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Der folgende Text ist eines von zwei Referaten, das auf der Veranstaltung der Antinationalen Gruppe Leipzig (ANG) am 30. Oktober unter dem Titel “Die Terroranschläge vom 11. September & der besinnungslose Flankenschutz durch das linke Erklärungsmodell von der Weltgesellschaft als Streichelzoo” gehalten wurde.

Du sollst nicht töten

Zu Beginn mal wieder eine kleine Anekdote die so deutsch und authentisch ist, daß ich sie, gestern erlebt, gleich heute kolportieren will:
Handlungsort eine beliebige Cafe/Kneipe/Bar/Bistro in Leipzigs Süden. Unterhalten sich zwei über die Bombenangriffe auf Afghanistan. Stellt doch einer fest, daß nach Meinungsumfragen mittlerweile 80% der Deutschen gegen die Bombardements seien. Sagt der andere, das habe den Vorteil, daß man jetzt beruhigt auch offen dagegen sein könne. Meint ersterer wiederum, er habe sich erst kürzlich mit dem Inhaber des „Soundso“-Döner unterhalten, der verwundert war, warum die Deutschen bisher so zaghaft gegen den Krieg waren...
Auch ich verzehre hin und wieder gerne diese vorder-asiatische oder nah-östliche Speise. Nur vergeht mir nach solchen Äußerungen der Appetit und mich ziehts zu BAGEL BROTHERS.

„Den USA wird geraten, sie werden sogar gewarnt, ja nicht ‘alttestamentarisch’ zu reagieren. Nicht ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn’, sei die Parole, sondern die ‘Verhältnismäßigkeit’ von Verbrechen und Strafe. Jene Warnung ist im Kern eine Warnung vor ‘den Juden’, denn das ‘Alte Testament’, die hebräische Bibel, ist das A und B und C von Juden und Judentum. Ganz abgesehen davon besagt ‘Auge um Auge, Zahn um Zahn’ nichts anderes als die ‘Verhältnismäßigkeit von Verbrechen und Strafe’. Auch wenn jüdische Museen wie Pilze aus dem Boden sprießen, die Unkenntnis über uns Juden und das Judentum ist geblieben und auch die Bereitschaft, uns als ‘Ruhestörer’ und ‘Sündenböcke’ anzusehen.“
(Michael Wolfsohn, Allgemeine Jüdische Wochenzeitung 26. September 2001)

Montag für Montag ziehen sie wieder um Leipzig und die Ecken anderer deutscher Städte, vornehmlich um die der innerstädtischen Kirchen, nur ein Indiz für den zutiefst religiösen Ansatz ihrer Friedensbewegtheit. In Deutschlands HAUPTSTADT sollen es am 23. September sogar 4000 Menschen gewesen sein, die, als Postulat ihres fundamentalen Friedenswillens, den noch während des Kosovo-Krieges beschimpften Außenamts-Fischer samt seinem ministralen Bau anbeteten. Daß es „... vierzehn linke Gruppen ...“ gewesen sein sollen, welche jene Demonstration durchführten, war sogar dem sächsisch-anheimelnden Sender für zu enge Blue-Jeans tragende Dreißigjährige, Oldie FM, eine eigene Meldung im radikal kurzen Nachrichtenblock wert.
Schaffte es die (radikale) deutsche Linke unmittelbar nach den barbarischen Akten vom 11. September, nur mühsam ihre „klammheimliche Freude“ über die Zerstörung der „Symbole des Kapitalismus“ zu verbergen, und letztlich die Täter und sich selbst zu Opfern zu stilisieren. Schließlich konnte noch jeder auf seine persönliche historische Verletztheit durch das „Schweinesystem“ (Droste) verweisen. Und wenn nicht, so wußte man, wie schon immer Linke es wußten, von vielen anderen Verletzten, die man aber wie so oft gar nicht gefragt hatte, ob sie der Fürsprache bedürfen, sie wollen. Erst einmal die deutsche Opferrolle vorwärts begonnen, wie seit 19945 eifrig trainiert, folgt konsequent die pathische, weil durch Ausfall jeglicher Reflexion gekennzeichnete, Projektion auf die Anderen als die eigentlichen Täter. Wie das geht beschreibt Wiglaf Droste in einer Satire auf das alljährliche Gedenkenszenario um den 20. Juli wie folgt:

„Ob Militaristen, Sozialisten, Kommunisten, Christen, Seifenkisten ... jede Lobby hat ihre (... ) Toten. Das ist gut fürs Selbstverständnis, fürs Gefühl und fürs Image. Wer die Leichen von gestern hätschelt, braucht sich um die von heute nicht zu scheren. Die Deutschen, die ein ‘Drittes Reich’ ebensowenig verhindert haben, wie sie es bei einem eventuellen ‘Vierten’ tun werden, sind durch den posthumen Zugriff auf eine Handvoll Widerstandskämpfer in den Genuß der Kolllektivunschuld gelangt (und) dürfen heutzutage reklamieren, zur Erbengemeinschaft Widerstand e.V. zu gehören.“
(Wiglaf Droste; „War Hitler Antifaschist?“)

Sie stellen sich mit ihrem: „... kein Krieg ...“-geschrei in den Backround-Chor der politisch-repräsentativen Charaktermasken aus Kanzler-, Außen- und sonstigen Ämtern der postfaschistischen (?) deutschen Demokratie, die da wohl eher ergänzen würden: „... ohne Deutschland ...“, obschon ihnen der Sabber des Kriegsappetites als fast animalischer Reflex aus den Mundwinkeln zu laufen scheint, nur noch nicht wissend, oder es sich nicht wagend, wen als potentiellen Kriegsgegner zu benennen. Daß im Zuge aktuell beanspruchter, internationale Vermittlungsaufgaben, gerade im Nahen Osten, vorallem Israel, als, über friedliche Politikgestaltung von Deutschland zu belehrendes Staatswesen, gewissermaßen Platz eins auf der deutschen Friedens-Indexierung einnimmt, bemerkt wieder mal niemand. Es ist sowieso erstaunlich, daß, obwohl keiner der bekannten Attentäter des 11. September ein sogenannter Palästinenser war, sofort links-deutsches Interesse auf israelische Re-Aktionen focussiert war. Als wäre dortzulande der palästinensische Terror nicht „fast normal“ weitergegangen und bedurfte unmittelbaren Gegenhandelns. Israel fand sich sofort wieder, wie einst beim 6-Tage Krieg 1967, in der Rolle als Speerspitze der USA. Von den an die Adresse des Staates der Holocaust-Überlebenden existenzgefährdenden Drohungen „gerade jetzt Vernunft walten zu lassen“ ganz zu schweigen. Daß das Attentat Teil eines Glaubenskrieges war und ist, der „den USA, Israel und allen Juden der Welt“ (Bin Laden) galt, hat wieder mal niemand gehört. Das erinnert schon an jene Einwohner von Weimar, die „erschrocken“ waren, als sie von der US-Army, in einem autoritären Akt, durch das fast in Sichtweite der Stadt liegende KZ Buchenwald geschickt wurden, und schon damals nichts gewußt und gehört hatten.

„Die deutsche Linke hat ihr Verständnis von Links-Sein auf die Weigerung gestützt, dem Volk der Täterinnen und Täter tatsächlich ins Gesicht zu sehen. Die Singularität von Auschwitz ausblendend, hat sie den dogmatischen Schlummertraum, die ganz normale Linke eines ganz normalen Landes sein zu können, zu ihrem Selbstverständnis gemacht.“
(„Goldhagen und die deutsche Linke“ AutorInnenkollektiv; ELEFANTEN PRESS 1997; S. 8)

Doch wem wird hier was anempfohlen?
Wohl ahnend, daß es keine auf irgendeiner Moral, dem Recht der bürgerlichen Gesellschaft, fußende, adäquate Sanktion für den antisemitischen Vernichtungsakt vom 11. September geben kann, und im an wahlweise drei Kapiteln oder drei Bänden des Marx’schen „Kapital“ gebildeten Wissen, daß jenes sowieso ein „falsches Ganzes“ sei und daher nur FALSCHES zu vollbringen im Stande sei, wird die verstehbare Re-Aktion der Mitbetroffenen zur apokalyptischen Utopie gemalt, woraus dann wieder die Ableitung eines aggressiven Triebes zum Krieg, zum Tod, projiziert wird. Das Denkmodell dazu ist recht simpel, nämlich eines aus krudem Gedankenmüll, diverser Logiken und Kausalitäten, resultierend vielleicht gar als dialektisch denunziert, demgegenüber dann ein möglichst radikales Antibild gezeichnet wird. Es ist letztlich das Dilemma der links-radikalen Bewegungen, daß die von ihnen als Kapital-ismus definierte gesellschaftliche Totalität von Ware und Wert, scheinbar beliebig in der Lage ist, radikale Kritiken nicht nur auszuhalten, sondern sie utilitaristisch zu modifizieren.

„Aber wir haben es nicht nur mit Menschen zu tun, die wir bilden oder verändern können, sondern auch mit solchen, bei denen die Würfel bereits ausgespielt sind, vielfach solchen, für deren besondere Persönlichkeitsstruktur es charakteristisch ist, daß sie in einem gewissen Sinn verhärtet, nicht eigentlich der Erfahrung offen sind, nicht recht flexibel, kurz: unansprechbar. Diesen Menschen gegenüber, die im Prinzip selber lieber auf Autorität ansprechen und sich in ihrem Autoritätsglauben auch nur schwer erschüttern lassen, darf auf Autorität auch nicht verzichtet werden. Wo sie sich ernsthaft vorwagen bei antisemitischen Manifestationen, müssen die wirklich zur Verfügung stehenden Machtmittel ohne Sentimentalität angewendet werden, gar nicht aus Strafbedürfnis oder um sich an diesen Menschen zu rächen, sondern um ihnen zu zeigen, daß das einzige, was ihnen imponiert, nämlich wirklich gesellschaftliche Autorität, einstweilen denn doch noch gegen sie steht.“
(T. W. Adorno „Zur Bekämpfung des Antisemitismus heute“ in KLEINE SCHRIFTEN ZUR GESELLSCHAFT; Frankfurt/Main 1973; S. 110)

Fast sechstausend unschuldige Opfer unter den Trümmern des WTC reichen nicht zum Erschrecken. Man solle nicht so überempfindlich sein (Idiosynkrasie), wird Menschen abgesprochen, die es aus verschiedenen Sozialisierungen heraus eben doch noch sind, und sei es, daß sie sich einfacherweise noch ihrer Einbindung in die erste Natur gewahr sind und den spannenden Widerspruch am Bewußtseinslimes des ICH zur zweiten Natur, der Gesellschaft, ausfechten, statt sich in menschenverachtende Radikalität zu flüchten. Nein, das halluzinierte, apokalyptische Szenario des „Krieges der Zivilisation gegen den Terror“ wird aus akribischer Auflistung US-amerikanischer militärischer Interventionen, als einzige Handlungsoption abgeleitet um daran radikal-kritisch sich abzuarbeiten.
Und sollte es nicht, den zum Beleg der eigenen projektiven Kritik, notwendigen Weltenkrieg geben, der nur die traditionelle völkische Solidarität aller Deutschen untereinander und mit den üblich verdächtigen Hilfsvölkern im alten und neuen deutschen Osten und Nahen Osten herstellt, dann ist es, „wenn schon denn schon“ das arme und unterdrückte Volk Afghanistans, welches so gar nichts für seine Beherrschung durch die islamistischen Taliban kann, so vorab dem vereinnahmenden Mitgefühl deutscher Linker anheim fällt. So als wären es nur die Koran-Schüler (Taliban), welche die an sich progressiven afghanischen Massen an ihrer gesellschaftlichen Emanzipation hinderten, oder als würde ein, vielleicht auch herbeigesehnter Krieg, jener Emanzipation auch nur einen Bremsklotz in den Weg stellen. Wer jene Zustände verteidigen will, kann sich gleich zu Imam Omars islamistisch-internationalistischen Brigaden melden oder mit pakistanischen militanten Moslems auf die afghanische Grenze marschieren. Und, wer’s vergessen haben sollte, auch die pakistanische Militärdiktatur verfügt über Atomwaffen!!!

Zwischenzeitlich wird getreu der Volksweisheit des Judenhassers Luther, vom: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht ...“, nicht nur zur ewigen Wahrheit gefunden, sondern diese auf die USA projiziert, spekulativ voraussetzend, daß die Ankündigung man wolle „... die Schuldigen (an den Attentaten) jagen und zur Strecke bringen ...“ (George W. Bush in seiner allerersten öffentlichen Rede), eben gelogen sei, weil man sich von der Person Bush jene antisemitische Karikatur des hakennasigen, mit Stars and Stripes verzierten Zylinderträgers, nur diesmal noch in Cowboystiefeln mit Colt an der Hüfte, malt, nur weil man die ins eigene Weltbild selektiv aufgenommenen historischen Taten der USA locker aufzählen kann. Dabei nur die eine vergessend, die den eigenen Vorgenerationen einst, beim barbarischen Vernichtungsakt gegen die europäischen Juden, machtvoll Einhalt gebot, und zwar solch einen, der noch über fünfzig Jahre ihre Gelüste weitestgehend latent hielt. Die Welt von 2001 ist nicht die von 1945, aber die Deutschen scheinen geblieben zu sein.

„Sie sang das alte Entsagungslied, Das Eiapopeia vom Himmel, Womit man einlullt wenn es greint, Das Volk, den großen Lümmel“
Woran wohl mag der assimilierte Jude Heinrich Heine gedacht haben, als er seine „Liebe“ zu Deutschland in sein „Wintermärchen“ einschrieb.

Hatte sich die (radikale) deutsche Linke 1999 noch über den als scheinheilig dahergekommenen „Aufstand der Anständigen“ echauffiert, und dabei vor lauter anti-zivilgesellschaftlichem Verbalradikalismus nicht nur nichts mehr gegen den manifesten Antisemitismus durch im Heimatländle ansässige Nazis unternommen, sondern sich letztlich gegen die, zuerst Überwachungs-, und aktuell Anspruchs-Zivilgesellschaft benannte gestellt, um ihr dann noch „... den Krieg (zu) erklären ...“, ruft man schon wenige Tage später, im Gleichklang mit jenen, denen man die eigen richtige Identität zur Alternative bietet, ohne zu merken, daß jene mittlerweile eigenständige Kriegspolitik in Mazedonien betreiben; die friedliebende Volksgemeinschaft konstituiert sich nun aus fast allen Deutschen, nur mit der geringfügigen Differenz, daß einige schreien, sie seien Deutsche und Amerikaner, einige, sie seien nichts von beiden und einige, sie seien nur Deutsche.
Möglicherweise haben, weil sie den deutschen Mob der friedensbewegten 80er nicht zu jenem heterogenen völkischen Monolithen machen konnten, als der er sich aktuell darstellt, Petra Kelly und Gert Bastian sich Anfang der 90er selber die Kugel gegeben. Für das, was, nach den Attentaten vom 11. September, zur neuen deutschen Friedensbewegung anwuchs und wächst, wurde: Krieg, zum ontologisch gesetzten Seins-Begriff, zum Ding an sich. Krieg sei schlecht, weil er Krieg ist. Die (radikale) deutsche Linke setzt sich damit besinnungslos in die Kontinuität deutscher, ideologischer Rationalisierung, weil sie wie einst der philosophische Stichwortgeber des NS, Martin Heidegger, aus gleichen Begriffen gleichen Sinn (gleiches Sein) halluziniert.

„Das ist die Funktion der Heideggerschen Version der Lehre vom Primat der Sprache. Daß der Sinn des Wortes Sein unmittelbar der Sinn von Sein sei, ist schlechte Äquivokation (Doppelsinn; Gleichklang). Wohl sind Äquivokationen nicht nur unpräziser Ausdruck. Durchweg verweist der Gleichklang der Worte auf ein Gleiches. Beide Bedeutungen von Sinn sind verflochten. Begriffe, Instrumente menschlichen Denkens, können keinen Sinn haben, wenn Sinn selber negiert, wenn aus ihnen jegliches Gedächtnis an einen objektiven jenseits der Mechanismen der Begriffsbildung vertrieben ward.“
(T. W. Adorno „Negative Dialektik“; suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1997; S. 93/94)

Aber wäre dem nur so, ist es schon böse, doch wenn die aktuell zu verifizierende Vehemenz der Anti-Kriegsentäußerungen auch nur annähernd reflektiert würde, könnte man leicht feststellen, daß ein Gleiches, nämlich Protest zur gleichen Zeit, gegenüber allem, was der alltägliche Wahn des Kapitalverhältnisses produziert, ausgespart bleibt. In ihrer vorgeblichen Absolutheit der Kriegsablehnung, bei gleichzeitig postulierter, ergo absichtsvoller Ausklammerung der antisemitischen Tätermotivation, man erinnere sich, Sharons Tempelberg Besuch ist als „Beleidigung“ hinreichender Grund für eine über einjährige, antisemitische Führung eines barbarisch anmutenden Terrorkrieges des palästinensischen Islamismus gegen Israel, von der besinnungslosen Solidaritätslobby immer noch nicht geschnallt, produziert, bzw. reproduziert die (radikale) deutsche Linke massenhaft antisemitische Codes. Deren ideelle Grundlage hofiert die Täter und tötet die Opfer nochmals, weil als Absolutum geltender Pazifismus die Möglichkeit des Heraushaltens, der Position fern von Tätern und Opfern, von der kritischen dritten Position, an die Hochzeiten linken Existentialismus erinnert, heute aber zur autonomen „Aus dem Bauch Politik“ verkommen ist. Freischwebende Kritik heftet sich ans radikal Beliebige und sei es, daß im Sinne lutherisch-limitierten Dogmatismus, aus dem göttlichen Sittengesetz der Thora, vom: Du sollst nicht töten, das Verbot wird. Somit wird jegliche Reaktion abgesprochen, in deren Resultat die Option der Tötung von Menschen auch nur aufscheinen könnte.

Überall auf dieser Welt laufen bewaffnete Idioten umher und beschießen andere bewaffnete Idioten. Neben der ganz simpel, empirisch zu gewinnenden, differenzierten Sicht auf die unmittelbaren Motive der als „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Clausewitz, preußischer Militärtheoretiker) geführten Kriege – denn bei der Auflistung US-amerikanischer Militärinterventionen in die zweifellos auch, s.o. kategorisierte autoritäre Charaktertypen involviert waren – käme man auch, wir sprachen bereits über 1945, darauf, daß über die alte Frage allen Rechtes, seit dem alten Rom: Qui bono? (Wem nützt es?) nicht nur die Notwendigkeit einer Motivation zur Tat hergeleitet wurde, sondern der Charakter jener Motivation determinierte stets auch die Sanktion. Bei wiederum absichtsvoll erscheinender Ausklammerung der Umstände, die auch andere national-staatlich organisierte Kapitalfraktionen zu militärischen Handlungen motiviert, macht sich das Fehlen radikaler Kritik am kriegerischen Handeln jener Anderen höchst verdächtig, als vermutet selektive Wahrnahme.

Dabei ist die (radikale) deutsche Linke gegenüber ihrer eigenen Bewegung besinnungslos. Ihr Zeithorizont gleicht dem eines Kleinkindes. Schienen beim Kosovo-Krieg, obschon auch hier die Absicht der Schaffung eines islamistisch determinierten Großalbanien als Begleitung des menschenrechtelnden Kriegsgeschreis der UCK-Kombattatanten nicht registriert wurde, Teile der (radikalen) Linken sinnvoll, vor allem gegen die als Relativierung der Shoa daherkommenden deutschen Kriegsbegründungsformeln sich zu artikulieren – nicht zuletzt eine Konsequenz aus dem ideellen Versagen während des Golfkrieges von 1991 –, so werden aktuell jene anti-amerikanischen Ressentiments wieder hervorgeholt, die seit 1945 den Kritizismus der „besseren“ Deutschen an den USA begleiten und letztlich in der Kontinuität jener antisemitischen NS-Propaganda von den „amerikanisch-jüdischen Plutokraten“ oder wie auch immer die Codes heißen, stehen. Mit dem über diverse Kriegsablehnungsgründe codierten Anti-Amerikanismus, projiziert die (radikale) deutsche Linke die „Protokolle der Weisen von Zion“, jene antisemitische Verschwörungsideologie, die längst als Schöpfung zaristisch-russischer Geheimpolizei entlarvt ist, direkt auf die allböse „Supermacht“. Wie bei vielen ihrer Mitdeutschblütigen wird demnach aus dem, von der Anti-Hitler-Koalition machtvoll und autoritär erwirkten, Ende des von den Deutschen durchgeführten Judenmordes, eine Art Wettbewerb um bloße Kriegsgewinnerei, den man halt verloren hat, und wegen der gesellschaftlichen Gesamtdimension sogar als Opfer hervorgegangen zu sein scheint. Der deutsche Humanismus ist derzeit nur beängstigend. Er kann sogar jene alliierten Soldaten noch verurteilen, die beim Erleben der nur noch skeletthaft existenten KZ-Insassen und der Leichen ihrer Mithäftlinge, deren sadistische deutsche Aufseher-Bestien schlicht und einfach erschlugen. Hier nur ein Zahn für viele und ein Auge für viele Millionen Opfer. Man sollte sich auch als (radikaler) deutscher Linker stets gewärtig sein, daß, wenn die Alliierten der Anti-Hitler-Koalition jenes, jetzt den USA als Rachegelüste codierte Verhalten praktiziert hätten, heute weder deutsche Rechte und deutsche Mitte, aber auch nicht deutsche Linke existieren würden. Sie würden allerhöchstens ein Dasein als Kuhhirten fristen.
Oder wie seht ihr das?
Andreas



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last modified: 28.3.2007