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kuk: represent, represent, 2.3k
Seit längerem bemühen sich Teile der autonomen Antifa um eine vermeintlich neue Form politischer Werbekonzepte bzw. AgitProp-Designs. Hierbei tut sich besonders die Göttinger Antifa(M) hervor, die ihre eigenen Demoplakate nicht als Plakate, sondern als Kunst

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verstanden wissen will. Das kürzlich erschienene Buch „Kunst als Widerstand“, herausgegeben von Bernd Langer zeigt das ganze OEuvre der Initiative „Kunst und Kampf“ (KUK). Bereits die Buchankündigung veranschaulichte, was man unter „antagonistischer Kultur“ zu verstehen habe; für schlappe 148.- DM ist die Vorzugsausgabe mit dem vierfarbigen Siebdruck „Gegen Faschismus und Klassenjustitz“ in numerierter und limitierter Auflage zu haben. Endlich ein Original für die Wand der Antifa-WG-Küche. Schon im einfachsten scheitert hier die vielbeschworene Abgrenzung zur bürgerlichen Kultur, deren Kunstbetrieb nur über Wertsteigerung durch begrenzte Auflagen und konstruierten Originalitätsanspruch funktionieren kann.
Doch zunächst zu meinem Lieblingsbild „Das M-Konzept“ (Öl auf Leinwand, 80x100 cm, begonnen 1992). Was einfach ist, gefällt. Dargestellt sind drei Antifas, die sich gerade mit zwei Nazis in SA-Uniform anlegen. Die ganze Szene findet nachts in der Roten Straße (dort, wo der Buchladen ist) statt. An der Hauswand zitiert sich der Autor des Bildes mit einem eigenen Demoplakat („Gegen Faschismus und Polizeiterror“) selbst. Die beiden männlichen Antifa-Kämpfer dürfen Helm und Hassi tragen, während die Frau sich mit einem Tuch begnügen muß, da sie sonst wohl nicht als Frau zu erkennen wäre. Auf ihrer Jeansjacke klebt wie ein Markenzeichen derselben ein M mit rotem Stern, ihre beiden Genossen tragen ihre Gesinnung am Oberarm in Form einer roten Armbinde, die sich wiederum nur durch den Aufdruck des Zeichen der Antifaschistischen Aktion (rote u. schwarze Fahne, wehend) von den Hakenkreuzbinden ihrer Gegner unterscheidet. Wir verstehen: Bei den Nazis hilft nur das eine, die Bösen sind zahlenmäßig unterlegen, die Guten entsprechen ganz dem Ideal funktionierender Politikmaschinen und gekämpft wird zuhause im eigenen Kiez. Angesichts der zahlreichen Bilder von KUK bestätigt sich der Eindruck, daß dies alles völlig ernst gemeint ist und jegliches Bemühen, einen Hauch von Selbstironie von den Plakaten ablesen zu wollen, Quatsch ist.
Laut KUK ist die eigene Kunstproduktion mit den Begriffen der Sub-, Gegen-, Alternativ- oder auch Freiraumkultur nicht zu fassen. Die Genannten seien allesamt Kinder bürgerlichen Kunstverständnisses, bzw. folgtem einem dumpfen Prinzip der Negation, was wohl per se schon falsch ist, will man doch konstruktiv in die herrschenden Verhältnisse eingreifen. Historisch und ästhetisch knüpft KUK an die Tradition der KPD und der AgitProp-Aktionen der Weimarer Republik an, die im Begleittext des Buches nahezu ohne Abstriche als progressiv, da auf der richtigen Seite stehend, eingeschätzt werden. Heraus kommt ein verkitschter Realismus, der jeder Tendenz zur Abstraktion entbehrt (mal abgesehen von der Tatsache, daß jede Abbildung bereits die Wirklichkeit abstrahiert). Die Darstellung einer großen antifaschistischen Gegenmacht, die sich ständig einer Phalanx von Bullen-Bonzen-Banken usw. gegenübersieht ist einem realistischen Konzept verpflichtet, daß die Wirklichkeit radikal vereinfachen und schematisieren muß, um sie „adäquat“ darstellen zu können. Das nennt man: „Bewußtsein schaffen, Widersprüche entwickeln, Probleme aufzeigen – Lösungen provozieren!“ Um diese schwere Aufgabe zu bewältigen, bedarf es Menschen, die aus der Bewegung kommend für diese produzieren wollen. Dann und nur dann kommt echte Kunst mit dem Siegel der Authentizität ‘raus, denn „in der Konsequenz heißt Kunst, Dinge und Zusammenhänge von innen zu begreifen, sich in sie hineinzuversetzen. Das bedeutet, daß ein/e Künstler/in nur Dinge im Medium Kunst darstellen kann, die er/sie selber ist.“ Neben dem symbiotischen Verhältnis von Kunst und Kampf bedarf es auch noch der Repression, um Glaubwürdigkeit zu garantieren. Und siehe da, KUK ist nach eigenen Angaben die Künstlergruppe in der BRD überhaupt, die staatlichem Verfolgungsdruck ausgesetzt ist (im Buch findet sich ein Bild, auf dem ein KUK-Künstler beim Malen der Laterne in der Roten Straße zu sehen ist, auf einem zweiten Foto sieht man den Staatsschutz, der die ganze Szene dokumentiert). Es werden in Deutschland aus den verschiedensten Gründen politische Druckerzeugnisse beschlagnahmt, im Gegensatz zu KUK allerdings verwechseln die staatlichen Verfolgungsbehörden Politik nicht mit Kunst. 1985 reagiert KUK auf die Beschlagnahmung des Bildes „Die indirekte Perspektive oder in Vorbereitung der Kämpfe“ (Öl auf Leinwand) und einer Razzia im Buchladen „Rote Straße“ mit einem Plakat, das dem historischen der Naziaustellung „Entartete Kunst“ in München nahekommt, allerdings mit dem Zusatz „ernst genommen“, in einem roten Kreis ist das beschlagnahmte Ölgemälde zu sehen. Zu dererlei historischer Parallelisierung fällt mir nichts mehr ein.
KUK hat für die Antifa (M) und die AA/BO ein corporate design entwickelt, das mit dem Ziel der öffentlichen Repräsentanz antifaschistischer Positionen und der Strategie der Identifikation mit den selben, sich endlos selbst reproduziert. Historische und politische Reduzierungen mit der starken Tendenz zu Verschwörungstheorien sind diesem Agitationskonzept inhärent. Unklar bleibt, ob die plakativen Inhalte für Plakate, Transparente usw. gemacht wurden oder andersrum. Es handelt sich um einen symbolischen Kreislauf: das Foto der letzten Demo dient als Aufrufvorlage und Maßstab für die nächste, die das Soll der letzten mindestens erfüllen muß, bzw. ein Mehr an Symbolen (Fahnen, Transpis, Helme) usw. mitführen muß (vgl. 17deg. Celsius – Zeitschrift für den Rest, Nr. 14).
Glücklicherweise hat die „interim“ bis jetzt noch keine Feuilletonbeilage, da würde nämlich das funktionale Kulturverständnis der Linken erst richtig ausgelebt werden.
heike

Bernd Langer „Kunst als Widerstand – Plakat · Ölbilder · Aktionen · Texte der Initiative Kunst und Kampf“, Pahl-Rugenstein 1997, ISBN 3-89144-240-8

Die Bilder sind Auschnitte von Arbeiten der Gruppe „Kunst und Kampf“



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last modified: 28.3.2007