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Die Böhsen Onkelz haben eine neue Platte gemacht und landeten wieder prompt auf Platz 1 der Charts.
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Hass statt Gitarren

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Ein Raunen geht durch den Metalblätterwald. Die Böhsen Onkelz veröffentlichen ihr neuestes Machwerk und ein Buch gibt’s auch noch. Die ewig „Mißverstandenen“ und „Underdogs“ aus Frankfurt erzählen in diversen Interviews gebetsmühlenartig darüber, wie gebeutelt und geknechtet sie sich in ihrer Jugend fühlen mußten. Da wird über schlechte Erfahrungen mit Türkengangs gesülzt und auch gleich noch der Song „Türken Raus“ als Dummheit und wechselweise Provokation bezeichnet. Man sei nie im engen Sinne Rechts gewesen und überhaupt gute Demokraten und wenn die schlimme Kindheit nicht so hart... und so weiter.

Und heutzutage darf man sich auch in der Opferrolle sonnen, weigern sich doch einige große Musikmärkte, die Werke der Böhsen Onkelz zu vertreiben. Auch die böse Antifa gibt sich nicht zufrieden. Und die anderen Gegner der Band erst. Diese entsenden leider Gottes immer noch mehr oder weniger kahlgeschorene Jugendliche zu den Konzerten, die manchmal auch boehse onkelz, 8.3k nicht davon abzuhalten sind, das mit dem „Türken Raus“ ein bißchen ernst und in die eigene Hand zu nehmen. Weswegen auf der neuen Platte gleich noch ein Liedchen darüber verfertigt wurde; mit dem Namen „Ohne Mich“. „Natürlich werde ich mit dem Song jetzt nicht die Welt verändern, aber man verschafft sich ein wenig Luft und tritt diesen Leuten mal auf den Schlips.“(1) Man kann sich da auch gleich ein wenig fremdengehaßt fühlen.
Nein, wirkliche Nazis waren die Onkelz nie, jedenfalls keine mit Hakenkreuzarmbinde und Totenkopfsticker. Und auch keine mit, wie es im Sozialarbeiterdeutsch so schön heißt, einem festgefügten rechtradikalen Weltbild. Dumpfe Rassisten sind’s freilich doch im Sinne deutscher Stammtische.(2)
Nach ihrem Abschied aus der Skinszene, an deren rassistischer Ausrichtung sie mitgewirkt haben (in dem Falle besser Boneheadszene), wurde als neue Klientel der gemeine Metal und Hardrockkonsument entdeckt und mit dieser Ausrichtung klappte es dann auch wirklich mit den Verkaufszahlen. (Die Marketinghilfe des Rock Hard sei hier noch am Rande erwähnt.) Und Metal-kompatibel sind sie mittlerweile vom Habitus bis zur Musik. Aber wirklich interessant sind andere Komponenten des Phänomens. Da wäre zum Beispiel die oft gehörte Entschuldigung, daß jemand, der hunderttausende Platten verkauft, kein Rassist sein könne. Es gab eine Zeit, da konnte man die Onkelz aufgrund der Konsumenten guten Gewissens als Drei-Drittel-Band bezeichnen. Die Klientel bestand aus einem Drittel Faschisten jeglicher Coleur, aus einem Drittel nicht offenkundiger Rassisten und einem Drittel Antirassisten und gab damit einen ziemlich genauen Spiegel der Metal- und Hardrockszene ab. Diese Gewichtung hat sich meines Erachtens verschoben. Das Drittel Antirassisten dürfte um bandfoto, 11.7k einiges kleiner geworden sein zugunsten derjenigen, die man den nicht offenkundigen Rassisten zuordnen kann (der Ausdruck „nicht offenkundiger Rassist“ bedarf näherer Erläuterung)(3). Diese Mainstreamtauglichkeit und die mitgelieferten Codes sind um einiges deutlicher als jede Jungwählerumfrage. Wie D. Diederichsen schon schrieb: „Rock (und andere Musikformen) können nichts gegen Rassismus tun, sie können aber dafür sorgen, daß überall da, wo sie ästhetisch zweideutig sind (und sein müssen), nicht rassistisch decodierbar werden.“ Und da bleibt nur anzufügen, daß die rassistische Decodierbarkeit in heutigen Produkten nicht nur auf Zweideutigkeiten beruht, sondern bewußt oder unbewußt schon mitangelegt ist (Rammstein, J. Witt)(4). Die soziale Lage vieler sich benachteiligt fühlender Jugendlicher wird auf das Wirken finsterer Mächte, wahlweise Asylanten, Spekulanten, die Presse usw., d.h. auf Sündenböcke zurückgeführt. Nichts anderes werden auch die Onkelz nicht müde zu behaupten.
Als weiterer Aspekt wäre zu untersuchen, inwieweit die von naiven und von sentimentalem Sozialschmonzes nur so strotzenden Texte den Boden für unsägliche Nazibarden à la Rennicke bereitet haben. Songs wie „Nur die Besten sterben jung“ sind vom Ansatz her mehr als nah an diversen Machwerken über „heldenhafte“ deutsche Soldaten und schönes „arisches Vaterland“(5) dran als zunächst scheinen mag. Unter dem Mantel des wie auch immer gearteten Rebellen wird einer Konformität mit überkommenen Werten gehuldigt, die einen gruseln macht. Es gilt nicht das „wir sind die vor denen unsere Eltern uns immer gewarnt haben“ sonder das „wir sind Perfektion dessen, was sich unsere Eltern immer wünschten“. Aber zurück zu den Sentimentalitäten, die nämlich ordnen sich gut zwischen volkstümelnder Musik, Schlager und Nazirock ein. Unterschiede ergeben sich nur in der Wahl des Sujets und der musikalischen Mittel. Wobei in der Rubrik Nazirock die Entwicklung immer mehr in Richtung Hardrock geht (siehe einschlägige Mailorderkataloge, z.B. Europa Vorn). Der arme Unterdrückte wehrt sich, wird mißverstanden, und irgendwann geläutert, soweit die gängige Vorstellung. Richtig ist dagegen, daß die Onkelz zur Stadionrockband werden konnten und im Gegensatz zu anderen derartigen Produkten der Unterhaltungindustrie sowohl rassistisch als auch nichtrassistisch decodierbar und damit goutierbar sind. Und der von ihnen immer behauptete rebellische Habitus entpuppt sich als der eines wildgewordenen Spießers und dieser tritt wie bekannt am liebsten nach unten, ist latenter Rassist, homophob, liebt sein Haustier(6) usw. Wenn volkstümliche Musik das politische Unterbewußtsein der Kohlära darstellt, wie G. Seeßlen(7) schreibt, dann sind die Onkelz das Pendant dazu im Rockgeschäft. KAY

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Anmerkungen:

(1)Rock Hard 9/98, Stefan Weidner: „Das müssen wir in Kauf nehmen, aber ich denke, die Onkelz sind nicht dazu da, allen nach der Schnauze zu reden. Zumal wir politisch zwischen diesen beiden Lagern stehen. Die Rechten behaupten, daß wir linke Verräter sind, während wir für die Linken Faschisten sind. Für mich war es mal an der Zeit, klarzumachen, daß mir beide Seiten, die im Prinzip mit den gleichen Mitteln arbeiten, absolut gegen den Strich gehen und daß man mit Gewalt und Denunzierungen nicht weit kommt. Natürlich werde ich mit dem Song die Welt nicht ändern, aber zumindest schafft man sich damit ein bißchen Luft und tritt diesen Leuten mal auf den Schlips.“
(2)Rassismus deutscher Stammtische umfaßt alle Spielarten zwischen „Juda verrecke“ und „eigentlich sind die Ausländer garnicht schlecht, wenn sie nicht...“
(3)Diese Sorte gehört in der nach oben offenen Stammtischskala ins untere Drittel derselben
(4)siehe dazu im speziellen das Video zu „Die Flut“
(5)dazu empfiehlt sich vergleichendes Hören, irgendein Stück von Rennicke und der besagte Onkelz-Song
(6)kleine Anektode am Rande: Mir wurde berichtet, daß der Pittbull eines Bandmitglieds von Interessierten in Frankfurt entführt wurde und nur gegen Zahlung eines Lösegeldes an eine Antirainitiative wieder freikam
(7)in „Volkstümlichkeit – über die gnadenlose Gemütlichkeit im neuen Deutschland“ S.11


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last modified: 28.3.2007