„Wir wollten entertainy sein(...)Stimmungen transportieren. Man sollte nicht erwarten, dass wir zu Predigern werden. Das war nie unsere Motivation.“
Eigentlich ist Hip Hop nicht wirklich meine Welt, aber im strengen Sinne ist das hier nicht wirklich traditioneller Hip Hop.
Musikalisch spielt man mit Versatzstücken aus Soul, Funk, Elektrozeug,
bisschen RnB Gesang und Country. Aber was ist mit den Inhalten,
wollen die überhaupt irgendwas vermitteln? Treffer versenkt, genau
die falsche Frage bei dieser Combo. Wo andere die Alte Schule
predigen, es in der Szene real keepen wollen oder im schlimmsten
Falle irgendwelches esoterisches Glaubenszeug faseln, sind die vier Hamburger
erfrischend ehrlich. Wir wachsen nicht mit der Szene, wir wachsen mit der
Industrie. Richtig, das ist in diesem sich selbst hätschelnden
Business eine leider viel zu seltene Erkenntnis. Man will Kohle machen und
schämt sich auch nicht, das auf dem neuen Album (Noch 5 Minuten Mutti, der
geilste Titel eines deutschen Hip Hop Albums ever) offen zu gestehen.
Diese Shows füllen mich aus und auch mein Portemonnaie/Also hebt die
Hände wenn das für euch in Ordnung geht heißt es in
Geborn für das!. Wann hört man denn mal solch ehrliche
Töne in Hallen wie diesen? Wie ich das bisher wahrgenommen habe, werden
die erfolgreicheren Interpreten immer gedisst, was dann zum Problem wird, wenn
man selbst populär ist. Irgendwann dissen sich halt alle Populären
gegenseitig, wer nun real geblieben ist oder trotz des Erfolgs weiterhin
Anspruch auf das Label Underground besitzt. Dieses obligatorische Dissing kommt
von den Jungs auch und zwar gegen die eigene Crew im Battletext Im
Untergrund zu Haus: Deichkind ihr seid kommerziell für Bon
Voyage/ihr habt zuviel verbrochen, die Hip Hop Welt zerbrochen/ihr seid
kommerziell, First Class Hotels, ihr meint ihr macht das schnelle Geld, Fuck
You Alles klar? Wo andere es schaffen, ein ganzes Album über Kiffen
zu machen, handeln Deichkind das in einem Lied ab, in dem es auch noch
hauptsächlich um Saufen geht. Drogenrausch bietet mir tausend
mal mehr Identifikation als diese ganze Kiffen, Chillen, rote
Glüsen-Scheiße. Ach ja, klar gehts auch um
Chicks: Wir spielen gerne mit Klischees, aber wir sind keine
Moralisten. Man kennt die ganzen Produktionen zur Genüge, in denen
Frauen als Statussymbol herhalten müssen, und gekonnt schaffen es
Deichkind, dies zu persiflieren. Chicks tragen Hotstrings ohne
Topping/Und schwitzen trotzdem wie ihre Longdrinks/Eingeölt mit Hawaiian
Tropic goldbraun/sehen alle top aus/Chicks in Bikinis Typen im Jogging
Look/Weil die Ladies hier alle wie/Models aussehen. Hier geht es nicht um
irgendeine Party an einem tropischen Sandstrand, sondern um einen Abend an der
Hamburger Küste. Also ehrlich, wer den Witz im Detail nicht zu finden
vermag, dem ist eh nicht mehr zu helfen. So oder ähnlich klingt eigentlich
alles, was die vier Fischköppe verzapfen. Fast alle Hip Hop Klischees
werden auf die Schippe genommen und wenn es dienlich ist wird, um die Aussage
zu unterstreichen, die Stimme ins lächerliche gepitcht. Das neue
Album ist auf jeden Fall das humorvollste, selbstironischste, was ich im
deutschen Hip Hop je hören durfte.
Die Videos von denen da sind eh der
Hammer, erinnert sei nur an das stylische Komm schon im
wischiwaschi 80er Softpornolook und wenn ich dann lese, dass die nächste
Auskopplung Pferd im Stall (son typischer Pimp-Song) wirklich
um echte Pferde sich drehen soll, lieg ich flach. Was ist mit der Politik,
müssen so richtig real Hip Hops nicht auch politisch Stellung beziehen?
Politik ist viel zu unerotisch. Woher haben die das denn, fragt man
sich und die Vermutung liegt nahe, dass die Gören in der Vergangenheit
Erfahrungen mit der Bewegung sammelten. Trotzdem spielten sie mal umsonst
für ein Benefiz zur Freilassung Mumia Abu Jamals. Na ja, lasst mal die
Finger von der Politik, ist alles komplizierter als es aussieht. Allerdings las
ich, das sie es gut finden würden, zur Unterstützung von
Flüchtlingen aus Afganistan oder für die Opfer des 11.Septembers zu
spielen. Das sind ehrliche humanistische Beweggründe und mir tausend mal
lieber als ein Bundestag brenn. Als Fazit lässt sich ziehen:
Eine lustige Band für lustige Menschen, die sich selbst nicht zu ernst
nehmen und das auch von ihrem Publikum erwarten. Außerdem haben die
ne humorvolle Bühnenshow, deshalb an dieser Stelle das
obligatorische KOMMEN IST PFLICHT, für das ich bezahlt werde.
Tim
P.S.: Manchmal reicht auch ein einfaches Auf der Demo wird gebattlet wie
die Antifa (Fachjargon/Bitte ziehen sie durch) als Statement. Props
zurück nach Hamburg.
alle Interviewauszüge irgendwo ausm Netz.
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