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Der nachfolgend dokumentierte Text des Bündnis gegen Rechts beschäftigt sich mit den staatlichen Maßnahmen zur Verhinderung des Naziaufmarsches am Todestag von Rudolf Hess und den (Nicht-)Reaktionen darauf. Er erschien zuerst in der Jungle World #38 vom 18. September 1997. |
Anläßlich der Hess-Aktionswochen hatten es die Nazis mit einem rigoros vorgehenden Polizei- und Staatsapparat zu tun von schikanösen Hausarresten, Gewahrsamnahmen, Anschreiben mit Drohungen von Polizeiseite, sich ja nicht an den Hessaktivitäten zu beteiligen, Demonstrationsverboten en masse und vieles mehr. Selbst von seiten der Linken und der Antifa blieb ein Aufschrei aus, der diese staatlichen Maßnahmen kritisierte. Das Leipziger Bündnis gegen Rechts äußert sich im folgenden zu diesem Schweigen und will es mit den nachfolgenden Zeilen gleichzeitig durchbrochen wissen. | |
Niemand weiß genau, wieviele Antifas die Repression
des Staates gegen die Hess-Aktionswochen 1997 der Nazis mit Häme und
Genugtuung vom Strand aus, auf der Party, vom Freisitz oder sonstwo zur
Kenntnis genommen haben. Sicher scheint nur, daß es so einige waren, die
da mit inbrünstiger Schadenfreude zuschauten, wie den Nazis ihre
Aufmärsche und sonstigen Aktionsversuche von Staatsseite so richtig verdorben wurden. Die Mittel jedoch, die der Staat dabei anwandte, sollten von Antifas, die ihre linke emanzipatorische Grundintention nicht über Bord geworfen haben, mehr als mißtrauisch beäugt werden. Schließlich und letztendlich sollte es jederzeit bedacht sein, daß die bewußte Zurkenntnisnahme, in diesem Land als Antifas schon immer einer schwindenden Minderheit anzugehören, niemals dazu verlocken darf, der anziehenden staatlichen Repressionsschraube irgendetwas nur im Ansatz positives abzugewinnen. Die Konsequenz davon wäre die Selbstaufgabe schwer errungener Prämissen libertärer Politikformen, ohne die eine Antifa-Bewegung heute nicht mehr gedacht werden darf - allein schon, weil man den Anspruch erhebt, aus der Geschichte gelernt zu haben. Klar darf nicht vernachlässigt werden, wie sich das so mit der Linken insgesamt ab 89 und der de facto-Abschaffung des Asylrechtes 1993 entwickelt hat. Die Bandbreite konvertierter Ex-Linker reicht da von Deutschland- und Kapitalismus-Befürwortern bis zu pseudo-kosmopolitschen Öko-Esoterik-Wahnsinnigen. Am Ende der Geschichte (Fukujama) sind letzlich auch diese im Einklang mit Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen angelangt. Mithin besteht die Linke also aus einem - historisch betrachtetem - Rest, der sich untereinander fetzt. Letzteres wollen wir an dieser Stelle nicht grundlegend kritisieren, weil in der Auseinandersetzung schon immer die notwendige Reibung impliziert ist. Betrachtet man die Entwicklung des deutschen Staates ab der Wiedervereinigung im Kontext europäischer Sicherheitspolitk, kommt man an der Sonderrolle Deutschlands nicht vorbei. Im Zuge der Ratifizierung des Schengener Abkommens wurde klar ersichtlich, von wem der Druck zu einer verschärften Sicherheitspoltik ausging: Deutschland als Epizentrum einer modifizierten europäischen Ordnungspolitik. Die von vielen mit dem Schlüsseldatum 1968 verbundenen Zivilisierungsansätze konnten tatsächlich nicht durch den sogenannten Deutschen Herbst von 1977 grundlegend erschüttert werden. Vielmehr gab es trotz aller Hysterie und Lynchlust seitens der übergroßen Bevölkerungsmehrheit und des Staates einen ausgeprägten liberalen Gegenpart, der das schlußendliche Abgleiten des bürgerlichen Gemeinwesens ausreichend verhinderte. Interessant daran ist, daß die als Sicherheitsbedürfnis bezeichnete Befindlichkeit der absoluten Bevölkerungsmehrheit sich alles in allem kaum von der heute verbreiteten unterschied. Und dieses Bedürfnis nach vorgeblicher Sicherheit, einem Irgendwie-Gefühl, hat sich trotz der Zunahme an medialem Informationsoutput und dessen Rezeption auch gar nicht in so großem Maße verstärkt, wie es uns von seiten der politisch und medial Verantwortlichen suggeriert wird. Dennoch ist etwas entscheidendes passiert. Das, was sich vor 89 liberale Öffentlichkeit schimpfte, existiert heute nicht mehr, weil es tatsächlich - das muß hier konstatiert werden - niemals eine unerschütterliche Verinnerlichung bürgerlicher Ideale in Deutschland gab. Stattdessen ziehen dieselben Leute heute gegen ein konstruiertes Feindbild der politcally correctness zu Felde, weil sie vielmehr auf den Populismus zu brechender angeblicher Tabus abfahren, als auf die Verteidigung bürgerlicher Emanzipation zum Citoyen. Verbunden damit kippte bei der ohnehin kleinen liberalen Öffentlichkeit auch das Toleranzempfinden gegenüber Minderheiten in eine Solidarisierung mit dem Volks-Mainstream um. Dadurch verschwand tatsächlich das, was man für liberale Öffentlichkeit in Deutschland hielt - sehr gut nachzuvollziehen an den Bellizismus-Anwandlungen der gesamten deutschen Öffentlichkeit hinsichtlich Ex-Jugoslawiens. Was wir heute erleben, ist das ungestörte Zusammenspiel von Volkswille, Politik und Medien - ohne relevanten Gegenpart. So schaukelt man sich die Schmuddelkinder (Degenhardt) zurecht, um sie aus dem Volksbade zu schütten. Das trifft traditionell an allererster Stelle die ohne deutschen Paß. Dann die, die dem deutschen Wertemodell nicht entsprechen und am Ende auch die, deren geschwundene Relevanz sie vor größerer Repression bewahrt - die Linken. Woraus erklärt sich nun aber das repressive Vorgehen gegen die Nazis, schließlich ist doch das Zusammengehen von Nazis und Staat bei der Abschaffung des Asylrechtes dutzendfach belegt? Bei der Betrachtung sollte klar sein, daß der Staat die (organisierten) Nazis derzeit nicht explizit braucht. Die Stimmung in Deutschland ist ausreichend, um einschneidende ordnungspolitische Veränderungen vornehmen zu können. Dabei sind gerade die vielen rassistischen Einzeltäter, die auf Überfälle und Pogrome ziehen, von Belang. Die rassistische Grundstimmung im Land ist Konsens der übergroßen Mehrheit aller Deutschen und die Hauptsorge staatlicherseits geht dahin, sich beim Anspruch auf das Monopol der rassistischen Praxis, nichts aus der Hand nehmen zu lassen - wer dies gegenwärtig versucht, legt sich mit ihm an. Und die (organisierten) Nazis versuchen dies im eigenen Interesse, aber zu ihrem Schaden. Die Repressionen gegen die Nazis sind eingebettet in den Versuch, via Ordnungspoltik einen repressiven Präventivstaat zu errichten. Neben Flüchtlingen und anderen Nicht-Deutschen gibt es dafür derzeit kaum ein besseres Betätigungsfeld. Dieser Präventivstaat wird den Normal-Bürger - wie so immer - kaum stören. Es ist ein folgenschwerer Trugschluß, so zu argumentieren, als träfe es den guten deutschen Bürger. Eher das Gegenteil ist der Fall: Der Mehrheit der Bevölkerung kann es nie repressiv genug zugehen. Nicht zuletzt erklärt sich auch so der Beifall bei Staats-Aktionen gegen die Nazis. Fatal wird es allerdings, wenn sich Antifaschisten genau dort einreihen, um diese Aktionen gutzuheißen, denn leider kommt darin eine latente Affinität zum Staatskonformismus zum Ausdruck, die nichts weiter befördert, als die Inaktivität von Antifas. Bei der Betrachtung der Staatsrepression gegen die Nazis von Antifa-Seite sollte folgendes grundlegend sein: Wenn Antifas dazu übergehen, sich auf den Staat zu verlassen, wird der Staat hinsichtlich des autonomen antifaschistischen Verständnisses zum Erfüllungsgehilfen der Antifa (und nicht etwa umgekehrt, die Antifas die Erfüllungsgehilfen des Staates, wie es die Nazis gerne sähen) - mit der fatalen Konsequenz, daß die Antifa-Bewegung dadurch nicht nur stagniert, sondern auch eingeht. Es steht zu vermuten, daß der Staat dies durchaus erkannt hat und auch dies einen Aspekt - wenn auch kleiner - beim repressiven Vorgehen gegen Faschos darstellt. Schwerer wiegt da natürlich das deutsche Ansehen in der Welt. Großmäulig gegen Nazis vorzugehen, die den Hitlerstellvertreter öffentlich ehren wollen, birgt da sicherlich auch gute Publicity für den Standort Deutschland in sich. Ungeachtet des Repressionsobjektes - im Falle der Hess Aktionswochen waren es die Nazis - sollte sich linke antifaschistische Kritik vehement gegen die Inkraftsetzung eines Polizeiapparates richten, wie wir ihn anläßlich der Hess-Aktivitäten zu Gesicht bekommen haben. Wer diese Kritik als antifaschistische Position nicht mitliefert, verspielt den wichtigsten Trumpf der antifaschistischen Bewegung - die antiautoritäre Selbstorganisierung, eingebettet in ein Umfeld wider die Staats- und Volkskonformität. Bündnis gegen Rechts, Leipzig Kontakt: |
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