home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt
[102][<<][>>]



Im Folgenden dokumentieren wir das Selbstverständnis des Anti-Olympischen Komitees Leipzig (AOK):
dokumentation, 1.1k

Fatal Error – The Game Is Over


Mit folgenden Thesen will sich das Anti-Olympische Komitee Leipzig der linken Szene vorstellen: warum wir gegen Olympische Spiele in Leipzig und anderswo eintreten, warum wir den Leistungswahn ablehnen und was wir unter dem anti-olympischen Gedanken verstehen, findet ihr hier in gedrängter Form.

No Olympic City, 19.9k

Unsere Kritik der olympischen Spiele trifft jede Form von Leistungssport. Das Leistungsprinzip als inneren Ausdruck der kapitalistischen Verwertungslogik lehnen wir von Grund aus ab. Überall, wo sich Menschen diesem Prinzip verweigern – ohne dabei überall konsequent sein zu können – passieren unseres Erachtens Schritte in Richtung Emanzipation vom Kapitalismus: Daher ist es müßig, uns zu fragen, ob wir denn womöglich auch gegen Weltmeisterschaften in irgendwas seien – ja, das sind wir klipp und klar.
Wir wenden uns entschieden gegen die Austragung der Spiele in Leipzig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Wir befürchten, dass die jetzt schon unerträglich massive Überwachung und Repression weiter verstärkt wird. Wir wollen nicht, dass in dieser Stadt verheerende architektonische und ökologische Kahlschläge betrieben werden. Die Aussage des Baubeigeordneten Lüdtke-Daldrup, nach welcher Leipzig einen immensen Vorsprung in der Stadtentwicklung erzielen könnte, verstehen wir als Drohung. Die Mietpreise würden explodieren. Wir verweisen auf mögliche verheerende finanzielle Schäden, die in allererster Linie zunächst die sozial Schwächsten treffen würden. Ebenso schrecklich wären die Konsequenzen für alle, die als sozial randständig begriffen werden. Für linke und alternative Projekte würden sich die Entfaltungsmöglichkeiten enorm schmälern und gewonnene Freiräume würden verloren gehen. Eine linke Jugendkultur passt dann überhaupt nicht in das Bild einer sauberen und ordentlichen Olympiastadt und wenn, dann nur als eigentlich entpolitisierte, die Metropolenansprüche der Stadt Leipzig flankierende 0815-Kultur. Deutschland als olympischer Austragungsort ermöglicht, eine vermeintlich führende Rolle in der Welt einzufordern.

Knock out Capitalism

Eine Kritik von Leistungssport und Leistungsgesellschaft kann nur dann wirklich fundiert sein, wenn sie sich mit einer grundlegenden Kritik am Kapitalismus zusammenschließt. Gleichzeitig ist die Kritik an den Olympischen Spielen für uns auch eine Möglichkeit, eine Kapitalismuskritik zu transportieren. Über das Aufzeigen der zerstörenden Logik des „Schneller – Höher – Weiter“ können Missstände der kapitalistischen Gesellschaft benannt werden.

Das Leistungsprinzip zertrümmern

Unsere Kritik beschränkt sich nicht auf die Austragung der Spiele in Leipzig. Im Leistungssport, speziell in den Olympischen Spielen, kommt all das zum Ausdruck, was wir am Kapitalismus ablehnen. Wir wollen keine Gesellschaft, die auf unentwegtem Zwang zu Arbeit, Wachstum und Leistungsprinzip beruht. Diese Prinzipien haben genug Elend über die Menschen gebracht (bspw. ökologische Zerstörungen im Großmaßstab, Aussortierung angeblich „unwerten“ Lebens, weltweites Elend trotz oder aufgrund immensen Reichtums, psychische und körperliche Krankheiten durch Überforderung und Überarbeitung). Es ist an der Zeit, für eine Gesellschaft einzutreten, die sich nicht mehr an diesen Leitlinien orientiert. Es geht uns um eine Gesellschaft, die Menschen nicht nach Leistung und Verwertbarkeit beurteilt und sich nicht an einem Punkt, wo diese Leistung sich immer weniger zu lohnen beginnt, daran macht, Menschen auszusortieren. Aber genau das passiert auch im Leistungsport. Menschen konkurrieren dort darum, wer der oder die Beste und Leistungsfähigste ist.

Gegen Sport und Arbeit

Selbst konservative Menschen beginnen zu erkennen, dass, wie sie sagen, Arbeit ihr identitätsstiftendes Moment verliert. Die Bundesregierung will jedoch mit dem unmenschlichen Hartzkonzept das Prinzip der Arbeit noch einmal retten, obwohl es eben immer weniger Arbeit gibt und immer mehr Menschen arbeitslos werden. „Sport tut Deutschland gut“ lautete eine Kampagne der letzten Zeit. Sie bringt die Gedanken des Leistungssports treffend zum Ausdruck. Es geht um das ständige Fitbleiben und Schuften für „unser Land“ – worauf wir keinen Bock haben.
Wenn schon nichts vom konjunkturellen Aufschwung zu spüren ist, dann sollen sich die Menschen wenigstens an den Erfolgen im Leistungs- und Hochleistungssports erfreuen. Sport bekommt hier die ideologische Funktion, die lange Zeit die Religion und später die Arbeit innehatte. Hier wird die Denkweise transportiert, nach welcher alle Menschen unentwegt Leistung erbringen sollen. „Von der Wiege bis zur Urne – turne, turne, turne“ war ein Spruch, den man zum Turn- und Sportfest in Leipzig zu hören bekam.

Überwachung /Vertreibung / Repression

Schon seit Jahren versucht die Stadt Leipzig sich selbst das Image einer sauberen und sicheren Metropole zu verleihen, nicht zuletzt durch das Pilotprojekt der Videoüberwachung. Dabei wird wie überall auf das Sicherheitsbedürfnis und ein diffuses Unsicherheitsgefühl breiter Bevölkerungsschichten gesetzt, die diese Überwachungsgesellschaft legitimieren.
Die Überwachungsgesellschaft spiegelt die Werte einer Gesellschaft wieder, die hierarchisch, diskriminierend und rassistisch ist. Überwachung und Kontrolle sind auch immer ein Abbild der jeweiligen Gesellschaft. Sie sind dem kapitalistischen System immanent, dessen Ziel es ist, die Menschen der Verwertbarkeit zur Verfügung zu stellen.
Olympia als sportliches und gesellschaftliches Großereignis wird eine Kette von verstärkter Überwachung und Kontrolle nach sich ziehen, um diesen Anspruch dann auch in der Weltöffentlichkeit zur Schau stellen zu können. Beispiele aus anderen olympischen Austragungsorten zeigen, dass Menschen, die nicht in diese blitzblanke Welt passen (wollen) und das Gesicht der Weltmetropole verzerren könnten, durch Vertreibungen und Kriminalisierung an den unsichtbaren Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Da eine linke Gegenkultur ohnehin staatlichen (und gesellschaftlichen) Repressionen ausgesetzt ist, wird sich der Kampf um Freiräume für linke und alternative Projekte verschärfen, da sich derartige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen unter der Flamme von Olympia und im Namen der Leipziger Freiheit noch leichter durchsetzen lassen werden.

Nationale standortideologische Motivation

Nachdem Leipzig die nationale Entscheidung für sich entschieden hat, und sich für Deutschland als olympischer Austragungsort bewerben darf, stellt sich die gesamte deutsche Nation hinter Leipzig. Es geht jetzt nicht mehr nur um den Standort Leipzig, welcher sich durch Olympia eine bessere Infrastruktur und mehr Arbeitsplätze erhofft, sondern um den Standort Deutschland. Sollte Deutschland Olympia nach Leipzig holen können, wäre dies ein weltweiter Prestigegewinn. Durch diesen kann sich eine Nation, die sich so lange ruhig und bedeckt halten musste, wieder offensiv und ohne Schüchternheit in der Welt präsentieren. Mit passendem Motto wird darauf hingewiesen, dass hier ein vereintes und wieder erstarktes Deutschland als Austragungsort für die Olympischen Spiele bereitsteht. Eine solche Showbühne stand derselben Nation schon 1936 zur Verfügung. Es kann der Welt ein geläutertes und weltoffenes Volk präsentiert werden, dass angeblich nichts mehr mit Antisemitismus und Rassismus zu tun hat. Olympia stellt einen weiteren Schritt dar, durch Geschichtsrelativierung einen Großmachtsanspruch Deutschlands in der Welt durchzusetzen.

Sind wir Lokalpatrioten?

Einige Linke werfen uns vor, dass es uns „nur“ um Leipzig ginge. Diesen Vorwurf weisen wir aus zwei Gründen zurück. Erstens lehnen wir die Spiele nicht nur in Leipzig ab, sondern generell. Dabei thematisieren wir nicht nur die Olympischen Spiele, sondern generell den Sport und darüber hinaus eine auf Leistung und Arbeit beruhende Gesellschaft. Allerdings wohnen wir in Leipzig und können daher schlecht die Spiele in NY verhindern. Zweitens denken wir sehr wohl, dass linke Praxis an den eigenen Lebensverhältnissen und Problemen ansetzen muss. Menschen sind über die Probleme, die sie selbst mit dieser Gesellschaft haben, am besten zur Gesellschaftskritik zu bringen. Daher finden wir es auch nicht verwerflich, für bessere Lebensbedingungen dort zu kämpfen, wo wir nun mal leben und den Scheiß verhindern, der in unserem Leben angerichtet wird. Eine Solidarität mit Menschen, die sich woanders gegen erniedrigende Verhältnisse wenden, schließt das eindeutig ein.

Der anti-olympische Gedanke

Coubertin, der Begründer des neuzeitlichen Olympia formulierte „Dabei sein ist alles“ als olympischen Gedanken. Er stellte den friedlichen Wettbewerb bürgerlicher Nationen in den Mittelpunkt seines Interesses. Das scheint rechten Sportideologen zu widersprechen, die im Sport eine Form des Krieges sehen und offen zugeben, dass hier stellvertretend Krieg geführt wird. Die Spiele 1936 in Berlin kamen dem NS-Deutschland sehr gelegen, die 1931 in Barcelona vergeben wurden. Sie nutzen sie einerseits, um ihre faschistische Politik zu vertuschen, und andererseits ihre Propaganda zu verbreiten, ihren Größenwahn und das „neue Deutschland“ den anderen Nationen vor Augen zu führen.
Wir betrachten die friedliche und kriegerische Lesweise des Sports zusammen: Im Kapitalismus ist der Frieden die Vorbereitung für den Krieg. Und der Krieg bereitet wiederum den Frieden vor, der unter kapitalistischen Bedingungen für viele Menschen ebenfalls nur ein beschissenes Leben bedeutet.
Friedliche und militante Befürworter des Kapitalismus stehen sich gar nicht so fern. Wir greifen sie beide an. Aus diesem Grunde wollen wir gegen den olympischen den anti-olympischen Gedanken formulieren: er läuft auf Muse, freies, selbstbestimmtes Tätigsein und bewusste Gestaltung der Gesellschaft im Interesse der Menschen hinaus. Das widerspricht dem Kapitalismus grundlegend. Hier wird gearbeitet, um Gewinne zu erzielen und Leistung um ihrer Selbs willen betrieben.

Freies Spielen statt Arbeit, Sport und Freizeit

Wir haben nichts gegen Fußball, Schwimmen, Tischtennis, etc. Allerdings wenden wir uns gegen die Ausrichtung körperlicher Betätigung nach immer höheren Leistungsparametern. Viele Menschen haben Lust auf körperliche, geistige und künstlerische Tätigkeit und das ist auch gut so. Allerdings wollen wir dazu nicht gezwungen werden und lehnen eine Gesellschaft ab, die von Menschen einfordert, unentwegt aktiv und kreativ zu sein. Körperliche Betätigung kann und soll hingegen Spaß bereiten.

Gegen Olympia!!!
Freie selbstbestimmte Tätigkeit contra Brot und Spiele!
Freude am Körper, Lust und Vergnügen contra Stählung des Körpers und Schlankheitswahn!
Muse contra Leistungsideologie!

In diesem Sinne treten wir für eine umfassende Gesellschaftskritik der bürgerlichen Arbeits-, Leistungs-, und Sportgesellschaft ein:

Für ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen als freie Individuen!


home | aktuell | archiv | newsflyer | radio | kontakt |
[102][<<][>>][top]

last modified: 28.3.2007