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review corner Film, 1.4k

Mitglieder nur mit Glied!


Fight Club, 4.1k
Fight Club
Regie: David Fichner
USA 1999, 139 Min.

Über „Fight Club“ und seine bitteren Wahrheiten


Ja, ja, es gab schon mal eine Rezension dieses Films im CEE IEH, die allerdings meines Erachtens ihrem Gegenstand nicht wirklich gerecht wurde. Aus eben diesem Grunde soll nun hiermit eine weitere folgen, auch als Aufforderung zu verstehen, sich „Fight Club“ erneut oder zum ersten Mal anzusehen. Abgesehen von dem genialen Soundtrack der Dust Brothers (John King und Mike Simpson) führte hier jemand Regie, der schon mit „Sieben“ seine Fähigkeiten als Regisseur erfolgreich unter Beweis stellen konnte. David Fincher, ehemals Regisseur zahlreicher Musikvideos, was sich in der Ästhetik des Films stark zu seinem Vorteil niederschlägt, ist ein Meister im Spiel mit Täuschung und Manipulation, doch dazu später mehr. Der Film beginnt damit, dass Edward Norton gefesselt auf einem Stuhl sitzt, den Lauf einer 45er im Mund und sich fragt, ob denn die Kanone, welche ihm im Hals steckt, auch sauber wäre. Von da an entspinnt sich die Geschichte, inszeniert als so eine Art Rückblende mit Rückblenden, nicht jedoch ohne einen roten Faden auszulegen, dem der Zuschauer folgen kann. Wie gesagt haben wir da Edward Norton, einen typischen männlichen Singlejobber darstellend, der im weiteren Verlauf so namenlos bleibt, wie die vielen anderen seiner Gattung. Mr. Namenlos führt kein so spannendes Leben, aber immerhin weiß er, wann Dienstag ist, weil exakt an diesem sein Vorgesetzter immer eine kornblumenblaue Krawatte trägt. Ferner gibt es da die grandiose Szene, in der sich seine Wohnung wie in einem Katalog aufbaut, Mr. Namenlos kauft sich nämlich jede Menge Designernippes. Mr. Namenlos arbeitet für eine große Automobilfirma, für die er immer Geschäftsreisen unternimmt, sollte sich ein schlimmer Unfall ereignet haben, bei dem überlegt werden muss, eine Rückrufaktion der gesamten Serie aufgrund technischer Mängel zu veranlassen. Dabei kann man schon ein wenig zynisch werden. Mr. Namenlos: „Man nehme die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge (a), die voraussichtliche Defektrate (b) und den Betrag der durchschnittlichen außergerichtlichen Einigung (mit den Verbliebenen der Unfallopfer, Anm. d. A.) (c). a*b*c=x, wenn x kleiner als die Kosten für eine Rückrufaktion, wird keine durchgeführt.“ So ist das, alles ganz einfach und logisch. Aber Mr. Namenlos ist kein glücklicher Mensch, denn er wünscht, während eines Landeanfluges könne doch ein anderes Flugzeug mit seinem kollidieren. Die Lebensversicherung zahlt nämlich das dreifache, sollte man während einer Geschäftsreise draufgehen. Wegen all diesem Zeug und noch mehr hat Mr. Namenlos Depressionen und Schlafprobleme. Doch er findet Zuflucht, bei einem ganzen Haufen anderer Verlierer, in verschiedenen Selbsthilfegruppen. Dort gibt es nämlich noch echte menschliche Wärme, hier ist niemand nur eine Zahl, man darf seine Gefühle rauslassen und von seinen Problemen erzählen, wenn auch nur in Form einer Sekte, deren Mitglieder durch das entgeistigte Umarmen, Weinen und Jammern nur ein ums andere mal den eigenen Masochismus zelebrieren. Ein Kollektiv, dem die Trauer nur dazu dient, die eigene Arbeitskraft zu reproduzieren. Doch in seine heile Welt des Mitleids, die ihm so fern scheint von der da draußen, bricht ein Dämon: Marla Singer (Helena Bonham Carter). Diese Frau, wie er eine Elendstouristin, hält durch ihren Tourismus dem seinen einen Spiegel vor, immer wieder daran erinnernd, dass all die Gefühle und Erleichterungen, die ihn für den nächsten Tag stärken sollen, nur seiner Lüge zu verdanken sind. Und wieder kann Mr. Namenlos nicht schlafen. Als er schließlich mit ihr um die verschiedenen Selbsthilfegruppen feilscht, ist es eh schon zu spät, die Erkenntnis über die Lüge kann wohl kaum noch abgeschüttelt werden. Nun trifft er aber, während eines Fluges, einen Mann (sexy tough guy Brad Pitt) mit Namen Tyler Durden. Dieser schindet schon mächtig Eindruck während des ersten Gesprächs. Mr. Namenlos: „Was machen sie?“, Tyler: „Wie, machen?“, „Ich meine beruflich.“, „Wieso, damit sie Interesse heucheln können?“ Ist das nicht ein sympathisch rebellischer junger Typ? Und so geht das dann weiter. Mit Sprüchen wie „Alles was du hast, hat irgendwann dich.“ und ähnlich lässig seichter Gesellschaftskritik, macht er sich beim linken Teil des Publikums äußerst beliebt. Ferner findet Tyler auch den ganzen Markenwahn zum Kotzen, dieses Bescheid-wissen-müssen über die kunterbunte Produktpalette des Kapitalismus. Irgendwann fliegt dann die Wohnung von Mr. Namenlos in die Luft, er trifft sich mit Tyler in einer Kneipe, um ihn schließlich zu bitten, bei ihm pennen zu dürfen. Tyler willigt ein, stellt jedoch eine Bedingung: Ein Kampf Mann gegen Mann. Während dieses Kampfes erlebt Mr. Namenlos ein neues Gefühl, das Vergessen, welches einen im Moment des ausgelebten physischen Sadomasochismus umfängt, den Rausch der Gewalt. Die beiden wohnen also zusammen in einem Abrisshaus und irgendwann vermisst Mr. Namenlos das Fernsehen nicht mehr, genauso wenig stört es ihn, in einem Drecksloch zu wohnen. Kommt dieses Bild vielleicht jemandem bekannt vor? Na egal, die beiden treffen andere, ausnahmslos Männer, die ihr Hobby teilen, und gründen einen sogenannten „Fight Club“. Dieser wird von Tyler irgendwann in eine paramilitärische Organisation umgeformt, die Anschläge verschiedenster Art begeht, wie z.B. Bonzenkarren zerkloppen oder das Computergeschäft einer großen Firma hochjagen. Kommt einem doch auch irgendwie bekannt vor, dieses Motiv, nicht? Alles gipfelt schließlich darin, dass Tyler die Zentralbank hochjagen will, um alle Schulden auf Null zu setzen. Hier hat Mr. Namenlos inzwischen mitgekriegt, dass er selbst Tyler ist, sich selbst die 45er in den Mund schiebt. Soviel zum Film, dessen Ende ich für ungemein unwichtig erachte, der aber sonst so viel zu bieten hat.
Zuerst zu Manipulation und Täuschung durch den Regisseur, wovon schon zu Anfang die Rede war. Die Hinweise auf besagte Einheit sind im Film so offensichtlich gestreut, dass man sich, wenn man ihn zum zweiten Mal sieht, ob der eigenen Auffassungsgabe wundert. Erst einmal wären da die oft eingespielten, bruchteillang zu sehenden Bilder von Tyler, wenn Mr. Namenlos alleine im Bild ist. Das erste flimmert auf, als er vor einem Kopierer steht und denkt: „Alles ist die Kopie einer Kopie einer Kopie...“. An solch wichtigen Stellen, wo klar wird, unter welchen Umständen das alter ego Tyler Durden teilweise produziert wird, in den Momenten der Verzweiflung über den kapitalistischen Normalbetrieb nämlich, flackern noch einige Male die Bilder Tylers über den Schirm. Als wäre dies nicht schon klar genug, tritt der Film mit aller Gewalt den eigenen Kopf noch tiefer in die Offensichtlichkeit der Persönlichkeitsspaltung. Als in einer Rückblende, welche von Tylers Arbeit im Kino handelt, beide (!) abwechselnd davon berichten, praktisch in einem Dialog (!) sich befinden, wie Tyler kurze Filmschnipsel (!) von Pornos in Familienfilme schneidet, ist der Gipfel der Dreistigkeit des Regisseurs erreicht. Die folgenden Ergänzungen, wie: „Manchmal sprach Tyler für mich“ und ähnliches, helfen auch nichts mehr, wenn man die Gespaltenheit an besagter Stelle, trotz gleich doppeltem Hinweis, nicht schon verstand.

Da ist also Tyler, der zu Beginn sehr interessant und klug wirkt, das genaue Gegenteil von Mr. Namenlos bildend. Doch die anfangs coolen, mit einem ordentlichen Hauch von berechtigter Kritik belegten Sprüche schlagen schnell um. „Ohne Schmerz, ohne Opfer hätten wir Menschen nichts.“ Das ungebremste Ausleben des Sadomasochismus, der nur im Schmerz und der Nähe zum Tode Lust verspricht, weist schon klar darauf hin, was für eine Ideologie in Wahrheit die Männer des „Fight Club“ verbindet. Sie kommt schließlich zu sich selbst, als Tyler damit beginnt, seine eigene Privatarmee auszubilden, ein ohne Widerrede jeden seiner Befehle ausführendes Kollektiv herstellt. Die totale Verzweiflung über den Zustand, den Kapitalismus, geriert zur Rechtfertigung des Terrors, der scheinbar noch humane Züge trägt, denn bei allen Aktionen wird immer peinlichst genau darauf geachtet, niemanden zu töten. Doch dieser Umstand ist längst nicht mehr als der Anstrich eines durchaus auch linken Zynismus, für seine Getreuen hat er nur noch übrig: „Wie ein Affe, der in den Weltraum geblasen wird. Weltraumaffe. Bereit, sich zu opfern, um einem höheren Ziel zu dienen.“ Was er will, ist den Nullpunkt zu erreichen, von dem aus sich eine ganz neue Welt entwickeln soll. Er will eine Welt, in der zwischen den bewachsenen Trümmern der Hochhäuser Elche gejagt werden. Seine Untergebenen folgen ihm bedingungslos, selbst als einer von ihnen bei einem Anschlag getötet wird und Mr. Namenlos langsam erkennt, auf was für einen Irrsinn er sich eingelassen hat, entgegnen sie seiner Frage nach dem Namen des Toten in etwa: „Von uns hat keiner einen Namen.“ Als Mr. Namenlos den Toten erkennt und seinen Namen ausspricht, dasselbe von den Mitgliedern der Gruppe fordert, tun sie dies in der Form eines rituellen Opfergesanges, indem sie immer wieder im gleichen Takt sprechen: „Sein Name ist Bob Thornton!“ Der Name des einzelnen ist längst nicht mehr als Chiffre für das Kollektiv. Die ständige Selbstvergewisserung der eigenen Nichtigkeit wird zelebriert durch die endlose Wiederholung von „Wir sind der singende tanzende Abschaum der Welt.“ Ein Abschaum, der gemeinsam einem höheren Ziel dient, der Herstellung eines, wie auch immer, ursprünglichen Zustandes, in dem Opfer und Lust eine Einheit bilden, die Nähe zum Tod als Prinzip erhoben wird. Faschismus.

Tyler: „Gegen wen würdest du am liebsten kämpfen?“, Mr. Namenlos: „Gegen meinen Boss. Und du?“, „Gegen meinen Dad.“, „Ich kenne meinen Dad nicht. Als ich sechs war, war er verschwunden.“ Später kommt die Identität des Tyler noch mal an verschiedenen Stellen darauf zurück: „Wir sind die Generation von Männern, die von Frauen großgezogen werden.“ und „Unsere Väter waren unser Bild von Gott, aber sie haben sich verpisst.“ An diesen Stellen, und auch anderen, wird klar, dass das klassische Bild der bürgerlichen Familie auf Tyler/Mr. Namenlos und andere Komparsen des „Fight Club“ nicht mehr zutrifft, der Patriarch in Form des Vaters dort hinfällig wurde. Nun bürgt diese Hinfälligkeit selbstverständlich einiges an emanzipatorischem Potential, unter den gegebenen Verhältnissen sieht es jedoch anders aus. Die Figur des Vaters, die den kleinen Jungen nötigt, anzuerkennen, dass das primäre Objekt seiner Liebe, die Mutter, ihm durch ihn, den Vater, verwehrt bleibt, sorgt schließlich für die Identifikation mit dem übermächtigen Konkurrenten. Dem Vater, der das klassische Verbot des Inzest symbolisiert, die objektiven Gesetze der gesellschaftlichen Realität vermittelnd, wird nun nachgeeifert in der Hoffnung, irgendwann ihn zu ersetzen. Nun aber, in einem Zustand, in dem das Patriarchat so nicht mehr existiert, tritt an die Stelle des Vaters, der noch ein konkretes Verbot symbolisierte, etwas Unfassbares, etwas, das weder zu sehen noch zu greifen wäre, ein abstraktes Verhältnis nämlich. Dieses trägt Sorge dafür, dass es dem Jungen eben doch nicht gelingt, seinen Trieb zu befriedigen, die Mutter zu besitzen. Irgendetwas ist da draußen, dass die Mutter in Beschlag nimmt und sie ihm verwehrt. Die Wut, welche ehemals dem Vater entgegenschlug, sieht sich nun außerstande, ein konkretes Objekt zu finden und prallt auf nichts, denn auf abstraktes lässt sich schwer prallen. Der Chef, gegen den zu kämpfen gewünscht wird, ist nichts weiter als ein Austauschbares, das aus dem Abstrakten hervorgeht. Für die Identität Tyler jedoch, der die Landeszentralbank sprengen will, ist das Abstrakte wirklich Vater, denn nur innerhalb dieser Verhältnisse entwickelte ein Mr. Namenlos ihn als alter ego. Sein Vater und Feind ist unmittelbar das Kapital, welches er zu vernichten sucht, seine Mutter und Geliebte die ursprüngliche Natur, mit welcher er sich zu vereinen wünscht.

Die Sublimierung der Triebe des Mr. Namenlos findet zu großen Teilen durch das alter ego hindurch statt und das aggressive Sexualverhalten Tylers, von dem wir lautstark Zeugen werden, ist sein eigenes, dem er nicht ins Auge blicken will und kann. Nur während eines Kampfes, einer zutiefst sadomasochistischen Veranstaltung also, bei der allerdings beide Parteien den Vertrag über seine Ausführung unterzeichneten, lässt Mr. Namenlos ein wenig Dampf ab, den wirklichen Sexualakt überlässt er Tyler. Einem Tyler, der vor einem Calvin Klein Plakat, mit durchtrainiertem männlichen Model, steht und lakonisch bemerkt: „Selbstverbesserung ist Masturbation. Selbstzerstörung dagegen...“ Diese „Fight Clubs“, diese Brennpunkte des Sadomasochismus, bilden die Welt der Männer, zu der eine Marla keinen Zutritt mehr hat. Sie verbleibt in der Welt der Selbsthilfesekten, da Trost und Vergebung eigentlich schon immer den Frauen oblagen, als weiblich deklariert sind. Der ultimative Sieg über Trost und Vergebung aber, die absolute bewusste Hingabe an den Sadomasochismus, existiert nur in der Welt der kämpfenden Männer, auf den blutverkrusteten Böden der Kellerlöcher. Für sie, Marla, bleibt nur die Möglichkeit von Tyler gefickt zu werden, als Unterwürfige dem Masochismus an der Kette liegend, versucht sie in ihrem verzweifelten Wunsch nach Nähe und Zuneigung, noch mit Vergewaltigungsphantasien zu reizen.

Einige sehen in diesem Film nur irgendein cool inszeniertes Machomärchen, andere verherrlichen ihn aufgrund des Zynismus eines Tyler Durdens, nirgends jedoch ein Wort über die innere Zerrissenheit des bürgerlich männlichen Subjekts, das Umschlagen von Gesellschaftskritik in Faschismus oder den Zerfall des klassischen Patriarchats. Warum auch, ist es doch eh nur ein weiterer Hollywoodschinken, der zu allem Überfluss ein totaler Flop an allen Kinokassen wurde. Mal im Ernst, dieser Film ist der Illustration kommunistischer Kritik dienlicher, als die meisten langweiligen Statistiken und die paar vorangegangenen Fragmente bilden nur einen Bruchteil von dem, was man anhand dieses Films darstellen kann. Seht ihn euch mit offenen Augen und vor allem wachen Geiste an. Es lohnt sich.

Schlaubi


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last modified: 28.3.2007