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Das Verlautbarungsorgan

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Redebeitrag der AG Öffentliche Räume beim BGR über die Leipziger Volkszeitung (LVZ): Hetzblatt gegen „linke Chaoten“, welches alle Maßnahmen der Stadt propagandistisch vorbereitet – am liebsten, wenn es um mehr Überwachung geht.

Das schicke neue Hauptgebäude der Leipziger Volkszeitung versucht, frischen Geist vorzutäuschen. Doch im Prinzip ist sie heute wie zu DDR-Zeiten nichts anderes als Verlautbarungsorgan der jeweiligen Obrigkeit. Gestützt auf das ihr aus der Vorwendezeit zugefallene Monopol auf dem regionalen Zeitungsmarkt, ist das Blatt die blanke Karikatur auf freien oder unabhängigen Journalismus.
So war die LVZ auch beim Thema Videoüberwachung Vorreiterin. Von Beginn an rechtfertigte sie dabei unhinterfragt jede Maßnahme von Polizei und Stadtverwaltung. Die Kameraüberwachung am Connewitzer Kreuz wurde bereits im September 1999 propagandistisch vorbereitet. Damals waren Oberbürgermeister Tiefensee, Ordnungsamtsleiter Wassermann und der SPD-Landtagskandidat zusammen mit ihren Hofpresseschreibern der LVZ am Kreuz aufgetaucht. Sie interviewten demonstrativ besorgt die Kaufhallenleiterin und diktierten den sogenannten Journalisten in den Notizblock, die herumlungernden Trinker müßten polizeilich observiert werden. Auch als die Kamera im November installiert worden war, versuchte die Zeitung, das Thema extrem einseitig zu behandeln. Sie brachte in Massen konforme Leserbriefe, die meist so klangen, als wären sie wie in besten Bezirkszeitungszeiten von der Redaktion selber geschrieben. Andere Meinungen tauchten lediglich alibimäßig im hinteren Teil auf. Unfähig, Maßnahmen und Äußerungen lokaler Politiker auch nur ansatzweise kritisch zu hinterfragen, plapperte das Blatt schließlich auch den Autonomenhaß des Ordnungsbeigeordneten Tschense nach und faselte vom „Videoblick auf kriminelle Szene.“ Sie setzt damit ihre gewohnte Feindbildpflege von der gefährlichen und gewalttätigen linksradikalen Szene fort, die sie seit den Tagen der ersten Hausbesetzungen betreibt.
Naziaktivitäten werden demgegenüber mit wesentlich mehr Sympathie behandelt. Bei rechten Tätern wird meist verständnisvoll nach deren sozialen Problemen gesucht, um auch den letzten deutschen Täter noch zum Opfer zu machen. Politische Motivationen von Naziübergriffen werden generell ausgeblendet. Wenn politische Hintergründe einmal nicht zu leugnen sind, wie bei Naziaufmärschen, kann mensch in der LVZ die krudesten Gleichsetzungen zwischen links und rechts finden. Über einen fast schon fanatischen Totalitaristismus- und Gewaltbegriff wird immer wieder versucht, antifaschistischen Widerstand mit den Nazihorden in einen Topf zu werfen. Ein Kommentar zum Ersten Mai bestand fast ausschließlich aus den Wörtern extrem, linke und rechte Rattenfänger, Demagogie und aufgehetzte Jugend.
Dabei wird die Zeitung dem Volk in ihrem Titel dadurch gerecht, daß sie völkische, rassistische und autoritäre Einstellungen fördert. In Polizeimeldungen etwa werden Täter und Täterinnen, so sie denn keine Blutsdeutschen sind, prinzipiell ethnischen Gruppen zugewiesen. Mit dieser Praxis handelte sich die LVZ sogar bereits Rügen von Journalistenverbänden wie dem Deutschen Presserat ein.
Innerhalb der Zeitung, die je zur Hälfte Gruner+Jahr und Springer gehört, herrscht ein autoritäres Regime. Was nicht den nivellierenden antitotalitaristischen Ansprüchen von Blatteignern und Chefredaktion genügt, bekommt Ärger. Chefredakteur und Stalinismusopfer Hochstein hat jedenfalls keine Probleme, bei inhaltlichen Differenzen auch schon mal ganze Seiten im letzten Moment zu kippen.
Wenn in der LVZ gesellschaftskritische Stimmen nicht zu Wort kommen, weil es das LeserInnenvolk angeblich nicht lesen will, dann bleiben nur noch zwei Alternativen:
Boykott des Blattes oder, was Berliner ArbeiterInnen, Soldaten und Matrosen im Januar 1919 taten: Sie besetzten kurzerhand das Zeitungsviertel und verhinderten das Erscheinen der schlimmsten völkischen Hetzblätter mit revolutionärer Gewalt.


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last modified: 28.3.2007