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Editorial


Popcorn, 34.2k Es ist soweit. Die sommerbedingten Ausfälle im Kulturbereich verschaffen uns – der CEE IEH Redaktion – durch das Wegfallen der Werbung im ersten Teil des Heftes mehr Platz im sog. „Politikteil“. Wie in der Vergangenheit schon vereinzelt geschehen, wird diese Fülle an Seiten diesen Sommer mal wieder einen expliziten thematischen Schwerpunkt haben. Nicht zufällig ist dieser inhaltlich auch an die letzte CEE IEH live-Veranstaltung gebunden: Die Protagonisten der deutschen Filmlandschaft – dem Zahnarztstuhl der Kulturindustrie – haben in den letzten Jahren (eigentlich schon immer) sehr eindrucksvoll und unverhohlen zum Ausdruck gebracht, dass sie sich ausländische Darstellungen ihrer so heiligen Nazis verbieten. So z.B. Bernd Eichinger über den von ihm produzierten Film „Der Untergang“ (2004): „Meine Alptraum-Vorstellung war ein Film aus Hollywood, der uns per Import zeigt, wie es bei uns zugegangen ist“. Und dass Eichinger in diesem Fall Adolf Hitler, dessen deutsche Bewunderer und sich selbst mit „uns“ zusammenfasst, war wohl weniger ein Schuldgeständnis als die Verklärung aller Deutschen zu einer kollektiven Schicksalsgemeinschaft.
Nun sind wir nur noch wenige Monate davon entfernt, uns von neuen Filmen anlässlich der 20-jährigen deutschen Einheit anekeln zu lassen. Und für diese Neuerfindung der Deutschen war das cineastische Herumhitlern der letzten Jahre ja nur das Vorspiel; ein Abschließen mit der Vergangenheit, eine Geschichtsinterpretation, die es erlauben würde, Deutschland nicht mehr als Auschwitz, sondern als Land der „friedlichen Revolution“ zu denken.
Bevor es aber soweit ist, wollen wir das Verhältnis von Faschismus, Nationalsozialismus und Film in diesem Heft unter die Lupe nehmen. Die Dokumentation des Textes „Benjamin und Adorno über Kunst und Kulturindustrie“ von Christoph Hesse und der ABC-Artikel „F wie Faschismus“ von Chris werden sich einführend und separat mit beiden Phänomenen auseinandersetzen. Sonja Witte beschreibt in „Hitchcock in Deutschland oder wie die Nazis zu Dealern wurden“ wie im Nachkriegsdeutschland ganz offen intentioniert die Darstellung von Nazis in der Übersetzung von Filmen geändert oder, wie am Beispiel des Films „Notorious“, die Handlung völlig vom Nationalsozialismus abgekoppelt wurde – dem deutschen Publikum zuliebe. Da dieser Text in seiner Ursprungsfassung sehr viel tiefer auf die psychoanalytische Komponente dieser Eingriffe eingeht, wird eine längere Version in der Internetausgabe zu finden sein. Bruno beschreibt die Kontinuität und Absurdität dieser Manipulation ausländischer Produktionen im „Letzten“ in der Auseinandersetzung mit dem Buch „Deutsches Filmwunder: Nazis immer besser“ (Dietrich Kuhlbrodt).
In „There`s no such thing as a harmless joke“ behandelt Virginia Spuhr die Auseinandersetzung und Darstellung des NS in Komödien. Im Mittelpunkt stehen hier die verschiedenen Möglichkeiten „Hitler darzustellen“ und wie die komische Variante dieser Unternehmung in verschiedenem Kontext völlig andere Eindrücke erzielt. Dies geschieht unter anderem im Vergleich der Filme „The Great Dictator“ (1940) von und mit Charlie Chaplin und der deutschen Produktion „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ (2007) von Dani Levy.
Wie sich klassiche Hollywood Produktionen der Auseinandersetzung mit der Shoah und dem NS stellen (oder eben auch nicht) und welche ganz andere Rolle hier z.B. das Ideal der „Authentizität“ spielt, stellen Abe und Johannes Knauss in ihrer Rezension des „ersten Action-Holocaustfilm“ (siehe Artikel) „Defiance“ (2009) dar. Weniger als die Geschichtsrelativierungen deutscher Produktionen, ist hier viel mehr die Bearbeitung des geschichtlichen „Materials“ zur Unterhaltung und kulturindustriellen Vermarktung zentraler Punkt der Kritik. Schließlich beschreibt noch einmal Bruno in der Rezension des Buches „Ein Volk, Ein Reich, Ein Kino“ von Bernd Kleinhans nicht die Nazis im Kinofilm, sondern den Kinofilm und dessen Bedeutung in der Propaganda der Nazis.

Leider mussten wir ein anderes sehr aktuelles und eher „realpolitisches“ Thema in dieser Ausgabe aussparen. Selten war die Linke so bewegt und interessiert , hat so gebannt jede Information, die aus dieser sonst abgeschotteten Sphäre kam, aufgesaugt und wurde nicht müde, im Internet ihre Solidarität und ihr Mitgefühl den Betroffenen zu zeigen. Wir können an diesem Punkt die Lage vor Ort nicht einschätzen, wissen aber, dass die schicksalhaften Entwicklungen der letzten Jahre an diesem Punkt nur kulminierten. Unser Mitgefühl ist bei den Opfern dieser brutalen Begebenheit und wenigstens in einem Satz will sich das CEE IEH positionieren: Ruhe in Frieden, Michael!

sysiphos

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last modified: 7.7.2009