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„Arbeit macht frei“.

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Weil Herr Hermanni 5.500 LeipzigerInnen per Zwangsarbeit aus der Arbeitslosigkeit befreite, befreiten sie ihn mit 140.000 DM aus dem Knast.
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Wer wissen will, wo sich deutscher Arbeitswahn, Verschwörungstheorien, Identifizierung mit den Herrschenden und Ausbeutern, Selbstaufopferung und absurde Identitätskonstruktion aufs vortrefflichste vereinen, wer also wissen will, wo sich das am besten reproduziert, was den deutschen, nationalistischen Sonderweg seit Jahrhunderten ausmacht, darf nicht nach Leipzig-Grünau schauen. Die dort lebenden Nazis prügeln zwar für „Arbeit nur für Deutsche“, sind aber selbst weder willens noch fähig „ordentlich“ zu arbeiten – Nazis halt. Nein, unser Interesse sollte Leipzig-Leutzsch und dem dort ansässigen Betrieb für Beschäftigungsförderung (bfb) gelten.
Hermanni, 11.6k
Konnte im Knast das erste Mal ausschlafen: Hermanni mit seinem Haus, dessen Aussehen diese Tatsache hinreichend erklärt.
Der bfb ist in kommunaler Hand, mit 5.5000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Leipzig – 5% aller LeipzigerInnen haben in ihrem Leben schon mal beim bfb gearbeitet – und der Betrieb, der wohl am ehesten die Prädikate multikulturell, ökologisch und staatssozialistisch verdient: der Ausländer- und AussiedlerInnenanteil ist höher als in allen anderen Firmen Leipzigs (von ausländischen Spezialitätenrestaurants mal abgesehen); es wird ökologisch wahlweise biodynamisch gelandwirtschaftet, gezüchtet, geschlachtet, geforstet, gekocht, verkauft, lackiert usw.; die Arbeitsorganisation, -moral, -verwaltung, -mittelausstattung, -bezahlung und auch alles weitere erinnern an die DDR und haben mit freier Marktwirtschaft und Kapitalismus nicht viel zu tun. Das wissen auch alle Beteiligten, z.B. die Leipziger und Sächsische Handwerkskammer, die sich in regelmäßigen Abständen über die „kriminellen Machenschaften“ des bfb ereifern, die Beschäftigungsverhältnisse als Schwarzarbeit titulieren und die Verantwortlichen hinter Schloß und Riegel wissen möchten, weil der bfb entgegen seiner gesetzlich vorgeschriebenen Selbstbeschränkung, der freien Wirtschaft keine Aufträge wegzunehmen und dadurch Arbeitsplätze zu zerstören, dies trotzdem permanent tut. Auch Hermanni, CDU-Mitglied und dank einer alten Hannoveraner Seilschaft mit ex-OBM Lehmann-Grube seit Anbeginn Chef des bfb, ist so ehrlich zuzugeben, daß der Kapitalismus mitsamt seiner „Nebenwidersprüche“ ihm stinkt: „In der Jobbörse der Stadt wird bei Kellnerinnen inzwischen nach der Größe ihres Hinterns gefragt.“ (LVZ 2.7.98). Trotz Multikulti, Ökologie und Staatssozialismus oder gerade deswegen zeigen die bfb-Ereignisse der letzten Monate, welche gefährliche Mischung sich da zusammengefunden hat. Vorweg aber eine kurze Erklärung, was der bfb ist und tut.
Der bfb wurde nicht zufällig 1993 gegründet, denn im gleichen Jahr wurde das Bundessozialhilfegesetz dergestalt verschärft, daß u.a. SozialhilfeempfängerInnen unfreiwillig zur Arbeit gegen eine Aufwandsentschädigung von 2,- DM/Stunde herangezogen werden können und ihnen bei Verweigerung der Arbeitsaufnahme die Sozialhilfe erst gekürzt und dann ganz gestrichen wird. Die grundgesetzwidrige (Art. 12 GG) Gesetzesänderung schuf die Grundlage für die „Arbeit statt Sozialhilfe“-Programme, die in allen Städten aus den Boden schossen und anfänglich auf massive Kritik von Sozialverbänden, Gewerkschaften und der links-liberalen Öffentlichkeit stießen.(1) Inzwischen befinden sich bundesweit 250.000 SozialhilfeempfängerInnen zwangsweise in einem solchen Beschäftigungsverhältnis, das sind 30% aller arbeitsfähigen SozialhilfeempfängerInnen. Der Leipziger bfb war immer das Vorzeigeprojekt, weil hier alle SozialhilfeempfängerInnen zur Arbeit verpflichtet wurden. Gewünschter Nebeneffekt der Zwangsarbeit: Einsparung der Sozialhilfe bei jenen, die keine Lust haben beim bfb zu arbeiten und in der Logik der PolitikerInnen als SozialschmarotzerInnen gelten. Und Einsparungen für die Kommune, die langfristig die eigenen Kassen entlastet, da die SozialhilfemepfängerInnen nach einem Jahr Arbeit ein Fall für das Arbeitsamt sind und das Arbeitslosengeld aus Bundesmittel finanziert wird. Volkswirtschaftlich gesehen fährt der bfb also nur Verluste ein (180 Mio DM werden jährlich reingepumpt, 77 Mio DM erwirtschaft), die Stadt Leipzig profitiert aber in mehrfacher Hinsicht. Inzwischen ist der bfb in Leipzig omnipräsent: Es gibt keinen Platz, kein Gebäude, keinen Gutshof, der nicht vom bfb bewacht, saniert, bewirtschaftet, abgerissen oder sonstwas wird. Angefangen vom Werk II, dem Zeltplatz Auensee, der Kongreßhalle und dem Zoo über den Wildpark Connewitz, das Freibad Schönefeld, den Schwanenteich und die Dorfteiche in Lausen und Knauthain bis hin zum Leutzscher Fußballstadion, dem Sportplatz Lößnig, unzähligen Kindergärten, den ökologisch bewirtschafteten Stadtgütern usw.
Die Aufforderung beim bfb zu arbeiten enthielt früher den Satz „Arbeit bringt Freude und bedeutet Zukunft.“ Auch noch heute hat der bfb einen umfassenden sozialpolitischen Anspruch. Die MitarbeiterInnen können sich in diversen Kursen fortbilden, ihre Fahrprüfung machen, sich von SozialarbeiterInnen beraten lassen (was diese auch zwangsweise tun, wenn mensch nicht auf Arbeit erscheint), lernen, wie Bewerbungen geschrieben werden und in der monatlichen Betriebszeitung
total öko, 11.9k
Ernährt sich vom deutschem Naturjoghurt statt Coca-Cola: Mitarbeiter des Monats auf dem bfbÖkohof Mölkau.
Perspektive(2) nachlesen, was den Kindern in die Schule zu Essen mitzugeben ist („Generell lohnt es sich, Alternativen für die in der Werbung angepriesenen Riegel und Schnittchen zu suchen. Obst, Gemüse, Naturjoghurt und ungesüßtem Tee oder einer Schorle aus Wasser und Fruchtsaft sind vor Schokoriegel, Cola und ähnlichem Vorzug zu geben“), welche Ausflüge im Sommer lohnenswert sind („entlang des Elsterflutbeckens und des Naturlehrpfades an der Luppe Richtung Schkeuditz“) und wie „Eltern-Kind-Konflikte“ zu lösen sind („Wenn Nachbars Susi in der Schule lieb und fleißig ist, können wir das nicht auch von unserem Paul erwarten, dem das Stillsitzen viel schwerer fällt. Dafür spielt Paul super im Fußballclub.“).
In letzter Zeit wird der totale Zugriff auf das Freizeitverhalten der MitarbeiterInnen gewagt: Es gibt immer häufiger Betriebfeste (mit „Stimmungskanone Achim Mentzel“), eine Volleyballmanschaft und einen Selbstverteidungskurs für Frauen („Hilfreich, aber nicht zwingend, wäre dafür allerdings die vorherige Teilnahme am Fitnessprogramm für Frauen“), Kurse gegen „Erkältungskrankheiten und Erschöpfungszustände“, über gesunde Ernährung und Reiseziele in Süd-Europa, über „neue Impulse zur Körperpflege“ usw. „Man kann aber auch gemeinsam auf Wanderung gehen oder musizieren. Singen ist übrigens auch erlaubt.“ Andere Kurse haben den Titel: Katzen als Hausfreunde („Verwöhnen Sie ihre Katze auch ab und zu mit außergewöhnlichen Leckerbissen? Und leidet sie nicht manchmal darunter, zum Beispiel durch Übergewicht?“), Rauchen Last und Lust („Wollen Sie nicht auch mit dem Rauchen aufhören? Oder möchten Sie gern jemanden helfen, mit dem Rauchen aufzuhören, wissen nur nicht wie?“) oder Preiswert und schnell kochen („Wer steht nicht oft ratlos in der Küche, hat Hunger und Appetit? Aber der Kontostand ist nicht gerade freundlich gesinnt (...) Oder wer kann noch nicht einmal ein Spiegelei braten?“). Das entsprechende Programmheft kann es mit jeder Volkshochschule und jedem Seniorenclub aufnehmen. Damit auch niemand aus der Reihe tanzt, gibt es in bestimmten Bereichen monatlich verordnete Gespräche mit den SozialarbeiterInnen und wöchentlich unangekündigte Alkoholtests.
Daß solche Zumutungen nicht brüskiert abgelehnt oder zumindest ignoriert werden, sondern zur Totalindentifizierung führen, haben die letzten Monate gezeigt. 1997 kam es zu einer Anzeige gegen bfb-Chef Hermanni. Die Ermittlungen mündeten in einer Hausdurchsuchung Anfang Juni 1999 beim bfb und in den Privaträumen von Hermanni. Mitte Juni kam es zu einer erneuten Hausdurchsuchung. Der Vorwurf lautet: Untreue und Betrug. Der genannten Schadenssummen bewegen sich zwischen 140.000 und 600.000 DM, zuletzt war sogar von einem Schaden in Höhe von 900.000 DM zuungunsten der Stadtkasse die Rede. Eine Firma, deren Chef ebenfalls zur Hannoveraner Seilschaft gehört, hat Abrisstechnik an den bfb vermietet, der bfb die Rechnungen ordentlich bezahlt, die Maschinen aber nie gesehen. Dafür half die Firma Hermanni kostenlos beim Ausbau seines 1,15 Mio DM-teuren Privatgrundstückes.
Denunziation ist erste BürgerInnenpflicht.
Im Westen der BRD muß das Sozialamt Privatdetektive anheuern, um „SozialschmarotzerInnen“ ausfindig zu machen, d.h. Menschen, die unrechtmäßig Sozialhilfe beziehen. Im Osten funktioniert das anders. Wie der LVZ-Borna vom 27.07.1999 zu entnehmen war, zeigen sich die BürgerInnen beim Sozialamt gegenseitig an. Und zwar nicht etwa, weil sie wissen, der oder die bezieht Sozialhilfe und arbeitet nebenbei noch schwarz - daß es BlockwärterInnen gibt, ist nichts neues. Nein, die Briefe, die zuhauf beim Sozialamt eingehen, haben präventiven Charakter und zwar in der Form: Mein Nachbar/meine Nachbarin hat ein Auto, ein Handy oder teure Markenklamotten (von der LVZ als „sichtbare Luxusgüter bezeichnet“), bitte überprüfen sie, ob er/sie Sozialhilfe bezieht, und wenn das der Fall ist, dann kontrollieren sie doch mal, ob das mit rechten Dingen zugeht. O-Ton einer Anzeige, derer es allein in Borna fünf im Monat gibt: „Tag und Nacht hält er sich bei seiner Freundin auf (...ich bitte darum) die Verhältnisse des Herrn zu überprüfen, falls er Sozialhilfe bezieht.“ Das Sozialamt - erfreut über die gute Zuarbeit - kommt den Aufforderung immer nach: „Wir recherchieren natürlich und laden auch die Betroffenen ein, sofern sie Sozialhilfe beziehen“. Jedoch sei die „Zahl der berechtigten Anzeigen verschwindend gering“, d.h. die meisten der Denunzierten beziehen überhaupt keine Sozialhilfe. Da fragt sich natürlich der/die DenunziantIn, warum der/die Nachbarin sich ein Handy leisten kann. Nichtsdestotrotz ruft das Sozialamt zur weiteren Denunziation auf: „Unsere Behörde ist auf die Mitarbeit der Bürger angewiesen“. Die Sozialamtsleiterin weiß sogar zu berichten, daß sich Verwandte untereinander anzeigen. „Bei vielen, die im Wohngebiet wohnen, die auch arbeitslos sind und am Existenzminimum leben, liegen die Nerven blank“.
Was machen die MitarbeiterInnen? Da sie – beim bfb gibt’s nicht viel zu tun – den ganzen Tag BILD lesen, war davon auszugehen, daß sie sich getreu der Blattlinie „Über die großen Betrüger und Spekulanten wettern, um sich beim Underdog anzubiedern“ maßlos über Hermanni aufregen. Zumal ja in Deutschland selbst kleine Betrügereien von Leuten, die es wirklich nötig haben, nicht verziehen werden (siehe Kasten: „Denunziation ist erste BürgerInnenpflicht“). Hinzu kommt, daß Hermanni sich beim bfb und in freier Wildbahn wie ein Wildwest-Desperado aufführte („Die meisten Verfahren gegen mich werden eingestellt“ verkündigte er siegessicher nach einem anderen Prozeß im Mai 1999), seine Untergebenen im KREUZER-Interview mit Affen verglich („Der Affe im Zoo ist teurer“) und im SPIEGEL-Interview mit Tubennahrung („Die Leute werden uns oben in den kommunalen Etat hineingedrückt und wir drücken sie so schnell wie möglich wieder raus“) und somit nicht sonderlich beliebt war. Es kam aber alles anders: Am 18.11.1999 wird gegen Hermanni wegen Verdunklungsgefahr ein Haftbefehl erlassen, dieser jedoch gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Am 21.11.1999 wird er vom Dienst suspendiert. In der LVZ kocht die Wut der bfb-MitarbeiterInnen hoch: Karin (58): „Ich vermute eine Intrige aus den alten Bundesländern“ (Verschwörungstheorie Nr. 1, dabei ist eher die Existenz des bfb eine Intrige), Pierr (28): „Der bfb ist auf Grund seiner Größe vielen ein Dorn im Auge. Unsere Arbeitsplätze sollen zerschlagen werden.“ (Verschwörungstheorie Nr. 2, seit wann wird ein Betrieb aufgelöst, nur weil der Chef sich persönlich bereichert hat, bislang ist eher das Gegenteil der Fall). Trotzig erklärt Heike: „Was wir hier geschaffen haben, würden wir nicht so einfach aufgeben.“ Auf einer am 24.11.1999 einberufenen Personalversammlung in der Kongreßhalle erklären sich 3.000 MitarbeiterInnen solidarisch mit ihrem ex-Chef. Der Personalrat äußert auf den bfb-Seiten im Internet ( http://www.bfb.org) die Befürchtung, daß die Ermittlungen gegen Hermanni „einen weiteren Versuch darstellen, den bfb zu zerschlagen“ und droht, daß sie sich „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ wehren werden, wenn der bfb aufgelöst wird. An gleicher Stelle orakelt der Personalrat auch, daß „Interessen im Spiel sind, die wir nicht oder noch zu wenig kennen“.
Der OBM Tiefensee versucht die aufgebrachten bfblerInnen zu beruhigen: Er steht hinter dem bfb, eine Auflösung des bfb käme nicht in Frage, und er selbst betrachtet den Haftbefehl als überzogen. Dem bfb-Personalratschef Lippmann scheint dies aber nicht zu überzeugen und er erklärt, daß die MitarbeiterInnen des bfb „quasi als Kaution oder Gewährleistung jeder allein und auch alle gemeinsam die Haft anzutreten“ bereit sind. Leider hat sich die Staatsanwaltschaft nicht darauf eingelassen. Hermanni in Freiheit und dafür die 5.500 bfberInnen in Haft – und das möglichst auf Jahre – wäre die bessere Lösung gewesen. Was die Staatsanwaltschaft aber tut, ist, den Haftbefehl am 29.11.1999 gegen 12:15 Uhr zu vollziehen. Schon eine Stunde später versperren 400 Beschäftigte des bfb mit Tiefladern und Kippern die Straßen vor dem Amts- und Landgericht. Obwohl der gefährliche und unangemeldete Eingriff in den Straßenverkehr zwei Stunden dauert, leitet die Polizei nur den Verkehr um anstelle die Versammlung aufzulösen und die Chance, jetzt alle zu inhaftieren, beim Schopfe zu packen.
Alle Parteien im Stadtrat erklären ihr Interesse am Fortbestand des bfb. Und Lehmann-Grube will bei soviel Gemeinsinn nicht zurückstehen: Wenn die Arbeitswütigen sogar ins Gefängnis gehen würden, will er wenigstens auch einen kleinen Beitrag leisten: „Ich würde für ihn meine Hand ins Feuer legen“, erklärt er per LVZ und begründet es damit, daß Hermanni ein „sehr anständiger und sozial engagierter Mensch“ sei. Auf dem Foto in der LVZ ist Lehmann-Grube aber nicht im Feuer, sondern nur im Regen – und das auch noch mit Regenschirm – zu sehen. Kein Wunder, daß das die bfblerInnen nicht überzeugt und sie in der LVZ weiter rumgiften. Peter: „Das stinkt zum Himmel (...) Die wollen doch nur den bfb ausschalten.“ Nadine (21): „Ich glaube nicht, daß da krumme Dinger gelaufen sind.“ – obwohl es tagtäglich in der LVZ erklärt wird, was da so alles krumm und schief lief. Birgit: „Das ist doch alles an den Haaren herbeigezogen, was die Staatsanwaltschaft Hermanni vorwirft.“
Schild auf Demo, 23.6k
Demos von bfb-MitarbeiterInnen vor dem Amtsgericht (oben) und vor dem bfb-Gelände Kongreßhalle (unten): Wollen sich für ihren ex-Chef einsperren lassen bzw. ihr Monatslohn verspenden.

Demo, 11.4k

Hermanni geht es derweil mit seinem Sonderstatus im Knast sehr gut: Er spielt Doppelkopf und „habe seit längerem mal wieder richtig ausgeschlafen“ (Normalsterbliche werden im Knast 5:30 Uhr geweckt), verkündet der Anwalt. 800.000 solle er als Kaution aufbringen und er wäre wieder frei. Da Hermanni sein ganzes erschwindeltes Geld aber verbaut und verpraßt hat, weiß er nicht so recht, wie er den Betrag zusammenbringen soll. Kurz vor Weihnachten entscheidet das Oberlandesgericht, daß auch 250.000 DM reichen würden. Die MitarbeiterInnen des bfb sammeln wie verrückt – und, wie mehrfach betont wird, nicht wegen einer innerbetreiblichen Anordnung sondern freiwillig, was in diesem Fall sogar mal zu glauben ist –, Christen und ex-Aktivistinnen der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft bringen ihren Erfahrungsschatz ein, und es kommen 140.000,- DM zusammen. Das sind pro MitarbeiterIn 25,- DM. Der restliche Betrag kommt nicht etwa von Hermanni oder seiner Familie, sondern wird von anderen Personen gespendet, wie ex-OBM Lehmann-Grube. Am 23.12.1999 kommt Hermanni frei. Er gibt nur nüchtern zu Protokoll, daß dies sein schönstes Weihnachtsgeschenk wäre. Die verrückten SpenderInnen aus dem bfb dagegen bekommen sich vor lauter Freude nicht mehr ein.
Da gibt es nur eins: Auflösen und Abwickeln wie einst die Institution, die vorher auf dem bfb-Gelände in Leutzsch beheimatet war: Die Stasi.

Fußnoten:
(1)Dies hat sich deutlich geändert. Weil sich die meisten Linksradikalen in ihrer politischen Arbeit nicht mit sozialen Fragen auseinandersetzen, sind die einzigen, die wahrnehmbar gegen die Zwangsarbeit protestieren, die obskuren Wildcat-Gruppen. Die (ex-) Linksliberalen haben sich mit den Verhältnissen abgefunden, verteidigen den Arbeitswahn (siehe z.B. Stellungnahme der PDS in Leipzigs Neue vom 14.5.99 zum bfb) oder fordern eine Verschärfung (Sibylle Tönnies im junge Welt-Interview vom 12.11.96: „Es ist Unrecht, jungen Mädchen Sozialhilfe zu geben und ihnen auf diese Weise eine Existenz zu ermöglichen, die sie aus eigenen Kraft nicht mehr überwinden können.“)
(2)alle folgenden Zitate aus der Nr. 63, August 1999


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last modified: 28.3.2007