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auf der anderen seite der barrikade
Offener Brief des Conne Island an die Leipziger Volkszeitung (LVZ)
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Am 24. November veröffentlichte die LVZ eine längere Konzertankündigung zum Konzert der New Yorker Hardcore-Legende Agnostic Front, die am selben Tag im Conne Island spielte. Der Autor Ingolf Rosendahl nutzte mit der LVZ ein Medium, das ausdrücklich entgegen dem Ansatz des Conne Island steht.
Für das Conne Island Grund genug, einen offenen Brief zu verfassen.
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Sehr geehrter Herr Rosendahl,
mit Empörung und Wut nahmen wir zur Kenntnis, dass Sie in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 24. November 1999, auf der lokalen „Bühne-Seite“, sich nicht zu schade waren, für eine schlimme Tageszeitung wie die LVZ einen positiven Artikel über die Skinhead- und Hardcore-Band Agnostic Front zu schreiben.
Wir verbitten uns das für alle Zukunft nachdrücklich ohne Ausnahme!
Das Conne Island wie auch die Band Agnostic Front verbindet eine gemeinsame Attitüde, die uns, die Band Agnostic Front und viele andere mehr bewusst in Gegnerschaft zu staats- und systemkonformen Blättern wie der LVZ setzen. Wir wollen von denen nicht gefeaturet werden, weil sie nur alles kaputt machen! Sie wollen in ihrem Wahn, der Leserschaft das Gute, die Information, zu geben, nur alles gesellschaftsfähig machen, in dem sie ab einem bestimmten Popularitätsgrad unvermittelt und plötzlich positiv und affirmativ über etwas berichten, was vorher von ihnen runter – oder niedergemacht wurde, weil sie der Meinung sind, es könne ihnen nicht mehr gefährlich werden.
Die Journalisten sind zutiefst korrumpierbar. Sie werden korrumpiert von der durch den Kapitalismus zur Ware gemachten Information, der sie hinterherhecheln, bis sie sie bekommen – und wenn sie dafür über Leichen gehen müssen. Die Dümmsten dieser Gilde denken tatsächlich, sie würden wertneutral oder objektiv berichten können. Ob Sie, werter Herr Rosendahl, zu denen gehören, lassen wir an dieser Stelle mal offen.
Uns geht es ebenso wie der Band Agnostic Front: Es geht weniger in erster Linie um Kultur als Synonym für „gute Mucke“ oder so, sondern um einen politischen Aspekt, als Kampf gegen die gesellschaftlichen Zustände. Dabei steht die LVZ definitiv – wenn man so will – auf der anderen Seite der Barrikade.
Die LVZ ist ein Blatt, in dem permanent gegen nicht-deutsche Arbeiter gehetzt wird und die rassistische Naziforderung nach „Arbeitsplätzen zuerst für Deutsche“ Unterstützung findet, obwohl man bekundet, gegen Nazis zu sein. Gleichzeitig bietet man ausdrücklichen Nazis – insbesondere der NPD und der DVU – regelmässig eine Plattform mit Bild und O-Ton bzw. unkommentierter inhaltlicher Wiedergabe deren Propaganda und Hetze. Die rassistische deutsche Asyl- und Ausländerpolitik wird seit Jahr und Tag redaktionell unterstützt, die Menschenjagden und das menschenverachtende BGS-Regime an deutschen Grenzen wir durch die LVZ regelmässig bejubelt, die Bevölkerung zur Denunziation von Flüchtlingen aufgefordet. Selbst die Tatsache sinkender Kriminalitätsstatistiken wird von der Zeitung zum Anlass genommen, die Leserschaft vom Gegenteil wider besseren Wissens zu überzeugen: so erklärt man den Lesern in Leitartikeln kurzerhand, die Kriminalitätsrate sinke, weil niemand mehr bei der Polizei Anzeige erstatten würde – wir nennen das niedersten journalistischen Populismus. Es werden zuhauf rassistische Stereotype in der Berichterstattung reproduziert und abgerufen: Ausländer gleich Dealer und Kriminelle. Dass Ausländer in der Mehrzahl nur deshalb als kriminell in Erscheinung treten, weil sie gegen rigide und diksriminierende deutsche Gesetze, die gegen Nicht-Deutsche gerichtet sind, verstossen, die ihnen ein Recht auf ein ungestörtes Leben verwehren, interessiert die LVZ null. Ebenso ist das Blatt regelmässig bemüht, den Militarismus in Form einer Hofierung der Bundeswehr und Nato wieder aufleben zu lassen. Ganz zu schweigen von der kriegsverherrlichenden Berichterstattung anlässlich der von Deutschland ursächlich(!) verschuldeten Kriege in (Ex)-Jugoslawien. Die imperialistische deutsche Grossmachtpolitik wird unter nationalistischem Getöse ohne Kritik unterstützt. Zuguterletzt wird seit geraumer Zeit in der LVZ gegen Obdachlose und Alkoholkranke im Stadtteil Connewitz gehetzt und die Forderung der Stadtpolitik unterstützt, dieses Klientel aus der öffentlichen Wahrnehmung zu vertreiben und die stasimässige Videoüberwachung noch zu forcieren. Der demokratisch-pluralistische Journalismus der LVZ ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, gegen autonome linke und antifaschistische Politik zu hetzen. Da wird linke Politik, die sich mit den gesellschaftlichen Zuständen nicht abfinden will, kontinuierlich mit Nazi-Propaganda als gemeinsame „extremistische“ Sosse verunglimpft. Sehr geehrter Herr Rosendahl, Sie schreiben in der LVZ, die Band Agnostic Front hätte „mehr Herz und Hirn als das meiste, was zu Hitparaden-Ehren kommt“ oder die Musik der Band sei der „rebellische Soundtrack für rebellische Kids“ oder sie „reissen Wunden in die fetten Flanken der Wohlstandsgesellschaft“ oder sie zeigten „stubenreinen Möchtegern-Punks die roten Rücklichter“. Dazu sei Ihnen folgendes gesagt: Sie schreiben diese Zeilen in einem Blatt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen die linke autonome Szene in Leipzig und überhaupt, gegen die Punks in Leipzig und überhaupt zu hetzen. Genau diese Leute aber, gegen die die LVZ ständig hetzt, besuchen in der Hauptsache ein Konzert von Agnostic Front, lesen NICHT die LVZ, sondern lehnen dieses Blatt ab. Sie gehen zu solchen Konzerten, damit sie diese Hetze überhaupt aushalten und merken, dass es neben ihnen noch hunderte andere Leute gibt, die genau so oder ähnlich denken wie sie selbst. Sehr geehrter Herr Rosendahl, Sie zitieren die Band Agnostic Front in Ihrem Artikel mit dem Song „New York Police State“ und bezeichnen diese Zustände richtigerweise als „Alptraum-Welt“. Doch nie würden Sie, Herr Rosendahl, wohl auf die Idee kommen, dass hier in Leipzig polizeistaatsähnliche Zustände herrschen, die es rechtfertigen, auch in Leipzig von einer langsam aber stetig entstehenden „Alptraum-Welt“ zu sprechen: Videoüberwachung, schikanöse Kontrollen und Razzien bei Nicht-Deutschen, in Connewitz werden seit Wochen willkürlich und schikanös Menschen, die nicht dem „normalen“ Aussehen entsprechen, permanent kontrolliert, durchsucht, observiert und verfolgt. Das alles ist legitimiert durch das deutschlandweit schärfste Polizeigesetz, dem man sogar die Demokratie opferte, in dem diesem Gesetz die Verfassung angeglichen wurde! Darüber steht in der LVZ kein Sterbenswörtchen – im Gegenteil, die LVZ schürt diesen Terror noch! Dem Conne Island wird die Förderung durch den Oberbürgermeister Leipzigs storniert, weil in der Conne Island-Publikation Cee Ieh ein Protestaufruf gegen den Antisemiten Goerdeler dokumentiert wurde und die LVZ hat nichts besseres zu tun, als die Proteste gegen diese Ehrung herabzuwürdigen. Gegen all diese Zustände und Denkweisen, denen sich auch die LVZ verpflichtet fühlt, spielt eine Band wie Agnostic Front an – wenn auch nicht konkret, sondern als Lebensgefühl bzw. Lebenseinstellung. Und deshalb hat diese Band nichts in Ihrer Zeitung, Herr Rosendahl, verloren! Und deshalb spielt sie auch im Conne Island! Sehr geehrter Herr Rosendahl, wir halten Sie persönlich als Journalist für ein kleines unbedeutendes journalistisches Licht, wegen dem dieser Brief nicht hätte entstehen müssen. In diesem offenen Brief geht es deshalb auch vielmehr darum, vor unpolitischen Musikliebhabern(!) wie Sie einer zu sein scheinen, sowie der LVZ und ähnlichen Medien zu warnen!

Leipzig, den 25. November 1999
Ihre Conne Island Crew



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last modified: 28.3.2007