Beständig hält sich das Gerücht, man habe es bei den real
existierenden Anarchisten mit Vertretern einer radikalen Geselllschaftskritik
zu tun. Manche halten Anarchisten sogar für die Radikalsten
überhaupt. Aber diesen Ruf haben die Anhänger des umrandeten A's wohl
nur deshalb, weil ihr Begriff der freien Gesellschaft immer als schwarzer Peter
herhalten muss, wenn es mal mit dem Markt oder dem Staat nicht so klappt. Ein
Blick in den Feierabend!, einem Leipziger Anarcho-Blättchen,
offenbart allerdings die ganze Misere im libertären Milieu. Zur
Krise heißt es da:
Aus Platzgründen kann hier leider nicht genauer auf den Wandel der
Weltwirtschaft oder den Fetischcharakter des Kapitals eingegangen werden,
vielmehr präsentiere ich hier einen Überblick über die
Geschehnisse des vergangenen Jahres, für Menschen, aus revolutionärer
Weitsicht oder trotziger Existenzeuphorie keine Wirtschaftsnachrichten mehr
konsumieren
So holpert und stolpert der Autor bonz durch die Sprache. Über den
Fetischcharakter des Kapitals hätte man in der Tat gerne mehr erfahren,
stattdessen wird aus Platzgründen eine Mischung aus
VWL-Jargon und Ressentiment aufgetischt.
haben in der Krise das Tafelsilber
und
Und niemand weiß, wie lange das noch so geht. Wie lange noch
Arbeitsplätze nicht wegrationalisiert, sondern
werden. Denn wenn es um Arbeitsplätze geht, kennen Anarchisten kein
Pardon!
Wir lesen von der
und dem
Einem
und anderen menschlichen Verfehlungen, die schließlich einen
hervorbringen wie bonz mit einer an Spiegel online
erinnernden, naturmetaphorischen Drastik feststellt. Beinahe
überflüssig zu erwähnen, dass die
des erhabenen Naturschauspiels
wie schon so oft in den USA (und dort an der Ostküste?) zu
verorten
ist.
Wir bekommen ein kulturkritisches Lamento zu lesen, wie man es vom
Evangelischen Kirchentag kennt:
Mensch befindet sich also im Ausverkauf, alles wird verramscht
hören wir bonz jammern. Und wirklich: wo bleibt denn
Barmherzigkeit? Der Anstand? Die Moral? Kurz: Die guten alten Zeiten? Herr im
Himmel, öffne deinen Schäfchen die Augen, damit die
ein Ende habe und auch Geiz, Wollust und Völlerei dereinst vom Erdball
verschwinden mögen. AMEN. Mit einer tüchtigen Portion christlischer
Sozialethik ausgestattet geht's frisch voran! Bau auf, bau auf, die
Herz-Jesu-Anarchie ist nah! Die Bonzen haben nämlich die Rechnung ohne
gemacht, die sich verdammtnochmal! nicht unterkriegen lassen
(sollen).
Lautet die markige Überschrift und Parole, unter der sich die Massen
sammeln, um wenn schon nicht gegen Staat und Kapital so doch
wenigstens
für ethisch saubere Geldanlagen
zu kämpfen.
Nun gut: was passiert, wenn Sauberkeit und Ethik miteinander vermischt werden,
liegt in der Kiste mit Dingen, die man sich nicht vorstellen soll, ganz tief
unten vergraben. Wir wollen das hier nicht weiter angehen.
Glücklicherweise steht ja ein paar Wörter weiter etwas über
moralisch saubere Investitionen.
Und wir dachten schon Moral gäbe es wirklich! Saubere Ethik ist ja
schon schlimm genug.
Hier bieten sich folgende Möglichkeiten an: Zuerst einmal der
altbackene, heimische Sparstrumpf, mit den bekannten Vor- und Nachteilen.
Bonz heißt also nicht umsonst mit zweitem Vornamen Gefahr. Hier
kämpft jemand so richtig an. Bei so vielen Strümpfen werden es sich
die US-Spekulationsmonster beim nächsten Mal so verramschen. Doch selbst
die gefürchteten Strümpfe sind nicht militant genug. Schon haben wir
sie:
Zweitens eingeschränkte, moralisch saubere Investitionen, wie es
inzwischen auch häufig unter dem Stichwort islamic banking
angeboten wird.
Von anarchistischen Anlageberatern empfohlen: Islamic Banking: Der garantiert
gemeinwohlorientierte Kapitalismus, ohne Zins, Zionisten und andere
Zügellosigkeiten.
Johannes Knauss / sisyphos
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