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An dieser Stelle dokumentieren wir einige Redebeiträge, die auf der antifaschistischen Demonstration am 16.11.1996 in Wurzen gehalten wurden.

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Einleitungsredebeitrag des Bündnis gegen Rechts] [Redebeitrag zum Thema Repression (BgR)] [„Antifa in der Provinz“ der Antifa Nierstein] [Redebeitrag der Antifa RDL]

Einleitungsredebeitrag (Bündnis gegen Rechts)

Liebe Demoteilnehmerinnen und Demoteilnehmer, geschätzte Polizistinnen und Polizisten, werte Presseverteterinnen und -verteter, sehr geehrte Wurznerinnen, Wurzner und Voyeure.

Wir sind Heute nicht hier, um uns als Verteterinnen und Verteter der Tourismusbranche, Sachgebiet anitfaschistische Demonstrationen, ausnahmsweise mal in Wurzen zu treffen. Nein. Vielmehr gebietet es die Situation in Wurzen und im gesamten Muldentalkreis, durch unsere Anwesenheit ins öffentliche Blickfeld zu rücken, was jahrelang in nahezu ungestörter Eintracht gedeihen konnte.
altersheim, 5.6k
Modell Deutschland. Erst Flüchtlingsheim, dann Faschoangriff, jetzt Altersheim.
Die blühende Landschaft ostdeutscher Provinzen ließ die Neonazis in Wurzen zu den Prinzen der Provinzen werden. Unter der absolutistisch anmutenden Hoheit von Bürgermeister Anton Pausch werden die Neonazis in Wurzen seit 1991 hofiert und in ihren Machenschaften bestätigt.
Der Öffentlichkeit scheint es entgangen zu sein, daß noch vor dem Pogrom in Hoyerswerda in Leisnig, nahe des Muldentalkreises, und kurz darauf in Wurzen selbst, der Beginn der Pogromwelle gegen Flüchtlinge und die für sie von staatlicher Seite eingerichteten Lager zu datieren ist.
Der Verweis auf diese Tatsache hat auch über den Fakt als solchen einen symbolischen Gehalt für die Realität in der Bundesrepublik Deutschland: Das Organisationsmodell der Muldentaler Neonazis ist in einem neuen Maße gesellschaftsfähig. Die Option, dem sozialpädagogischen Klischee „rechtsorientierter“ Jugendlicher so zu entsprechen, daß damit Operationsfelder offen bleiben, die das „Stigma“ Neonazi ins Leere laufen lassen, versetzt die Muldentaler Neonazis in die Lage, sich als Lobby der gesamten Muldentaler Jugend darzustellen und zu bestimmen, was „die“ Muldentaler Jugend braucht und was nicht. Wo in anderen Landstrichen die Entwicklung der Nazi-Szene entweder noch nicht so weit gediehen ist oder andere Organisationsmodelle strenger Hierarchisierung nicht den gewünschten Effekt erzielten, wurde im Muldentalkreis und besonders in Wurzen, ganz bewußt auf jene Argumentationsmuster gezielt, die der Politik der Verantwortlichen im Muldentalkreis im großen und ganzen zugrunde liegen. Zu vermuten, diese seien großartig von den allgemeinen in der Bundesrepublik zu unterscheiden, ist ein schwerer Irrtum. Schließlich wird allerorten gleichlautend argumentiert, daß alles nur eine Frage des Phänomens „Gewalt“ sei, die nur als „Hilfeschrei“ beantwortbar wäre.
Spätestens nach der staatlichen Intstrumentalisierung der Neonazis zur de facto-Abschaffung des Asylrechtes in Deutschland beansprucht der Staat das Monopol auf Rassismus. Genannt seien hier als Stichworte nur das Staatsbürgerrecht, die Ausländergesetzgebung und das Schengener Abkommen.
Dabei kommt es dem Staat nicht gelegen, daß der Rassimus der Stammtische - also des Volkes Maul - die Opferstatistik des täglichen staatlich reglementierten Rassismus nach oben addiert. Die zum Selbstmord getriebenen Flüchtlinge in den Abschiebelagern oder die in den Tod getriebenen an der Ostgrenze sind international schon Problem genug. Es ist deshalb von staatlicher Seite gewollt, Rassismus nicht beim Namen zu nennen, der eben auch, und das darf nicht vergessen werden, von „unten“ diktiert wird.
Die angebliche Globalisierung der Märkte, die ja nicht mehr und nicht weniger ist, als der ungehemmte Kapitalfluß nach Wegfall des Ostblocks, baut auf den nationalen Konsens des deutschen Volkes, seinen Wirtschaftsstandort Deutschland nicht unnötig zu beflecken b.z.w. unbedingt rein zu waschen. Der für alle schmerzliche Abbau der Sozialleistungen ist den Deutschen Opfergang genug. Darüber täuscht auch nicht der punktuelle Widerstand gegen die prozentuale Minderung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder ähnliches hinweg. Sozialpartnerschaft ist in Deutschland laut Sozialgesetzgebung ein Projekt, das hier lebende Menschen mit deutschem Paß eindeutig den Vorzug gibt.

In Wurzen sieht es in punkto Beförderung der Nazi-Szene chronologisch unter anderem so aus:

  • 1991 Überfall auf das Flüchlingsheim: Die Täter erhalten einen Jugendtreff, die Opfer müssen verschwinden.
  • 1994 Überfall auf portugiesische Bauarbeiter: Die Täter erhalten einen Jugendtreff, die Opfer müssen verschwinden.
  • 1995 Überfall auf das einzige alternative Wohnprojekt: Die Täter erhalten einen Jugendtreff, den Opfern wird alternatives Wohnen von kommunaler Seite untersagt.
Wie überall in Deutschland zeigen Öffentlichkeit und Verantwortliche Solidarität mit den Tätern. Herausragendes Beispiel ist derzeit der Lübecker Prozeß gegen Safwan Eid. Doch auch das aktuellste Beispiel vom 7. November in Grimma, der Kreisstadt des Muldentalkreises, illustriert eindeutig, um wessen Wohl es geht:
Drei jugendliche deutsche Rassisten stechen zwei Menschen aus der Türkei mit Messern nieder und verletzen einen dritten durch Schläge und Tritte. Prompt folgen O-Töne wie, die Jugendlichen Täter seien nicht ausgelastet, es fehlten ihnen die Ziele im Leben oder es müßte der Jugend mehr geboten werden.
npd-plakate, 3.9k
Kulturelle Hegemonie: NPD- auf Kinoplakaten.
Die Strategie der Nazis im Muldentalkreis hat sich diese Argumentationsreflexe zu eigen gemacht und stößt damit seit Jahren auf offene Ohren. Nur so konnte es ihnen gelingen, die jugendkulturelle Hegemonie im gesamten Muldentalkreis zu erringen. Es gelang ihnen, den Muldentalkreis zu ihrem Aufmarsch- und Rückzugsgebiet zugleich auszubauen. Aufmarsch auf der Straße, in den Schulen, in den Jugendtreffs und vor den Verantwortlichen. Rückzug ins traute Heim der familiären Geborgenheit und des Schutzes. Rückzug auf den Status angeblich engagierter, ordentlicher Jugendlicher, die nichts anderes wollen, als Lobby für die gesamte Muldentaler Jugend zu sein. Deshalb sprechen wir davon, daß der gesamte Muldentalkreis zu ihrem Zentrum geworden ist.
Seit Jahren wird ihnen im Muldentalkreis auf den Leim gekrochen. Die wenigen, die sich dagegenstellten, wurden eingeschüchtert und mundtot gemacht oder direkt physisch angegriffen.
Die Demonstration soll denjenigen Mut machen, die bereit sind, sich gegen die Neonazis zu stellen. Sie soll deutlich machen, daß wir selbstgewählt auf der Seite der Opfer stehen, denen alleinig unsere Solidarität gehört. Es geht darum, mit dieser Demonstration antifaschistische Ansätze zu unterstützen, die der einzig gangbare Weg zur Zurückdrängung der Nazis sind. Diese Demonstration soll zeigen, daß antifaschistischer Widerstand auch überall dort möglich ist, wo sich die Neonazis anschicken, ähnliches wie im Muldentalkreis aufzubauen. Sie prangert gleichzeitig alle Verantwortlichen im Muldentalkreis und auf Landesebene an, die diese Situation mitzuverantworten und mitverschuldet haben.
Wir fordern alle auf, die Aktivitäten der Neonazis nicht länger zu dulden und rechte Übergriffe nicht zu verschweigen und zu verharmlosen.
Nicht diese Demonstration ist das Problem, sondern die Situation, die diese Demonstration dringend notwendig macht.

Bündnis gegen Rechts, Wurzen, 16. November 1996


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Einleitungsredebeitrag des Bündnis gegen Rechts] [Redebeitrag zum Thema Repression (BgR)] [„Antifa in der Provinz“ der Antifa Nierstein] [Redebeitrag der Antifa RDL]

Zum Thema Repression (Bündnis gegen Rechts)

Im Juni vergangenen Jahres kam es hier in Wurzen am damaligen Nazitreffpunkt „BB-Baracke“ zu Auseinandersetzungen zwischen Antifas und einigen Faschos, die geglaubt hatten, sie könnten die Plakatierung ihres Domizils verhindern. Die zwei anwesenden Polizeibeamten positionierten sich dabei mit gezogener Dienstwaffe eindeutig auf seiten der Nazis. Im Verlauf des Zusammentreffens gingen einige Scheiben des Naziclubs zu Bruch und etwas Tapetenleim geriet auf die Billiardtische. Abgesehen davon, daß Bürgermeister Anton Pausch noch am selben Tag in Begleitung eines Glasers den Tatort besichtigte und schnell dafür sorgte, daß der Treffpunkt seiner Zöglinge umgehend wieder nutzbar gemacht wurde, wäre zu dieser Geschichte weiter nichts zu sagen. Höchstens noch, daß während eines angekündigten Überfalls der Nazis auf ein von alternativen Jugendlichen bewohntes Haus in der Wurzener Berggasse keine Polizei mit gezogener Dienstwaffe schützend vor den Opfern stand. Und daß Bürgermeister Anton Pausch nach jenem Vorfall nicht alles unternahm, um das Haus wieder bewohnbar zu machen. Stattdessen verkündete er öffentlich das Ende jeglichen alternativen Wohnens in Wurzen, da von solchen Objekten – Zitat – „offensichtlich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ ausginge.
bullen, 5.6k Wie gesagt - dazu wäre weiter nichts zu sagen. Hätten nicht kürzlich 14 junge Wurzner Bürgerlnnen eine Anklageschrift wegen Sachbeschädigung, gemeinschaftlich begangenem schweren Landfriedensbruch sowie schwerem Widerstand gegen Vollzugsbeamte wegen dieses Vorfalls an der BB-Baracke zugesandt bekommen. Augenscheinlich gingen die Verfolgungsbehörden hier nach dem bekannten Prinzip „Verhaften sie alle üblichen Verdächtigen“ vor. Aus der Kartei der Wurzener Polizei wurden offensichtlich willkürlich Namen von stadtbekannten Punks und Linken herausgesucht, in der Hoffnung, wenn schon nicht alle verurteilen zu können, so die restlichen wenigstens einzuschüchtern.
Es läge nahe, dieses Vorgehen trotz seiner Gefährlichkeit und Bösartigkeit als typische Provinzposse aus dem Muldental abzutun, wüßte man nicht, daß solche Spielchen kein Einzelfall sind und selbst in Städten und Regionen praktiziert werden, die rechtsstaatlich-demokratisch und nicht halbfeudal verfaßt sind wie der Herrschaftsbereich des Provinzfürsten Anton Pausch. Hier müssen städtische Angestellte um ihren Arbeitsplatz bangen, wenn sie eine andere als die herrschende Meinung vertreten. Undenkbar für diese Menschen, beispielsweise an einer Demonstration wie dieser teilzunehmen.
Auch in Leipzig gab es kürzlich ein ähnliches Verfahren. Angeklagt waren, nach der Einstellung mehrerer Ermittlungsverfahren, noch 11 Personen aus linken Zusammenhängen, denen „Gemeinschaftliche schwere Körperverletzung“ und „schwerer Raub“ vorgeworfen wurden. Diese Anklage bezog sich ebenfalls auf eine Auseinandersetzung mit Nazis vor einem Leipziger Kino, in dem der mehr als fragwürdige Film „Glaube, Liebe, Hoffnung“ gezeigt wurde. In diesem Film werden Leipziger Nazis unkommentiert vorgeführt; einer von ihnen kann mal ganz locker „Juden und Zecken ins Gas, ins Gas“ singen.
Die vermeintlichen Täter waren allesamt einer Kartei entnommen, die der Staatsschutz nach der sogenannten „Connewitzer Krawallnacht“ ‘92 angelegt hatte. Viele der Tatverdächtigten waren zum Tatzeitpunkt nachweislich nicht mal in Leipzig gewesen, andere schon länger außerhalb von Szenezusammenhängen. Der Prozeß endete zum Teil mit Verfahrenseinstellungen, teils mit Freisprüchen. Wegen einer individuell begangenen Tat wurde konnte keiner verurteilt werden; es wurde jedoch eine Bewährungsstrafe gegen einen Menschen verhängt, dem das Gericht eine Anwesenheit am Tatort nachweisen zu können glaubte. Das Ziel der Verurteilung einer ganzen Reihe polizeilich bekannter Linker konnte zwar nicht erreicht werden, dafür aber das Ziel einer öffentlichen Diskreditierung von antifaschistischer Politik - denn der positive Prozeßausgang fand in der Presse weniger Erwähnung als die Anklageerhebung. Und überhaupt: Welche wüsten Diffamierungskampagnen die Presse nach einer Verurteilung der angeklagten Antifas gefahren hätte, kann man sich ja denken. Nicht selten bleiben Repressionsangriffe Tests, um auszuchecken, wie einzelne Personen auf stärksten Druck reagieren, bzw. wie sieh die lokale Szene, die bei solchen Gelegenheiten immer als ganzes gemeint ist, generell auf Repression reagiert. Das nimmt mitunter auch recht bizarre Formen an.
Bei einem offenen Gespräch mit Wurzener Jugendlichen im Stadtrat hielt Stadthauptmann Anton Pausch es für angebracht, durch die Polizei die Personalien der Gäste kontrollieren zu lassen. Als ein stadtbekannter antifaschistischer Jugendlicher diese offensichtlich unbegründete und gesetzwidrige Maßnahme verweigerte, wurde ihm umgehend Hausverbot erteilt. Als dieser einige Tage später bei dem Versuch, das Stadthaus zu betreten, erwischt wurde, stellten die Hausdiener des Baron Pausch ihm umgehend einen Strafbefehl in Höhe von 1800 Mark zu. Auf eingelegten Widerspruch folgte schließlich die Einstellung des Verfahrens, der Strafbefehl wurde zurückgezogen. In keinem dieser drei angesprochenen Verfahren gab es von Seiten der Angeklagten und ihres Umfeldes eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit. Ist es doch gerade wichtig, solche Versuche der Strafverfolgungsbehörden transparent zu machen und durch gezielte Presse- und Soliarbeit gerade Prozesse mit positivem Ausgang für sich politisch nutzbar zu machen.
sprueherei, 3.9k Der Umgang mit dem Prozeß gegen die Göttinger Autonome Antifa M, der in der BRD-Geschichte seinesgleichen sucht, hat deutlich gemacht, wie durch ein gezieltes offensives Vorgehen der Versuch einer Kriminalisierung von militanter Antifapolitik erfolgreich abgewehrt werden konnte. Nach fünfjährigen Ermittlungen, beinahe 14000 abgehörten und protokollierten Telefongesprächen, 30 Hausdurchsuchungen und 143 Personenüberprüfungen auf Mitgliedschaft in der Autonomen Antifa M konstruierte die Staatsanwaltschaft eine Anklage gegen 17 Personen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach §129 und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach §129a. Wäre der Prozeß geführt worden, hätte das für die Angeklagten faktisch 1 Jahr Freiheitsentzug bedeutet, da 131 Verhandlungstage, immer drei pro Woche, im 250 km entfernten Lüneburg angesetzt waren. An Job oder Ausbildung wäre in dieser Zeit nicht zu denken gewesen, die Anwaltskosten hätten die Angeklagten finanziell vollständig ruiniert. Die notwendige Beschränkung auf Soli- und Prozeßarbeit in dieser Zeit hätte jegliche andere politische Arbeit unmöglich gemacht. Somit hätte die Staatsanwaltschaft schon vor einem rechtmäßigen Urteil eines ihrer Ziele erreicht. Trotz der Einstellung des Verfahrens unter Auflagen ist das Ausleuchten einer ganzen Szene bis ins Detail für die Anklage als Erfolg zu verbuchen. Das es hierfür keinerlei, wie auch immer geartete Wiedergutmachung gibt, ist klar.
Das Verfahren gegen die Autonome Antifa M muß als Pilotprojekt zur Kriminalisierung antifaschistischen Widerstandes und generell jedes außerparlamentarischen linken Organisierungsversuches gewertet werden. Auch oder gerade wenn die Repression Gruppen trifft, die sich explizit um Bündnisarbeit bemühen und ein Zusammengehen von bürgerlich-parlamentarischen und militanten Ansätzen anstreben. Dieser erste Versuch ist gescheitert, andere werden folgen. Dabei müssen wir ganz deutlich betonen, daß uns als Antifa der staatliche Repressionsapparat nicht so hart trifft wie andere linke Gruppen, und, daß wir als Deutsche noch ganz andere Möglichkeiten politischer Arbeit nutzen können als beispielsweise die kurdische Opposition hier in Deutschland. Nach dem Verbot nahezu aller politischer und kultureller Organisationen und Vereine der kurdischen Opposition seit mehr als zwei Jahren ist bereits jeder kurdische Mensch von Abschiebung durch deutsche Behörden bedroht, der an einer Demonstration teilnimmt oder sich anderer Formen des politischen Widerstandes bedient. Hier erst zeigt sich eigentlich die Entschlossenheit und Bösartigkeit staatlicher Repression in Deutschland. Es wäre absurd, heute noch von Einzelfällen beim erbarmungslosen Vorgehen des Staates gegen kurdische Menschen zu sprechen. Kanthers Kampf gegen die PKK und andere willkürlicherweise verbotene ausländische Organisationen hat System und zielt auf die Zerstörung und Verhinderung jeglichen kritischen Engagements von Migrantlnnen! Wenn wir - zu Recht – uns gegen jegliche Form der Kriminalisierung unserer antifaschistischen politischen Arbeit wehren, so haben diese Menschen nicht einmal mehr die Möglichkeit, überhaupt offensiv politische Arbeit zu betreiben, schon gar nicht organisiert. Mittelpunkt unserer Gegenwehr gegen die staatliche Verfolgung politischer, antifaschistischer und anderer unliebsamer Personen und ihrer Arbeit muß daher immer der Protest und der Kampf gegen die staatliche rassistische Repression gegen kurdische und andere ausländische Menschen sein!


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Einleitungsredebeitrag des Bündnis gegen Rechts] [Redebeitrag zum Thema Repression (BgR)] [„Antifa in der Provinz“ der Antifa Nierstein] [Redebeitrag der Antifa RDL]

„Antifa in der Provinz“ (Antifa Nierstein)

Liebe Demoteilnehmerinnen und Demoteilnehmer,

wir haben heute hier in Wurzen gegen Neofaschismus und Rassismus demonstriert. Gerade das Beispiel Wurzen zeigt, daß antifaschistische Politik nicht nur auf Städte beschränkt bleiben darf, sondern überall für alle Menschen konkret erfahrbar sein muß. Doch die Praxis der Antifa-Arbeit in Großstädten kann kaum auf ländliche Strukturen übertragen werden. Diese Erfahrung mußten wir auch in Nierstein machen. Nierstein ist eine Gemeinde mit ca. 7000 EinwohnerInnen in Rheinland-Pfalz und liegt 20 km südlich von Mainz. Als wir uns vor 4 Jahren, nach den Pogromen in Rostock-Lichtenhagen gründeten, war uns noch nicht klar, was Antifa-Arbeit in der Provinz bedeutet. Zunächst war unser politisches Handeln durch Konfrontation bestimmt. Ein sogenanntes linksradikales Flugblatt, das in Mainz verteilt, kaum weiter für Aufsehen gesorgt hätte, wurde über eine Woche zum Aufmacher in der Lokalpresse. Dies hatte aber auch zur Folge, daß es keine Gruppierung mehr in Nierstein gab, die sich nicht von uns distanzierte. Somit hatte unser erstes öffentliches Auftreten, gleichzeitig unsere völlige Isolation zur Folge. Für uns bedeutete dies ein Hinterfragen und ein Neudefinieren unserer Praxis. Isoliert und in eine Ecke gedrängt, wäre es uns nicht möglich gewesen, Leute zu mobilisieren und unsere Positionen und Forderungen in breitere gesellschaftliche Schichten hineinzutragen. Um dies zu erreichen, konnten wir nicht auf Bündnisse mit bürgerlich-progressiven Gruppen wie Grüne, Welt-Laden, Arbeitskreis Asyl, sowie Teilen der SPD verzichten. Konfrontation sollte daher nur dann gewählt werden, wenn es unbedingt notwendig ist, während bündnisfähige und vermittelbare Politik Priorität genießen sollte. Doch selbst uns geht diese Integration manchmal zu weit, so zum Beispiel, wenn wir eingeladen werden an Umzügen zur Dörflichen Brauchtumspflege mit unserem Vereinsbanner teilzunehmen. Ein weiterer Faktor, der immer wieder in unsere Überlegungen einfließen muß, ist das Fehlen der Anonymität in einer so kleinen Ortschaft. Die unmittelbare Ressonanz auf unser Handeln zeigt uns dann sehr schnell, ob unsere Strategie erfolgreich war oder nicht. Zentral für unsere Antifaarbeit ist und bleibt die Politik, mit der wir möglichst viele Menschen erreichen, denn nur ein breiter antifaschistischer Konsens kann verhindern, daß es zu solchen Verhältnissen wie hier in Wurzen kommen kann. Insofern sind Konzepte, die auf eine bundesweite Relevanz abzielen, auf Erfahrungen der Gruppen aus der Provinz angewiesen.


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Einleitungsredebeitrag des Bündnis gegen Rechts] [Redebeitrag zum Thema Repression (BgR)] [„Antifa in der Provinz“ der Antifa Nierstein] [Redebeitrag der Antifa RDL]

Redebeitrag der Antifa RDL (Roßwein, Döbeln, Leisnig)

Wir wollen mit dieser Demonstration einen Teil zur Aufdeckung und Zerschlagung faschistischer Strukturen in Wurzen und anderswo beitragen. Einen nicht unwichtigen Faktor dieser Strukturen bilden die Jungen Nationaldemokraten. Diese sind die Jugendorganisation der NPD und seit über 25 Jahren aktiv. Seit den Verboten faschistischer Organisationen Anfang der 90er Jahre fungieren sie mehr und mehr als Sammelbecken für Neonazis. Um sich einerseits von ihrer Mutterpartei zu lösen und sich andererseits zu einer agileren und schlagkräftigeren Organisation zu entwickeln, wandelten sich die JN seit 1990 in eine einheitliche Kaderorganisation um. Ihre neuere Konzeption entspricht sogenannten Regionalen Arbeitsgruppen über denen ein sogenanntes Leitendes Gremium steht. Gleichzeitig mit dieser Neuorientierung erarbeiteten sie sich eine eigenständige Ideologie. Diese Ideologie wendet sich im Gegensatz zu der, anderer /meist militanten/ Nazigruppierungen, vom Hitler-Faschismus als solchem, ab. Vielmehr flechten sie nationalrevolutionäre Elemente in ihre Ideologiebildung ein und propagieren die Theorie des sogenannten Dritten Weges. Dieser soll ein Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus darstellen, wie er in ähnlicher Form vom Strasser-Flügel in der NSDAP propagiert wurde. Ihren Weg zum Sturz des System wollen die JN über sogenannte Befreite Zonen beschreiten. Befreite Zonen sollen Gebiete sein, die infrastrukturell auf eigenen Beinen stehen. In diesen besitzen die Faschisten eine militante Vorherrschaft und wollen durch Basisarbeit ihre Ideologie in der Bevölkerung verankern. Es scheint, als würde von den Faschisten versucht werden, gerade dieses Prinzip hier in Wurzen zu praktizieren. Als ideologiebildenes Organ dient die JN-Zeitung ..Einheit und Kampf“. Redakteur ist der seit 1991 Bundesvorsitzende Holger Apfel. Neben ihm sind Bundespressesprecher Jan Zohel, Ex FAP-Kader André Goertz sowie das Bundesvorstandsmitglied Steffen Hupka die Herausgeber. Nach eigenen Angaben erscheint die „Einheit und Kampf“ in einer Auflage von 3500. Die JN unterhalten enge Kontakte zum militanten Neonazi-Spektrum. So gingen Gruppen wie die Aktionsfront Nationaler Sozialisten oder die Nationalistische Front größtenteils aus ihr hervor. Auch dient die JN als Kaderschmiede bekannter Nazigrößen, wie z.B. Ex-Bundesvorsitzender der NPD Günther Deckert oder der mittlerweile verstorbene Michael Kühnen sind aus ihnen hervorgegangen. Darüberhinaus verfügen sie über europaweite Kontakte sowie über solche nach Argentinien und Südafrika. Eine der letzten Aktionen der JN war ein Bundeskongreß über Pfingsten dieses Jahres in Leipzig. Neben Foren zu verschiedenen Themen stand ein sogenannter großer kultureller Gemeinschaftsabend auf dem Programm, bei dem die ca. 130 Faschisten dem Nazibarden Frank Renicke lauschten. Untergebracht wurden die teilnehmenden Neonazis in einem Arbeiterwohnheim in Schönefeld sowie in dem bekannten Faschohaus in Wurzen. Lassen wir den Faschos keinen Platz zur Organisation!

Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem herrschenden Normalzustand!
Hoch die internationale Solidarität!



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last modified: 28.3.2007