78 Rechtsradikale in Hessen in Gewahrsam genommen. Unbekannte legten Kranz für Hess nieder.
Mehr als 300 Festnahmen 3 Beamte bei Krawallen verletzt Straßenschlachten in Halle und Königslutter.
Polizei geht konsequent gegen Rechtsextremisten vor über 140 Neonazis festgenommen.
Rund 300 Festnahmen im Bundesgebiet. Nazi-Demo im dänischen Koge.
So und ähnlich lauteten die meisten Schlagzeilen nach dem großangekündigten
Gedenkwochenende für den angeblichen Friedensflieger Rudolf Hess.
Eine Wiederholung des Erfolges von München scheint der extremen Rechten
wiederum nicht gelungen zu sein. Wer hat hier was verhindert, wurde überhaupt irgendetwas verhindert?
Erste Variante: Die JN organisiert; die Polizei verhindert.
Nun ja, die Zahlen klingen beeindruckend. Seit langem hat es den Anschein, als
würde die Exekutive entschlossen gegen neofaschistische Umtriebe vorgehen
wollen. Ist es wirklich so? Der Staat spielt mit den Muskeln, soll
heißen, ein Aufgebot an Polizei, wie es bei solchen Anlässen selten
zu beobachten war, verhindert relativ erfolgreich jeglichen Aufmarschversuch.
Fast das ganze Repertoire staatlicher Repressionsinstrumente, von
Vorbeugegewahrsam bis zu flächendeckenden Straßenkontrollen wurde
aufgeboten. (Fehlten eigentlich nur Anklagen nach §129 und Hausdurchsuchungen, warum nur?)
Ging es nicht vielmehr darum, dem Rest der Welt zu zeigen, daß in diesem
Land eine sogenannte wehrhafte Demokratie existiert, die ein paar
rechtsradikalen Wirrköpfen durchaus die Straße verbieten kann?
Vielleicht stimmt ja die Einschätzung der Antifapressestelle Bonn, wonach
sich die deutsche Polizei ein allzuoffensichtliches Augenzudrücken wie in
den letzten Jahren auf Grund vermehrter internationaler Sensibilisierung
für diese Thematik nicht mehr leisten könne.
Zweite Variante: Die Nazis organisieren, die Antifa verhindert.
Daran ist schon eher etwas, wurde doch das alljährliche Katz und Maus
Spiel diesmal halbwegs erfolgreich betrieben. Zahlreiche Antifas wurden bei
Straßenkontrollen und dem Versuch Aufmärsche zu verhindern
festgenommen. Erfolgreichstes Beispiel dafür war Hannover, wo Antifas
einen versuchten Aufmarsch angriffen. In verschiedenen Städten kam es zu
antifaschistischen Demonstrationen (München, Goslar, Bergisch Gladbach, Solingen, Halle).
An dieser Stelle sollte die Einschätzung der Antifaschistischen
Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) und des Bundesweiten Antifa-Treffen
(BAT) zitiert werden: Unserer Einschätzung nach ist es neben den
massiven polizeilichen Maßnahmen nicht zuletzt zahlreichen
AntifaschistInnen zu verdanken, daß die Nazis heute zu keinem Zeitpunkt
in der Lage waren, sich in der BRD zu formieren. In von den
Sicherheitsbehörden unbeachteten Situationen hatten die Neonazis
ständig mit sich ihnen in den Weg stellenden Antifas zu tun. Die
Kommunikation der Nazis war nicht zuletzt von der Sorge um ihre
körperliche Unversehrtheit geprägt.
Als bestimmenden Faktor für den Erfolg antifaschistischer Bemühungen
läßt sich auch die Dezentralisierung der Aktionen gegen den Rudolf
Hess Marsch sehen. Der befürchtete große Aufmarsch konnte nicht
stattfinden, es kam stattdessen zu einer Vielzahl kleinerer Aktionen der
Faschos. In Wolfsburg, Braunschweig und Königslutter versuchten die
Faschos nacheinander einen Aufmarsch, in Hamburg wurde ein Kranz niedergelegt,
in Berlin gelang es auf einem offenen Bürgerkanal im Radio eine Sendung
zum Thema abzustrahlen, in Halle kam es ebenfalls zum Versuch eines
Aufmarsches. Im dänischen Köge marschierten 150 Faschos, wobei die
Wahl des Ortes wohl dazu diente, einen ähnlich blamablen Rückzug wie
im Jahr zuvor in Roskilde zu vermeiden (In Roskilde hatte eine
Gegendemonstration stattgefunden, Antifas und Bürger trieben die Faschos regelrecht aus der Stadt).
Das Aktionswochenende kann also als Schlag ins Wasser für die Faschos
bezeichnet werden (wenn man den Aufmarsch am 1. März in München als
Maßstab nimmt). Aufgrund dieses Mißerfolges zu glauben, die
Fähigkeit zu organisieren und anzugreifen (in jeglicher Form) sei den
Faschos abhanden gekommen, wäre fatal. Auf anderen Gebieten wie der
Jugendkultur, im speziellen dem Fascho-Rock, sind Faschos erfolgreich wie
selten, und erreichen dadurch mehr als durch Aufmärsche, sie schaffen, es
die kulturelle Hegemonie (soll heißen das Erscheinungsbild auf der
Straße, in Schulen, Klubs etc.) für sich zu besetzen,
andersausehende und andersdenkende Jugendliche, Behinderte, MigrantInnen werden
an den Rand gedrängt, werden zu ständigen Angriffszielen. Kay |