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Kultur-Report, 1.7k

you don't have
to wait until you die *


* mirah (advisory committee, "light the match" k-records)

„Wie es bleibt, ist es nicht“ (H. Müller)

Nach wie vor erfreut sich DAS THEMA, welches in Papieren und Diskussionen diffus als „Antisexismus, antipartriarchal, Genderdebatte“ umschrieben wird, nicht gerade großer Beliebtheit. Das mag zum einen an der Komplexität des Ganzen liegen. Zum anderen liegt es wohl daran, dass gerade der „Geschlechterkampf“ keiner ist, in dem es ein „klares Feindbild“ gibt.
Das Thema, 6.7k
Während wir uns zumeist in Fragen wie Kapitalismus, Antifaschismus u.a. alle auf einer (richtigen) Seite verorten, durchzieht sich der Unterschied der Geschlechter durch alle Gruppen. Dabei ist es vernachlässigbar, welche Ausrichtung die Gruppen haben. Ob Zeitungsprojekte(1), politische Gruppen, kulturelle „Eventplaner“(2) usf., allen ist immanent, dass Frauen (in gleichen Positionen) entweder ganz fehlen oder aber in verschwindender Anzahl am Start sind. Was noch nichts darüber aussagt, ob sie (die wenigen) beim Einlauf in die Zielgerade ihre Anliegen artikuliert haben und diese dann auch umgesetzt werden. Die in Mode gekommene Versicherung, dass man antipatriarchal und antisexistisch sei, kann nicht darüber hinwegtäuschen, “...dass Männer zwar verbal emanzipationsbereit sind, sie jedoch im Alltagshandeln eher traditionellen dichotomen Geschlechterkategorien verhaftet...“(3) bleiben. Warum das so ist, liegt zum einen daran, dass DAS THEMA auch als EIN SOLCHES behandelt wird. So wird die Geschlechterproblematik als eigenständige Disziplin verstanden, die man sich zum Schwerpunkt seines Denksports machen kann oder eben nicht. Setzten einige ihren Schwerpunkt auf Kapitalismuskritik, andere auf Antifaschismus, ist eben wiederum anderen nur die Musik(4) wichtig. Allen „SchwerpunktsetzterInnen“ ist dabei gemeinsam, dass die Geschlechterproblematik weitestgehend ausgeblendet wird.(5)
Anders sind oben angeführte, sich bis heute durchziehende Gruppenstrukturen nicht erklärbar. Würde man die Geschlechterproblematik nicht als etwas „Abgespaltenes“, Eigenständiges, anderen Themen nicht Zugehöriges behandeln, würden sich Gruppenstrukturen und „Schwerpunktsetzung“ automatisch ändern (müssen). Dass das THEMA öfter von Frauen in Gruppen eingefordert wird, liegt wohl daran, dass sie es sich nicht aussuchen können, ob ihnen das Thema wichtig ist oder nicht, sondern dass sie es salopp gesagt mit „auf Tasche haben“. Wie eigentlich jeder, egal ob Mann oder Frau – nur sind die Konsequenzen im Alltäglichen andere. (siehe wieder Gruppenstrukturen, ...)

Zu sagen, DAS THEMA interessiere einen nicht, oder andere Themen hätten Vorrang, bedeutet nichts anderes, als den bestehenden Zustand als normal und nicht als veränderbare Größe (in uns selbst) zu betrachten. Das ist nicht linksradikal, sondern systemerhaltend.(6)Dass sich Ausrichtungen von Gruppen nicht automatisch ändern, wenn Frauen „hinein-engagiert“ werden, ohne dass die eigentliche Struktur hinterfragt bleibt, ist klar. „Patriarchale Strukturen erschöpfen sich nicht in einer quantitativen Dominanz von Männern gegenüber Frauen, ... sondern beinhalten insgesamt die Dominanz eines spezifischen – auch von Frauen mitgetragenen – männlichen Geschlechterprojekts, ... wobei hegemoniale Männlichkeitsvorstellungen vor allem in Management von Organisationen tief eingeschrieben sind. Die wenigen Frauen, die den Sprung in diesen Bereich schaffen, sind folglich gezwungen, sich dieser männlich Geprägten anzupassen.“(7)

Bei der Auseinandersetzung mit DEM THEMA geht es nicht darum, wer mehr oder weniger Scheiße baut. Frauen und Männer schreiben gleichermaßen auf die ihnen jeweils unterschiedliche „ansozialisierte“ Weise die Verhältnisse/Strukturen tagtäglich wieder fest.

Genauso wenig wie ein bloßes Zusammenschließen von Frauen das „Allheilmittel“ ist, genauso wenig ist es bei Männern selbstverständlich, dass sie sich immer so und genau so verhalten. “... Männlichkeit (ist) ein soziales Konstrukt, historisch und kulturell variabel sowie mit anderen sozialen Differenzierungsmustern verschränkt. Folglich existiert nicht eine homogene Männlichkeit, sondern es muss von einer Vielzahl unterschiedlicher Männlichkeiten ausgegangen werden. Diese sind zudem nicht gleichwertig, sondern stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, wobei das jeweils dominante Bild von Männlichkeit als hegemoniale Männlichkeit bezeichnet wird.“(8)
Um nicht missverstanden zu werden: dass sich Frauen in genauso beschissenen Mustern bewegen, die eben anders aussehen, ist nicht die Frage. Darüber gibt es mittlerweile genug Lesestoff. Warten kann man immer noch darauf, dass die Geschlechterproblematik nicht als eine verstanden wird, die sich explizit um Feminismus und Frauen drehen muss.

Um dahin zukommen fehlt allerdings die andere Seite der Medaille. Seitens der Männer fehlt eine eigene Reflexion sowohl auf persönlicher als auch theoretischer Ebene. Wobei eine einseitige, nur theoretische Bearbeitung der Problematik die Hinterfragung ureigenster Verhaltensweisen wieder ersparen würde.(9) D.h., fehlt dabei die Einsicht in die Notwendigkeit, gerade auch bei sich anzusetzen, wird man mit reiner „Vertheoretisierung“ des Problems genau oben beschriebene Zustände fortschreiben.(10)

Für emanzipatorisches Denken und Handeln von Männern und Frauen!

Jeannine

Fußnoten

(1) Exemplarisch dafür könnte die unlängst in der LIWI stattgefundene Diskussionsrunde „Wir, die Linke und andere Probleme...“ sein. Es saßen vier Herren an Tischen und verlasen ihre vorbereiteten Papiere. Sehr viel Zeit nahm die „Diskussion“ ein, wer denn wohl nun die linksradikalste Position von allen einnehmen würde (was würde Freud wohl dazu sagen?). Am Ende der Redebeiträge wurde verbal versichert, dass man antisexistisch und antipatriarchal wäre. Lustig war, dass diese Position eben nicht dazu führte, dass die Herren wenigstens eine Frau ins Podium „gesteckt“ hätten. Wobei hierbei wieder die Frage aufzuwerfen wäre, ob alleine das zu einer Thematisierung der Genderproblematik führt.
(2) Die Vorbereitungscrew der „pop up messe“ wurde ebenfalls zum überwiegenden Teil von Männern bestritten. Dass Frauen in der Vorbereitungsphase fehlen, schlägt sich darin nieder, dass bei der Band/DJ-Auswahl nicht explizit darauf geachtet wurde, ein ausgewogenes Verhältnis von Musikern und Musikerinnen anzubieten. Eine andere Crew, die sich eine systemkritischere Herangehensweise an eine solche Musikmesse als die der „pop up crew“ wünschte, setzte sich anfänglich nur aus Männern zusammen. „Gleichgültig, welchen thematischen Schwerpunkt Feministinnen haben und unabhängig wie weit ihr Aktionsradius ist, Frauen müssen die Arbeit selber tun. Die Sympathie oder auch Unterstützung durch einzelne Männer reicht nur so weit, wie männliche Strukturen und die durch sie stabilisierenden Machtverhältnisse nicht in Gefahr geraten.“ (Tine Plesch in testcard #8, „Rebellisches Wissen und journalistische Tagesordnung“, S. 84)
(3) Peter Döge „Geschlechterdemokratie als Männlichkeitskritik“; Politik und Zeitgeschichte B31-32/2000
(4) Mercedes Bunz „Männer + Frauen = Clubkultur? Warum gibt es so wenig Frauen in der Clubszene? (http://www.sabotage.de/text/club/cont2.html)
(5) Angela Mc Robbie, „the tv-blonde and the angry young man“ (http://www.malmoe.org); Renate Fischetti, „Das neue Kino“; Ingrid Strobl, „Sag nie du gehst den letzten Weg“; Helge Sanders, „Befreier und Befreite“ VHS, 120 min
(6) Roswita Scholz, „Der Wert ist der Mann“, „Das Geschlecht des Kapitalismus“
(7) Peter Döge, Potsdamer Konferenz, Forum IV Frauenforschung/Geschlechterforschung, http://www.ruendal.de/aim/gender.html
(8) Peter Döge, Männerforschung, Männerpolitik und der „neue Mann“
(9) „ So hat kritische Männerforschung gezeigt, dass Männlichkeit, die sich unter Entgegensetzung von Weiblichkeit sowie vor allem unter Unterdrückung von Weiblichem konstituiert und allgemein konnotiert ist mit der Möglichkeit zur Ausübung von Macht, im Grunde immer fragil ist (Kaufman 1987; 1994). Fragile Männlichkeit, die Erfahrung subjektiver Machtlosigkeit durch Männer, wird als eine zentrale Ursache männlicher Gewalt gesehen, die sich jedoch nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen andere Männer und vor allem gegen den Mann selbst richtet.“ (Döge, s.o.)
(10) „Die Revolution ist revolutioniert worden. Es gibt kein Kommandozentrum, keinen organisatorischen Kern, ... keine einfachen Erklärungen, schlichten Berichte oder ausgewogene Bücher. Jeder Versuch, eine einzelne Entwicklung zu behandeln, führt sofort auf sie alle.“ ; Sadie Plant, „nullen + einsen“, Digitale Frauen und die Kultur der neuen Technologien, S.58


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last modified: 28.3.2007