sammeln. Zur
Veranschaulichung, wie weit die nationale Jugendkultur inzwischen zu fassen
ist, kann ein weiteres Beispiel dienen, das ich Anfang des Monats im Leipziger
Straßenbild zu sehen bekam: Der jugendliche Hip-Hopper im
freundschaftlichen Gespräch mit seinem offensichtlichen Mitschüler,
der über und über mit SS-Runen, 88-Abzeichen und
ähnlichen NS-Devotionalien behangen war.
Es liegt an uns, inwieweit Pop und Popdiskurs wieder mit linken Inhalten und
der Absage an das Nationale gefüllt werden können. Ein Festival mit
dem Titel Neue Beiträge zur Deutschen Popkultur ist dabei der
falsche Weg.
Philipp
Fußnoten:
(1)Wolf-Rüdiger Mahlmann, Letzte Ausfahrt Germania: Das
Phänomen der Neuen Deutschen Härte, Berlin 1999. So läßt
er Josef Klumb über mehrere Seiten hinweg Stellung beziehen und seine
antisemitisch-esoterischen Ansichten unkommentiert wiederholen.
(2)Vgl. in diesem Zusammenhang den sehr lesenswerten Artikel von Ulf
Porschardt, Stripped. Pop und Affirmation bei Kraftwerk, Laibach und Rammstein.
Abgedruckt in: Jungle World #20/1999 (Dossier) und Die Beute #3/1999.
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