Es steht zu vermuten, daß die unsägliche
Retrokiste mittels Eigendynamik; oder besser: auf Grund fehlender Konstanten,
in jenen Konformismusbereich transferiert worden ist, der alle Vollidioten
dieses Deutschland eint: Guildo Horn und Schlager-Rattenschwanz erweisen sich
als günstiges Magnet. An ihnen kann sich der Rest dieser bekloppten Nation in aller Ruhe abarbeiten.
Der Weg für ein unbeschwerteres Dasein ist in dieser Hinsicht also weniger verbaut denn je.
Mit ihrem neuen Werk Juke-Box Alarm, dem dritten, obliegt es Stereo
Total aufzuzeigen, wie man bestimmten potentiellen Rezeptionskreisen den
Hörgenuß verdirbt. Sie tun das auf dem Ästhetikfeld des sogenannten Leichten Hörens.
Es scheint fast so, als würden sie intuitiv mit Whirpool Productions Front
gegen das Einerlei des Hörgenußes machen: Was Stereo Total für
besagtes Terrain, sind Whirpool Productions für den House-Bereich. Man
kann also, wenn es denn soll sein, hier den Trend als Anti-Trend neuer
Spaßverderbnis wittern. Vielleicht mit dem Ergebnis, daß
wir endlich wieder angenehmer unter uns sein dürfen.
Was dagegen spricht, sind die Multiplikatoren der Musikindustrie. Haben sich
Stereo Total nur dem Vorwurf einer WOM-Präsentation zu
erwehren, so trifft es Whirpool Productions gerechterweise härter, wenn
ihnen nichts an ihren Labelkollegen Rammstein aufstößt und sie frei
von der Leber ihr Dasein auf dem Motor-Label fristen. Dieser Vorwurf,
wohlgemerkt, geht nicht gleichzeitig an Think About Mutation, die
ebenfalls auf Motor-Music sind. Von letzteren eine wirklich kritische
Auseinandersetzung diesbezüglich zu verlangen, adelte die Band
ungerechterweise würde sie gar extrem aufwerten in ihrem Rocker-Dasein.
In dem Artikel zu Stereo Total anläßlich ihres Auftrittes vor gut
eineinhalb Jahren im Conne Island schrieb ich in diesem Heft, daß das
inzwischen zum Quartett erweiterte Trio Besitzer eines geschärften
Blickes sei (CEE IEH #32). Für die Richtigkeit dieser These
findet man auf der neuen Platte genügend Belege. Dafür spricht im
Umkehrschluß außerdem ihre bewußte Verweigerung
gegenüber sonstigen deutschen, zumeist kopflastigen
Analyse-Konstrukten, die aber trotzdem klar macht, wo sie sich selbst
bewegen beziehungsweise verorten. Das wird zwar leider nicht für eine
Party Anticonformiste reichen, wie sie es in ihrer Ode an die
Disco-Musik beschwören, wohl aber immerhin für eine Party unter
besseren Vorzeichen als noch vor kurzem den Vollidioten sei dank.
Zum Rahmenprogramm: Opel Bastards
Experimental Helsinki elektro hip hop underground kraut superstars.
Also alles drin, was das Klischee an Assoziationen hervorruft. Es klingt fast
so, frei nach Goethe, als wär ihr Helsinki ein Klein-Japan. Geahnt haben
es ja einige kolportiert noch mehr. Und jetzt haben wir den
(Ästhetik-)Salat. Vielleicht ist Jimi ja noch weniger Counter- und nur
Tenor, als ich es jemals zu erahnen wagte... Ralf
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