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Jetzt geht wieder
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Prolog
Ding Dong es ist Quotenzeit. So gründeten sie den Kreis mit dem kreativen Namen Musik In Eigener Sache. Mittlerweile gehören diesem Ensemble wohl mehr als 500 KünstlerInnen aus Deutschland an, die sich alle für eine Quote für Musik aus Deutschland stark machen. Unterstützt wird das ganze natürlich von einer Abgeordneten der Grünen, nämlich Antje Vollmer. An dieser Stelle bekommt man bereits mit, dass diese Forderung heute viel ernstzunehmender ist als noch vor zehn Jahren. Denn heute gibt es eine bessere Lobby dafür (also mehr KünstlerInnen und PolitikerInnen) und die Entedeckung der nationalen Identität läuft spätestens seit der letzten Platte der Band Mia auf Hochtouren. Während damals noch Bands wie die Goldenen Zitronen, die Sterne und hast-du-nicht-gesehen sich klar von solcher Art Deutschtümelei abwandten, gehört diese heute schon zum guten Ton, um hip zu sein. Musik machen, im Radio sein, bekannt sein und Einschaltquoten sind Elemente einer Branche. Diese Branche kann man auch als die sogenannte Kulturindustrie verstehen, welche nach der Logik kapitalistischer Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Je mehr Geld in Promotion gesteckt wird, um so bekannter werden die KünstlerInnen und ihre Labels sowie die Plattenfirmen. Zur Zeit wird im deutschen Radio 1,5% Musik von deutschen KünstlerInnen oder Musik mit deutschen Texten gespielt. Diese Prozentzahl verärgert die deutschen MusikerInnen. Sie wollen 40% im Radio hören. Als Grund wird immer wieder angeführt, dass dadurch mehr NachwuchskünstlerInnen eine Chance bekämen. Das ist erst einmal ein sehr interessantes Kunstverständnis: du musst in die Charts, jeder soll dich hören, jung, erfolgreich und auf dem Weg nach ganz oben. Die pure Verwertung also. Weiterhin zu resümieren ist, dass zu den alten Heuschrecken, wie Heinz-Rudolf-Kunze, Peter Maffay oder Ulla Meinecke (wenn Mama das aufgelegt hat, ging es mir schlecht) jetzt auch junge neue KünstlerInnen gestoßen sind wie Jan Delay, 2-Raumwohnung oder Joy Denalane. Wichtig ist auch, dass ImmigrantInnen, welche hier in Deutschland Musik produzieren, ebenfalls unter die Quote zählen würden. Man merkt, Deutschland soll als Standort auch in der Musikbranche etabliert werden. Nun gab es auf so einen Vorschlag natürlich schon viele Diskussionen. Um es vorweg zu nehmen: ich habe natürlich auch mein Problem mit dieser sinnlosen Quote, jedoch ist meine Kritik anders, als die der Radiosender. Ihnen geht es (logischerweise) um die Einschaltquoten. Die Radiosender haben zu Recht Angst vor der Deutsch-Quote, denn wer will heute noch Ulla Meinecke hören. Fakt ist, dass die Mehrheit etwas anderes hören will. So argumentieren die Radioanstalten also mit Einschaltquoten gegenüber der Deutsch-Quote. Ein verständliches Argument, aber uninteressant für mich. Denn ob nun Britney Spears oder die olle Ulla gespielt wird, das ist mir eigentlich Rille, ich höre sowieso andere Musik (außer bei der 80er Disse). Nein, mir geht es darum, dass sich doch gewisse Vorgänge in und aus der Geschichte wiederholen. Anfang der 90er Jahre gab es die Brandanschläge von Neonazis in Rostock oder den Überfall in Hoyerswerda. Die Fantastischen Vier hatten damal nichts anderes zu sagen, als dass es wichtig sei, deutsche Künstler zu fördern, deutsche Musik stark zu machen. Heute ist es wie immer, nur schlimmer, könnte man meinen. Auch die Fantas haben wieder für eine Quotierung im Radio unterschrieben. Auch diesmal kann man ein Starkwerden der Nazistrukturen diagnostizieren (NPD und DVU-Wahlerfolg). Nur, so habe ich den Eindruck, gibt es in der hiesigen Musiklandschaft keinen Gegenpart. Es scheint, als würde keiner die Parallelen zwischen genau dieser geforderten Quote und dem neuen deutschen Selbstverständnis, das um Entkrampfung der eigenen Identität buhlt, sehen. Blumfeld und Tocotronic haben eine Stellungnahme auf ihrer Hompage veröffentlicht. Aber sonst? Da ist nichts. Zumindest höre und sehe ich nichts. Ich möchte nicht sagen, dass das alles krasse Nazis sind, aber es ist dumm und naiv. Es ist der neu erworbene Höhepunkt der deutschen Musikgeneration aus dieser Zeit. Es ist Deutschtümlei, und das finde ich Scheiße. An dieser Stelle würden sich die deutschen ProtagonistInnen gegen den Vorwurf des nationalen Fetischs wehren. Es kommen dann nämlich immer dieselben Sätze: Es geht nicht darum, nationalistisch oder so zu werden, es geht doch darum, wie man mit der Geschichte umgeht. Sollen wir uns jetzt für das, was damals war schuldig fühlen? (Jim Rakete) oder: Schuld daran, dass nur so wenige deutsche Musik im Radio gespielt wird, ist die Allmacht des amerikanischen Kulturimperialismus. (Wolfgang Thierse). Aha. Da ist es wieder. Zum einen will man unter die deutsche Geschichte einen Schlussstrich ziehen und Deutschland attraktiv machen. Zum anderen hat man schon den Schuldigen für das schlechte Abschneiden deutscher Musik gefunden. Es ist Amerika. Der Kontinent, wo die Wurzeln der angloamerikanischen Musik liegen und dessen Einflüsse die Musik in Deutschland in den 60er Jahren bereichert haben. Reinhard Mey spricht sogar von einem ganzen nationalen Kulturbereich, der zerstört wird. Polemisch: Die Amerikaner sind schon ganz schön gemein. Erst machen die, dass es so Leute gibt wie Achim Reichel und dann schicken die ihren Mist noch hier her. Amerikaner raus! Bei dieser Argumentation beißt sich die Katze doch in den Schwanz. Aber vielleicht soll sie das auch, damit sie nicht mitbekommt, wie scheiße diese Quote doch eigentlich ist. Man weiß es nicht. Wie es wohl ausgeht, wird der Bundestag entscheiden. Was klar ist: die Quote ist auf jeden Fall nicht gut zu heißen. Wir erleben nach wie vor eine Nichtaufarbeitung der deutschen Geschichte. Wir sehen, wie NPD und DVU in die Landtage von Sachsen und Brandenburg einziehen. Und wir erleben eine neue deutsche Mitte, die fernab aller musikindustrieller Realitäten und mit Hilfe von antiamerikanischen Ressentiments eine Quotierung im Radio zu Gunsten deutscher Musik fordert. Sie sprechen von unserer Kulturnation. Nein danke sagt Florian Epilog
macht sie kaputt und schlagt sie klein. |
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