Über das neue Leipziger Harmoniebedürfnis unter Linken
von Mario Möller & Sören Pünjer
Die radikale Linke befindet sich in der Krise.
(...) Trotzdem sehen wir derzeit keinen Sinn, permanent auf der Krise der
radikalen Linken zu beharren.
(Bündnis gegen Rechts Leipzig, Incipito 08/03)
Die Ausgangsfrage, die wir uns stellen wollen, lautet wie folgt:
Verschanzen sich hinter dem Ruf nach Frieden umstandslos die Mörder
oder muß differenziert werden, mit welchem Ruf nach Frieden es die
Mörder halten?
Folgte man der Logik der Ceh Ieh-Autorin Clara Schuhmann (ehemals
BGR Leipzig), die in der Sommerausgabe (Nr.101) in ihrem Text
Antideutsches Reinheitsgebot die Kritische Theorie auf die Zeit vor
der Shoah runterbricht und damit zugleich die eigene Unfähigkeit
offenbart, durch ein konsequentes Denken nach Auschwitz über das
Seminaristendasein als Textexegetikerin hinauszukommen, dann muß obige
Frage in alle Ewigkeit unbeantwortet bleiben auch wenn man sonstwie den
Willen zum Differenzieren bekundet. Wenn also Fräulein Schuhmann in o.g.
Text behauptet, das Leipziger Bündnis gegen Rechts (BgR) und die
Wertkritischen Kommunisten Leipzigs (WKK) verträten eine Position
jenseits von Krieg und Frieden, dann würden die Mitglieder dieser
beiden Gruppen zugleich jenseits von Gut und Böse stehen und damit
Nietzsches Übermenschenfantasie vom amor fati als den höchsten
Zustand menschlichen Daseins verkörpern. Leute, in denen es im Gegensatz
zu Clara Schuhmanns Hirngespinsten denkt und nicht vor sich hin adornot
und benjamint, die also Adorno und Walter Benjamin erkenntniskritisch im Sinne
des Begriffs von der Flaschenpost und des Zeitkerns ernst zu nehmen versuchen,
können erkennen, daß in Leipzig derzeit die Harmoniesucht in Form
geistigen Zombietums ausgebrochen ist einem Zustand von Geistlosigkeit,
der insbesondere durch gegenseitige Beteuerungen sich ausweist, wie lieb man
doch letztlich einander hat.
Diese Leipziger Verhältnisse stehen ganz in der Tradition der 89er
Revolution der Runden Tische und des Dialoges; ganz dem linken Gemeinnutz
verpflichtet, hat die eigennützige Kritik nur dann zu erfolgen, wenn sie
ihren Gegenstand vorsätzlich verfehlen soll; anstatt also den zu
Kritisierenden wegen seines Gegenstandes zu kritisieren, das zu kritisierende
Subjekt durchstreicht und zum reinen Objekt eigener Kritik macht, als ginge es
um die reine Lehre und nicht um die Kritik des Lehrers. Mit den Worten eines
Mitgliedes der Antideutsch Kommunistischen Gruppe Leipzig (AKG) namens Sven
ausgedrückt, klingt das im Cee Ieh Nr. 101 unter dem Titel
Neu im Angebot: Antideutsche DifferenziererInnen bezogen auf BgR,
WKK und alles, was in Leipzig dazwischen liegt, so: Ich möchte mit
diesen Leuten inhaltlich streiten, möchte ihre Position kritisieren und
nicht auf dem Ticket reisen. Sieht man einmal von dem Umstand ab, wie
sehr ein Sven hier den Nachholebedarf hinsichtlich der Klärung des
Verhältnisses von Bekenntnis und Bekennertum kund tut, so kann man
zumindest erahnen, was sich hinter dem floskelhaften Abhub auf den
Gutmenschenkitsch vom inhaltlich Streiten verbirgt: die falsche
Rücksicht auf Verluste, die der rücksichtslose Kritiker nicht
vermeiden kann, will er, anstatt inhaltlich zu
streiten, eben Kritik üben. Man kann festhalten: ein
Streiten ist keine Kritik und rücksichtsvolle Kritik ist
keine, sondern nur ein Kritisieren von Positionen;
Rücksichtnahme und rücksichtsloses Vorgehen sind miteinander
unvereinbar, schließen einander aus und sind deshalb in einem Dritten
(einem möglichen Kompromiß) nicht aufhebbar. Wer den Streit sucht,
kann nicht kritisieren, sondern verfällt notwendig dem tautologischen
Prinzip leidlicher Streitsucht fernab der Leidenschaft des Kritikers.
Konkret auf die Leipziger Verhältnisse bezogen bedeutet das: man will den
inhaltlichen Streit retten statt dem Gegenstand dadurch gerecht zu
werden, in dem die mutmaßlich kritischen Geister von WKK und BgR usf. zum
Schweigen gebracht werden. Dagegen kann man die Aufgabe des Kritikers
protestantisch formuliert so auf den Punkt bringen: dafür Sorge zu tragen,
daß wer nichts zu sagen hat, auch nicht sprechen soll.
Eine AKG-Veranstaltung im Mai mit dem Berliner BAHAMAS-Redakteur Justus
Wertmüller im Conne Island bescherte den Mitgliedern des Leipziger
Klüngels aus WKK, BgR und der Zeitung Incipito Einsichten, die
ihnen schmerzlich bewußt machten, wie sehr ein Moment bitter sein kann,
in dem man die Wahrheit über sich selbst erfährt und die man
erschrocken beschweigt sie also dadurch bravourös belegt, daß
man sich getroffen zeigt. Es waren knapp hundert Anwesende, die Maulaffen feil
boten, als der Wertmüller nicht seine Meinung geigte, sondern ihnen ihre
eigene Melodie vorsang. Und nicht wenige Leipziger Linke taten zum ersten Mal
seit langem etwas Richtiges: sie schwiegen einfach; und das war auch klug so.
Denn es war nichts geringeres als die Anerkennung des Realitätsprinzips
also jenes Umstandes, daß man die Lust am Streiten
recht schnell verliert, wenn man sich der unmittelbaren Einsicht beugen
muß, daß Reden eben doch nur Silber ist.
Umso goldiger aber redete man dann in Spießermanier hinter vorgehaltener
Hand drauf los, als der Fremde aus Berlin, gegen den man als Fremden
natürlich nichts hat, nur daß er eben nicht vom Stamme der Leipziger
Verhältnisse ist, wieder aus der Stadt verschwunden war. Man war sich
einig: Daß man kollektiv schwieg, lag nicht an einem selbst, sondern an
dem, der sie zum Schweigen brachte eine Projektion par excellence. So
hat der Abend mit Justus Wertmüller einiges zu Tage gefördert, mit
dem wohl die kühnsten Pessimisten nicht gerechnet hätten.
Pack schlägt sich, Pack verträgt sich
Daß in Leipzig nichts geklärt ist, zeigt sich nicht zuletzt daran,
daß es der Cee Ieh-Redaktion scheinbar ein dringendes
Bedürfnis war, mit schlechtem Beispiel voranzugehen und in quasi
vorauseilendem Gehorsam schon vor der Veranstaltung zu beschließen, sich
via Editorial in der Nummer 101 schützend vor das BgR zu stellen, das eine
gehörige Portion Verantwortung dafür trägt, daß am
sogenannten Tag X (dem Beginn der militärischen Befreiung des Irak) ein
Angriff auf eine AKG-Protestaktion gegen das Antikriegspack in Leipzigs
Innenstadt erfolgte. Sicher hat sich das BgR von Antisemiten während der
besagten Aktion in ihrer Erklärung So nicht! distanziert, in
dem es feststellte: Wir verurteilen nicht nur die Form des
Übergriffs, sondern auch seine Motivation auf das Schärfste.
(vgl. Cee Ieh Nr.99). Allerdings galt die Distanzierung der Cee
Ieh-Redaktion vor allem einen der beiden Autoren des vorliegenden Textes,
der in Cee Ieh Nr.100 gegen das BgR schrieb: Der Dialog wird
eingefordert, wo klar sein müßte, daß es hier längst
nichts mehr zu bereden gibt. (vgl. M. Möller, Die Geister, die
ich rief ...) Genau das aber ist die Wahrheit über einen Haufen
Linksradikaler, der noch nicht einmal davor zurückschreckte, sich mit
attac, den zweifelsohne würdigen Nachfolgern der nationalsozialistischen
Strasser-Brüder, zu Zwecken der Organisation einer Friedensdemonstration
in ein Bündnis für die echte Friedensbewegung zu begeben und dann
aber in seinem Papier So nicht nüchtern feststellt, als
hätte man mit alldem nicht sehr viel zu tun: am Tag X kam es zu
tätlichen Übergriffen einer aufgebrachten Menge, die sich aus dem
Spektrum der Friedensdemonstration konstituierte und an der sogar
TeilnehmerInnen der von uns mitorganisierten linken Demonstration
teilhatten. Das festgestellt, folgt im Papier nicht einmal beiläufig
Selbstkritik an dem eigenen Versagen. Vielmehr treibt das BgR die Sorge um das
Gemeinschaftsgefühl: Grundsätzlich ist eine Abnahme des
innerlinken Dialoges zu beobachten, welche die Leipziger Szene Berliner
Verhältnissen näher bringt. Anstatt also genau an diesem
Punkt zu begrüßen, daß sich scheinbar auch in Leipzig endlich
die Spreu vom Weizen trennt, wird genau das beklagt und der innerlinke
Dialog zum Maß aller Dinge, zur zwingenden Notwendigkeit
erklärt. Woran das liegt, erklärt das BgR nur zwei Zeilen
später: Bezüglich des antisemitischen Angriffs auf die AKG teilt man
mit, daß diese Art der `Kritik' von vornherein unverstanden bleiben
muß. Und fürwahr scheint genau das der Unterschied ums Ganze
zu sein. Im Gegensatz nämlich zum BgR haben die beiden Autoren des
vorliegenden Textes sehr wohl von vornherein verstanden, was das Ziel solcher
Attacken ist: der Wunsch nach Liquidierung der Feinde der Massen, welche nur
von der Güte der linken Sache überzeugt werden müßten.
Jede Distanzierung des BgR, jede Klage darüber, daß man sich von
Leuten, die Angriffe wie am Tag X durchführten, abgrenzen müsse, ist
von der Sorge über das Ende des innerlinken Dialoges getrieben
und nicht davon, nach den wirklichen Ursachen und der damit
zusammenhängenden Mitschuld zu fragen. Und so stellt folgerichtig das BgR
kurz und knapp nach dem dialogischen Prinzip solidarischer Kritik an die
übelsten Leipziger Halunken gerichtet fest: Selbst wenn wir der
anstürmenden Meute euphemistisch eine Artikulation der eigenen Kritik an
den Positionen der AKG unterstellen, so entbehrt diese Form der
Auseinandersetzung jeglicher Unterstützung unsererseits. Kritik kann und
muß sich anders äußern. Die Autoren des vorliegenden
Textes stellen dagegen in aller Deutlichkeit fest: 1. Wer sich so
öffentlich bezüglich übler Antisemiten äußert und mit
Liebesentzug (jeglicher Unterstützung) droht, ist Teil des
Problems, weil er sich auch wider Willen mit dem Pack gemein
macht, denn nur wer grundsätzlich Unterstützung leisten
will, kann mit der Versagung selbiger drohen. 2. Solches Pack
gehört nicht kritisiert, wie es vielleicht dem BgR vorschweben mag,
sondern rücksichtslos bekämpft wie jede andere faschistische Gefahr
auch. 3. Das bedeutet zugleich, ihnen keinerlei Rückzugsgebiet oder
ruhiges Hinterland zu gewähren, wie es in Leipzig in
unterschiedlicher Form insbesondere das BgR und die Zeitschrift
Incipito praktizieren die einen, in dem sie sich in
Bündnisse mit denen begeben, die die diese Leute bedienen wollen, die
anderen, in dem sie zum Beispiel genau jenem Antikriegsbündnis im Heft
Platz für Propaganda einräumen.
Jeder, der verstehen will, wird das Gefasel des BgR als das
entziffern, was es ist: Ausdruck von typisch linkstraditionellem und
konsequenzenlosem Bewegungsfetischismus, der letztlich das antisemitische
Pogrom notwendig zur kontextlosen Formsache machen muß und als eine
Verfehlung weniger einzelner verharmlosen, anstatt es als den folgerichtigen
objektiven Ausdruck von Bewegungspolitik zu begreifen. An dieser Stelle einmal
mehr zum Mitlesen für alle, die immer noch nicht verstanden haben, was
gemeint ist. In dem Papier So nicht heißt es in puncto
Übergriffe auf Antideutsche: Linksradikale Gesellschaftskritik, die
das Streben nach sozialer Emanzipation nicht völlig aufgegeben hat, kann
derartig regressive Tendenzen (!) nicht dulden (und jetzt anschnallen,
die inhaltliche Distanzierung des BgR von linken Antisemiten und
Antikommunisten) oder ohne Abgrenzung gemeinsam mit ihren VertreterInnen
demonstrieren. Wenn aus antiamerikanischem Ressentiment und
deutsch-nationaler Motivation gehandelt wird, dann bestehen für eine
kommunistische Praxis keine politischen Anknüpfungspunkte. (Herv.
d.A.) So sieht also eine Abgrenzung linker Bewegungsfetischisten
aus: Immer auf der Suche nach Anknüpfungspunkten. Anstatt
einzuräumen, daß es ein grober Fehler war, auf Befehl des
Berufspolitikers Thomas Ebermann zur alternativen Friedensdemonstration in
Leipzig zu mobilisieren, sich in Bündnisse zu begeben, wo einschlägig
bekannte Gangs sich zusammenrotteten, anstatt endlich mit diesem Bewegungsmist
aufzuhören und die Kritik des Antisemitismus einmal in der subjektiven
Konsequenz für sich selbst, seinem Verhältnis zu
Massenbewegungen überhaupt, ernst zu nehmen und nicht als regressive
Tendenzen anderer immer und immer wieder zu verharmlosen, fällt dem
BgR nichts besseres ein, als die Abgrenzung von diesen
deutschen International-Sozialisten zu propagieren, die man, das weiß man
aus dem obligatorischen Ressentiment gegen die Zeitschrift BAHAMAS und Co.,
gerade immer dann für falsch hält, wenn man mit ihr einmal wirklich
ernst machen muß also statt sich gegenseitig ein Leipziger
Allerlei aufzutischen zum Beispiel geklärte Berliner Verhältnisse
gutheißt.
Deutsch ist da, wo die Linke ist
Anstatt sich von diesem linken Klüngel nun endgültig zu
verabschieden, schonungslose Kritik zu üben und der objektiv zwangsweisen
Einsamkeit des Kritikers sowie dessen Ohnmacht gegenüber den
Verhältnissen gewahr zu werden, hat man nichts besseres vor, als
bezüglich des linken Packs mittels Abgrenzung gemeinsam mit ihren
VertreterInnen zu marschieren und dabei permanent nach
Anknüpfungspunkten Ausschau zu halten die
bewegungspolitische blinde Wut des Praxisfetischismus also zur Endlosschleife
machend. In genau diesem Sinne wird vom BgR in dem Blatt Incipito
(Nr.08/03) kräftig nachgelegt: Die Frage war (und bleibt), wie
mit unterschiedlichen Positionen innerhalb eines linksradikalen Bündnisses
umzugehen ist (...), ohne daß eigene Grundsatzpositionen aufgegeben
werden. (...) Allerdings halten wir es auch im Nachhinein noch für richtig
zu versuchen, die anderen von der eigenen Position zu überzeugen.
Stellt man dieser ungeheuerlichen Ankündigung, auch beim nächsten Mal
dabei sein zu wollen und sich mit dem Pack gemein zu machen, solange es nur die
eigenen Grundsatzpositionen nicht in Frage stellt das BgR
also in Ruhe ließe , noch die Aussage eines Mitgliedes im BgR
Leipzig namens M. aus derselben Nummer des Incipito zur
Seite, dann wird überdeutlich, wie wenig sich diese Kriegsgegner in
der Sache von den Aussagen beispielsweise des Pfaffen Führer
unterscheiden können, und daß BgR-Mitglieder genausogut die
Kanzelpredigten in der Nikolaikirche halten könnten. M. schreibt also
allen Ernstes mit expliziter Bezugnahme darauf, die Gruppenposition des BgR
wiederzugeben, daß das Wesen des Krieges in der
massenhaften Tötung von Menschen bestünde.
Das Problem ist, daß eine sich antifaschistisch nennende Linke, sei sie
nun auf dem Bewegungstrip oder eher untergangswertkritisch gepolt, sich
objektiv zugleich als Multiplikator und Reinigungsmittel der Antikriegsbewegung
verdingt, genau das aber gerade deshalb besinnungslos leugnet, weil ihre
Vertreter nicht begreifen können, daß eine Position gegen das
Operieren der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten nach dem 11.
September quasi wie von selbst weder antifaschistisch sein kann noch
genügend resistent gegen ein nicht gewolltes Paktieren mit der
antisemitischen Internationale. Deshalb muß man diese linke Bande
meiden wie der Teufel das Weihwasser und mit ihr hart und nicht herzlich ins
Gericht gehen. Und das geht nur zu dem Preis, daß man es sich
persönlich mit diesen Banditen verscherzen muß, die einem
Bündnis von Mob und linker Elite nach dem Motto vereint schlagen,
getrennt marschieren Vorschub leisten. Nur so läßt sich die
Wahrheit gegen diese Leute verteidigen, deren Heimat nach eigenen zahlreichen
Bekundungen unwiderruflich genau da sein soll, wo die verkommene Linke ist.
Neuerdings sind nach Lage der Dinge genau solche Grüppchen und Personen
für die AKG in Leipzig noch zu retten, die in der Frage von Krieg und
Frieden denselben german speech draufhaben wie 98 Prozent der deutscher
Restbevölkerung, sich also in der Hauptsache in nichts
unterscheiden, und wenn sie auch hundert Mal beteuern, gegen Antiamerikanismus
und deutsche Wege sein zu wollen (welcher deutsche Depp, der was auf sich
hält, tut das im übrigen nicht?). Meint die AKG doch erkannt zu
haben, daß der Hauptfeind nicht in der eigenen Stadt steht, sondern in
der Fremde namens Berlin und Justus Wertmüller zzgl. BAHAMAS heißt,
dem man nach Aussage des AKG-Vertreters Sven böswillig auch
Ticketmentalität unterstellen könnte, (a.a.O.). Nach dem Motto,
daß man in Leipzig ja über alles reden könne, wirft sich die
AKG seit neuestem unverrichteter Dinge allen an den Hals, die davon schwafeln,
die Friedensbewegung auch nicht ganz so super zu finden, auch gegen
Antiamerikanismus zu sein und nach eigenen Worten bereit, Israel
gnädigerweise mehr als nur ein Existenzrecht
einzuräumen.
Was nur passiert hier? Nun, die AKG führt uns klassisch vor, wie man
sukzessive den eigenen Wahrheitsanspruch relativiert, in dem man anfängt,
im Sinne des Fichteschen Idealismus vom Ich=Ich Objektivität in
Subjektivität aufzulösen, jeden also als das gelten zu lassen, was er
je von sich behauptet zu sein. Damit unterminiert die AKG nichts geringeres als
die Grundlage jeder materialistischen Kritik, die Marx in seiner Schrift
Zur Kritik der politischen Ökonomie so formulierte:
Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich
selbst dünkt, ebensowenig kann man eine (...) Umwälzungsepoche aus
ihrem Bewußtsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies
Bewußtsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem
vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und
Produktionsverhältnissen erklären. (MEW Bd. 13, S. 9) Es geht
also gerade darum, das Geschwafel von WKK, BgR u.a. materialistisch, das
heißt ideologiekritisch zu erden, also die Relation von objektivem
Handeln und subjektiver Verlautbarung herzustellen und sich im Hegelschen Sinne
anzustrengen, einen Begriff von der Sache zu machen, der ihr, rückgebunden
an die Bedingungen der Möglichkeit von Zeit und Raum, entsprechend eigener
Erkenntnisfähigkeit gerecht zu werden vermag, ohne dabei den Gegenstand
der Kritik, also salopp formuliert die Sache und den Adressaten, zu
vernachlässigen und somit gerade keiner subjektlosen Kritik zu verfallen,
die die Dialektik aus ihrer Beziehung von Subjekt und Objekt reißt.
Der o.e. Text von Clara Schuhmann (Cee Ieh 101) verdeutlicht recht
anschaulich, worin das Problem besteht, das die AKG ereilt. Schuhmann schreibt:
Der Unterschied zwischen Barbarei und Polemik besteht im Gegenstand der
Kritik. Vernichte ich den Text oder will ich den Menschen vernichten, der ihn
schrieb. Genau da ist der Punkt zu suchen, der den Kritiker vom
Seminaristen unterscheidet, die Leidenschaft des Kopfes von der Kritik als Kopf
der Leidenschaft. Es ist schlußendlich ein Unterschied ums Ganze, ob ich
eine Kritik des Textes vom Autor des Textes loslöse und damit Kritik zum
anatomischen Messer mache, das am leblosen Material rumschnippelt anstatt sie
als Waffe zu begreifen, die natürlich auf den Autor des Textes zielen
muß. Denn was interessiert denn letztlich das Geschwätz
über den Text, wenn die Person, die ihn verfaßt hat, mir nichts dir
nichts aus dem Schneider ist, also ungeschoren davon kommt? Warum also
kritisiert man einen Text? Doch nicht etwa deshalb, um so der Sache
vermittlungslos gerecht zu werden, sondern um die Begriffe, die sich ein
jeweiliger Autor von der Sache meint gemacht zu haben, als durch das Subjekt
vermittelte, durch es hindurch gegangenes zu begreifen. Wer Text und Autor
trennen möchte, wie Clara Schuhmann es vorschlägt, verrät nichts
geringeres als ein Bedürfnis nach Ontologie, wie man es vom
Heideggger-Verehrer Derrida und dessen Grammatologie her kennt:
einer Auftrennung des eigentlichen Seins (hier des Textes) und des angepappten
Seienden (hier des Autors). Anstatt also den erkenntniskritischen Anspruch zu
erheben, Werk und Autor konsequent zusammendenken zu wollen, redet eine wie
Clara Schuhmann dem Jargon das Wort, dessen Begriffsschaum gerade dadurch so
gut ankommt, weil durch ihn das Denken in Häppchen propagiert wird
nach dem Motto: Das Werk hier, der Autor da.
Kurz gesagt: Der Unterschied ums sprichwörtlich Ganze, zwischen
Geschwätz und Kritik, besteht in dem von abstrakter Negation als reiner
Lehre und bestimmter Negation als wirklicher Kritik. Es geht also um die
Betonung des Unterschiedes zwischen konsequenzlos idealistischem Gefasel und
materialistischer Erdung. Das heißt, Kritik als der konkrete
Versuch der Abschaffung von etwas zielt tatsächlich in
erster Linie darauf, wie Marx schrieb, den Gegenstand als ihren
Feind zu betrachten, den sie nicht widerlegen, sondern
vernichten will, und damit eben nicht einfach nur auf den Text, sondern
vor allem auf den Autor. (vgl. Zur Kritik der Hegelschen
Rechtsphilosophie, MEW 1, S.380) Dabei geht es weder in Gänze darum,
den Autor ausschließlich über den Text, noch darum, den Text
vorzugsweise über den Autor zu kritisieren. Es geht um die Relation von
beiden zueinander, die manchmal die Betonung des einen und manchmal die
Betonung des anderen erfordert. Je nach Kontext und Notwendigkeit muß
also das eine gegenüber dem anderen vernachlässigt werden, was
wiederum Fehler des Kritikers nicht etwa ausschließt, sondern ganz im
Gegenteil unter der Betonung des subjektiven Faktors geradezu einschließt
und eine endgültig zufriedenstellende, quasi zeitlose Ausgewogenheit
schlichtweg verunmöglicht.
Entscheidung auf der Höhe der Zeit
Doppelt und dreifach ist zu unterstreichen, was Justus Wertmüller auf der
Veranstaltung in Leipzig über das Bedürfnis nach
Beschäftigung mit der Marxschen Wertformanalyse, Wert- bzw.
Arbeitskritik und derlei Dinge mehr sinngemäß bemerkte: Im
Augenblick der gefährlichen Situation braucht man tatsächlich nicht
mit Leuten über dergleichen Dinge zu reden, wenn diese nicht nur keine
antifaschistische Entscheidung auf der Höhe der Zeit für den
Waffengang der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer Verbündeten
treffen wollen, sondern sich mit ihrer Antikriegsposition zugleich als
anti-antifaschistisch outen. Solange also diese Leute nicht den antideutschen
Antifa-Ruck durch ihre Reihen gehen lassen und diese sich dann entsprechend
lichten, gehört ihnen solange auf den Nerven herumgetrampelt, bis sie die
Schnauze dermaßen voll haben und selbige zum Thema halten. Denn genau
dieser antideutsche Antifaschismus ist nicht nur bloße Vorbedingung
kommunistischer Kritik, er ist vielmehr derzeit entscheidender Ausdruck des
Kommunismus als wirkliche Bewegung und Programm der Abschaffungen.
Im genauen Gegensatz dazu meint AKG-Sven, sich schützend vor die WKKs
stellen zu müssen, weil die in keinem Papier geschrieben
(hätten), daß man gegen jeden Krieg sein müsse. (a.a.O.)
Fürwahr, das haben sie nicht. Allerdings sollte man sich einmal fragen,
was schlimmer ist: gegen jeden Krieg zu sein oder, wie es WKK schreiben,
gegen Krieg, und ob das ja vielleicht beides auf`s Selbe
hinausläuft (vgl. konkret 05/03). Nicht zuletzt sollte man sich das
angesichts solcher WKK-Statements fragen: Unbedingte Solidarität mit
Israel heißt weder unbedingte Solidarität mit Scharons Likud, noch
unbedingte Solidarität mit der israelischen Linken. (ebd.) Und
deshalb heißt unbedingt für WKK vor allem anderen, sich
nur nicht konkret für oder gegen etwas in puncto Israel zu entscheiden,
also alles und nichts zugleich. Welcher Bodensatz solch Ich-schwache
Theoretiker gedeihen läßt, das kann man bei Kurzens Robert
nachlesen, dessen höherer und formvollendeterer Ausdruck die Leipziger
Nachtschattengewächse aus dem Hause WKK sein wollen. Wenn es um
Antifaschismus und die Anti-Hitler-Koalition geht, dann liegt der ganze
Krisis-Mumpitz in vollster logischer Unmöglichkeit blank. Soll doch nach
den Theoretikern der Krisis, zu deren bekennenden Epigonen sich die WKKs trotz
informellem Parteiausschlußverfahren wohlgemerkt nach wie vor
zählen, der Nationalsozialismus und Auschwitz eine Form von
Betriebsunfall sein, also historische Einmaligkeit, die sich nicht wiederholen
könne, zugleich aber eine Art zu sich selbst gekommene
Aufklärung verkörpern.(1)
Hinsichtlich der Wert-Theoretiker gilt vor allem anderen: Eine Krisistheorie
teilt sich nicht in zwei! Und deshalb kann man unumwunden feststellen: die
Krisis-Theorie ist Zivilisations-Schrott, der nicht recycelt werden sollte
soviel Zivilisationskritik muß schon sein. Gerade deshalb aber
begehen die AKG-Mitglieder einen unverzeihlichen Fehler, wenn sie sich auf
diese Rostlaubentheoretiker einlassen und ihnen aus purer Abgrenzungshuberei
bezüglich der Redaktion BAHAMAS und zig anderer antideutschen
kommunistischen Gruppen und Einzelpersonen zur Seite springen: Den WKKs
ist gerade zugute zu halten, meint die AKG in Folge ihrer Veranstaltung
mit Justus Wertmüller explizit gegen dessen richtige Kritik an den WKKs
einwenden zu müssen, daß sie sich am 15. Februar (der ersten
großen Friedensdemo in Leipzig d. A.) und am sogenannten Tag X
teilweise mit uns gegen die Friedensbewegung und nicht zufällig unter die
israelische Fahne stellten, sich so mit uns gemein machten. (vgl.
Homepage der AKG, An die Freunde der kommunistischen Kritik). Die
WKKs hätten sich also mit den antideutschen Kommunisten Leipzigs
gemein gemacht. Der schwere Irrtum der AKG besteht darin zu
verkennen, daß wer zweimal auf der richtigen Straßenseite steht,
wohl kaum grundsätzlich auf der richtigen Seite sich befinden muß,
sondern maximal als gefährlich wirr und irrational durchgehen kann, wenn
man zugleich auch noch siehe oben in die Welt hinausposaunt, man
sei eigentlich grundsätzlich gegen Krieg. Daß am 15.
Februar und am Tag X die WKKs teilweise auf Seiten der AKG zu
finden waren, steht für die völlige Inkonsistenz des wertheoretischen
Unternehmens namens Krisis. Daß also letztlich das teilweise
Verhalten der WKKs im völligen Widerspruch zu ihrer Theorie der Endkrise
steht, ist einzig und allein das Problem der Leipziger Krisentheoretiker, die
damit nichts anderes zum Ausdruck bringen, als daß man sie nicht mehr
ernst nehmen darf, wenn man ihnen bei der Selbstfindung behilflich sein will;
bekunden sie doch mit ihrem Verhalten nichts anderes, als daß sie
gespaltene Persönlichkeiten verkörpern, die zwar nicht herzlos sind,
in denen aber zweierlei Herzen schlagen eines für den
endgültigen Untergang des Abendlandes und eines für die
Möglichkeit von Restvernunft. Gerade aber weil das so ist, darf man sie
keinesfalls an sich heranlassen, sie nicht hofieren, will man ihnen ernstlich
helfen. Denn daß ihnen ihr Verstand gebietet, im Zweifelsfall ja doch
eher das Richtige tun zu wollen, sie also genau dann angekrochen kommen, wenn
sie das schlechte Gewissen plagt, heißt zwar noch lange nicht, sie
machten sich mit antideutschen Kommunisten gemein, wie die AKG behauptet, doch
spricht es zumindest dafür, daß Hopfen und Malz nicht endgültig
verloren zu sein scheinen. Gerade deshalb aber muß man ihnen die Flausen
austreiben, darf es ihnen gegenüber nur eine klare Position geben:
Antideutsch verkleidete Krisis-Theorie ist ein trojanisches Pferd, das man sich
nicht einbestellen darf und das rücksichtslos demontiert gehört statt
sich ihm an den Hals zu werfen.
Wer schweigt, stimmt zu
Wer sich den WKK-Theoretikern oder dem BgR-Geschwafel nicht rücksichtslos
entgegenstellt, macht mit, ob er will oder nicht. Und dafür spielt es auch
überhaupt keine Rolle, ob die Genannten kritische Sequenzen in ihre Texte
einfließen lassen oder nicht. Wichtig ist einzig und allein die objektive
Wirkung, die etwas hat. Das gilt gerade, wenn man das Subjekt ernst
nimmt und nicht einfach vernachlässigt oder der Sache wegen
durchstreicht. Soviel materialistisches Grundwissen dürfte auch bei der
AKG vorhanden sein. Fest steht also: Beide Gruppen, ob BgR oder WKK, wollten
die bessere Friedensbewegung gegen einen Krieg, der eine katastrophale
Entwicklung ins Stocken und eine Ikone des antiimperialistischen Barbarei
definitiv zu Fall brachte das kann man nicht nur wissen, sondern
hätte es im Vorhinein wissen müssen. Wer diese
unumstößliche Wahrheit eine Lüge nennt, wie Clara Schuhmann es
in besagtem Text dilettantisch gegen die Redaktion BAHAMAS tut, lügt sich
das eigene Versagen zurecht, indem man die anderen des Verrats an der Sache
zeiht. Schuhmann schreibt: Wer mit derlei Unterstellungen arbeitet, ist
weit von kommunistischer Kritik entfernt. Dagegen läßt sich
nur eines einwenden: Wer einen antifaschistischen Krieg ablehnt, ganz gleich
wie, ist für einen antideutschen Kommunisten schlichtweg indiskutabel. Was
aber nach wie vor bleibt, ist die Frage an die anti-antideutschen Kritiker, was
erstens gegen die Definition des Waffenganges der USA und ihrer
Verbündeten als antifaschistisch spricht und zweitens, hinter welchem Ruf
nach Frieden sich die Mörder denn nicht verschanzen würden. Es
spricht für sich, daß genau diese Fragen von Seiten der Leipziger
Linken unbeantwortet blieben. Im Gegensatz zur offensichtlich linksgewendeten
AKG steht für die beiden Autoren des vorliegenden Textes nichtsdestrotz
fest: Wer einen antifaschistischen Krieg nicht unterstützt und die
barbarische Gefahr nicht wahrnimmt, ja nicht wahrnehmen will, der kann auch
schlechterdings gegen die Friedensbewegung das Maul aufmachen. In
Antifa-Kreisen hatte man vor Jahren für derlei logische Binsenweisheit die
Kurzformel: Wer schweigt, stimmt zu.
Wer ernsthaft eine Solidarität mit Israel einfordert, aber eben aus dem
Lachen nicht in den Schlaf kommt, wenn es darum geht, eine effektive
Verteidigungsfähigkeit des Staates Israel einzufordern, die gerade auch
präventiven Charakter haben kann, ja muß, wie will der sich von
Leuten abgrenzen, die die Vernichtung des Staates der Juden wollen? Wer
Maßnahmen, die den Sturz eines faschistischen Systems zur Folge haben und
die der Sicherung der Existenz Israels dienlich sind und dies ist ein
klares Ergebnis des Irak-Krieges, das vorher als Ziel feststand nicht
gut heißt, der stellt den jüdischen Staat letztlich zur Disposition
und kann so auch kaum effektiv gegen Antisemiten vorgehen, sondern sich nur
formal und damit halbherzig auf Bündnisveranstaltungen á la der
linken Antikriegsdemo in Leipzig zum Tag X abgrenzen, wie es im
BgR-Jargon so schön heißt. Ein BgR und die WKKs können also
soviel beteuern wie sie wollen, objektiv gesehen stehen sie auf einer Seite, wo
sie sicherlich selbst gar nicht hinwollten und dennoch landeten. Fakt ist und
bleibt: Wer sich gegen den Krieg aussprach, kann nicht wirklich erbitterter
Gegner der deutschen Friedensbewegung sein. Und diese Bewegung gehört
rücksichtslos bekämpft, denn sie ist Teil der antisemitischen
Internationale, die dafür steht, daß weltgesellschaftlich von rot
bis braun, grün und bunt, Nord und Süd, von unten bis oben
zusammenwächst, was nach ideologiekritischer Maßgabe notwendig
falschen Bewußtseins zusammengehört. Wer demzufolge nicht sieht,
daß es spätestens nach dem 11. September darauf ankommt, die
antisemitische Internationale zu stoppen und dies nach Lage der Dinge
hauptsächlich nur im Verbund mit den Vereinigten Staaten und Israel
möglich ist, der ist zwar nicht automatisch Antisemit, aber gut und gerne
Teil dieser no global-Bewegung, kann also objektiv wohl kaum ihr entschiedener
Gegner sein.
Mit der kompromißlosen Kritik von WKK und BgR, die durch ihr linkes
Lavieren genau diesen kritischen Teil der Bewegung verkörpern,
steht und fällt letztlich ein antideutsches Projekt in Leipzig, das seinen
Namen verdient und für das so dachte man zumindest bisher
mehr recht als schlecht bis zur Veranstaltung mit Justus Wertmüller die
AKG einstand. An die Adresse der AKG läßt sich nur verkünden:
Man darf weder von persönlichen Freundschaften oder dem Uni-Studium sich
dumm machen lassen, noch vor den Konsequenzen seiner eigenen Erkenntnisse
zurückschrecken. Und das bedeutet nach wie vor: Hinter dem Ruf nach
Frieden von BGR, WKK und Konsorten verschanzen sich die Mörder!
Als Jean Améry seinen Text Der ehrbare Antisemitismus
schrieb, konnte er verständlicherweise nicht ahnen, welche Entscheidung
heute ansteht. Und so hieß es bei ihm angesichts der durch und durch
antizionistischen Linken hoffnungsvoll: Der Augenblick einer Revision und
neuen geistigen Selbstbestreitung der Linken ist gekommen; denn sie ist es, die
dem Antisemitismus eine ehrlose dialektische Ehrbarkeit zurückgibt.
Auf der Höhe der heutigen Zeit formuliert muß es heißen: Der
Augenblick einer Entkoppelung von linkem Antikapitalismus und kommunistischer
Kritik ist unwiderruflich da, denn nicht mehr der Antisemitismus ist in der
Linken gefangen, sondern die Linke vollends im Antisemitismus. Wer sich also
heutzutage dafür entscheidet, die Linke retten zu wollen, der muß
sich notwendig barbarisieren. Seinen Grund hat dies schlicht und ergreifend in
der veränderten objektiven Wirklichkeit der Weltgesellschaft. Denn
sukzessive verliert die linke Ideologie spätestens seit 1989 rasant jeden
fortschrittlichen Gehalt. Das heißt, die Linke ist objektiv und
sprichwörtlich nicht nur nicht mehr zu retten, nicht nur also ein
hoffnungsloser Fall, sondern eine Bedrohung für den Kommunismus.
Fußnote:
(1) So schreibt Robert Kurz in seinem Text Fanta auf
Lebenszeit: Wenn die Nazis auch bereits den manifesten Todestrieb
des Warensubjekts ausagierten, so repräsentierten sie doch gleichzeitig
einen möglichen Entwicklungsweg der bevorstehenden Epoche. Sie waren also
im Stande, der weiteren Ausformung kapitalistischer Weltgesellschaft ihren
Stempel aufzudrücken. Deshalb ging es im 2. Weltkrieg um die Frage, ob die
zweite industrielle Revolution des Fordismus durch ein
antisemitisch-rassistisches und militärisches Weltreich der
Achsenmächte oder durch eine ökonomische und konsumistische
Weltmarktgesellschaft der Pax Americana geformt würde. Eine solche
innerkapitalistische Alternative stellt sich heute nicht mehr, obwohl sie von
Bush bis zu den Bahamas, von Blair und Schröder/Fischer bis zur Jungle
World beschworen wird. Der islamistische Terrorismus ist mit seinem technischen
Potential des Massenmords gemeingefährlich, aber nicht mehr
gesellschaftlich form- und entwicklungsfähig. Dasselbe gilt für die
herrschenden demokratischen Mächte. (www.krisis.org) In seinem
Schwarzbuch Kapitalismus (München 2001) legt Kurz noch eine
andere Platte als Ergänzung auf: Alle Grundelemente des Denkens, das
zu Auschwitz geführt hat, entstammen dem breiten Strom der
Modernisierungsgeschichte und ihrer Ideologisierung. (S.555)
Letztlich verweist das KZ im Mikro- wie im Makro-Maßstab auf die
zwanghafte Natur des Kapitalismus überhaupt, dessen ganzes Fabrik- und
Arbeitssystem nie etwas anderes war als die ins Alltagsleben übersetzte
Militärdespotie. (S.563) Auschwitz (muß) als der Anfang
vom Ende aller Nationen betrachtet werden. Und damit steht auch der
Kapitalismus als solcher zur Disposition, der die Nation erfunden und dessen
Logik letztendlich auch Auschwitz hervorgebracht hat. (564 f.)
Diese `antikapitalistische Revolution' auf dem Boden und in den Formen
des Kapitalismus selbst hatte nirgendwo etwas mit sozialer Emanzipation zu
tun; sie war nur die repressive Durchsetzungsform für eine neue
Entwicklungsstufe der kapitalistischen Gesellschaftsmaschine. (S.566)
Insofern war Auschwitz die äußerste Konsequenz des Fordismus
als kapitalistischer Arbeits- und Industriereligion: die industrielle
Erlösung für die deutsche Blutsdemokratie durch die Vernichtung der
Juden. (S.570)
Zur weiteren Kritik der Krisis vgl. Sören Pünjer, Das Arche
Noah-Prinzip, in: Cee Ieh Nr. 91
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