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ferris, 14.0k

Ferris MC • DJ Stylewarz • KC Da Rookee • D Flame • Deichkind

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HipHop-Clowns oder Partyrapper?
Diktatoren auf der Bühne.

Es ist so wie immer. Wie immer bei HipHop-Konzerten. Kaum kündigt sich ein etwas bekannterer Künstler dieses Genres an, drehen die Mädels und Jungs der Mittel- und/oder Oberklasse durch. Vergessen Schule, Eltern, Beruf und ihre gute Erziehung. So fühlen sie sich mir nichts dir nichts über kurz oder lang alle wie Stars. Leben nach dem Vorbild ihrer Idole und imitieren sie, wo es nur irgend geht.

1) Denn sie wissen nicht, was sie tun
Ferris MC scheint nun der neue Hit zu sein. Zumindest bei den uns bekannten Musikkanälen à la MTV und VIVA. Er, der das Böse verkörpert, ganz so wie Mephistopheles in Goethes Faust. Das Reimemonster ist wieder da, obwohl es eigentlich nie verschwunden war. Und genau dieses Monster stellt neue Regeln auf – seine Regeln. Das ist ein Phänomen, nicht nur im Bereich der beats und flows, doch gerade bei der sonst so angepriesenen Subkultur liegt einiges im argen. Dieser sich jeder äußeren Moral verweigernde Supersucker hat also Gesetze geschaffen. Gesetze, die für eigene Zwecke ausgelegt werden können oder sollen? Es gäbe kein Entrinnen, kündigt er an. Augenscheinlich sind die Paragraphen der Ferris & Co. nicht verfassungsrechtlicher Natur. Mithin besteht also kein Anlaß auf diese zu schwören. Getrost kann dies als imageförderndes Verhalten deklariert werden. Nichts neues im Bereich Sprechgesang. Jeder verhält sich so unterkühlt wie er nur kann. Doch wenn ganze Heerscharen diesem vorgelebten Modus folgen, sucht man die Ursachen entweder in der Popularität des Künstlers und dem dazugehörigen Erfolg oder in der Gesellschaft. Ich bin schlecht, weil die ganze Welt schlecht ist. Die Grenzen sind gerade hier fließend, doch muß bei dem angesprochenen Auftreten unzähliger Begeisterter an ihrer Selbständigkeit gezweifelt werden. Ganz im Gegensatz zu Immanuel Kants „Kritik der reinen Vernunft“ aus dem 18. Jahrhundert werden Verse, gleich ob sexistischer oder patriarchalischer Natur, von den MCs angestimmt und seitens des Publikums zur Unterstützung selbiger zum besten gegeben. Hier fällt es leicht zu unterstellen, sich geistig in Zeiten von Fürsten und Gutsherren zu befinden. Die Frage nach dem warum bedarf keiner tiefgründigen Recherche. HipHop-Shows sind Partytime. Man stelle sich nur einmal vor, eine kritische Anhängerschaft würde sich dem freestylenden Künstler verweigern und auf seine Rhymes nicht antworten. Ein Skandal sondergleichen? Sicher nicht, doch eigentlich unvorstellbar. Den Rappern auf der Bühne wird blind vertraut. Wer so viel fame and honour mit sich bringt hat immer Recht. Ähnlich wie die Partei. Und wer kämpft für das Recht, erst recht. Kritikwürdig sind hier einzig und allein die Konsumenten, das Problem von Angebot und Nachfrage. Kaum jemand wird einem Freestyler für seine nicht ganz ausgewogenen Textzeilen verunglimpfen können. Der Verdacht liegt nahe, daß es sich bei unzähligen vollkommen Begeisterten ausschließlich um die von den 5 Sternen deluxe angesprochenen HipHop-Clowns und Partyrapper handelt. Oder sehen sie etwa in dem Interpreten auf der Bühne einen Messias, der sie von allem Übel, insbesondere Eltern, Arbeitgeber oder Lehrern, befreien könnte. Das erinnert schon ein wenig an antiquierte Ideologien. Natürlich sind Veranstaltungen dieser Art ein willkommenes Ventil um Alltagsfrust abzulassen und sich in einen anderen Körper zu versetzen, um einmal mehr nicht man selber oder gerade das zu sein. Doch die Zeiten, in denen der kategorische Imperativ seine volle Wirkung entfalten mußte, sind längst vorbei. Sollte man meinen. Aufklärung ist out. Doch weit gefehlt. Oben angesprochenes gibt leider kaum Anlaß zur Hoffnung. Und dabei teilt sich Ferris der Weis(s)e schon durch „Ich hör nur was ich hörn will“ mit. Genau das ist selbständiges Handeln, was so vielen selbst ernannten HipHoppern fehlt. Und wie singt Kant MC: „Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Immer und Überall.

rookee, 10.5k 2) Der Rasenmähermann
Er soll das Vinyl mit der Kettensäge rasieren und gleichzeitig der beste DJ der Welt sein. Irgendwie klingt dies absurd und wird von jedem Diskjockey behauptet. Doch bei Stylewarz scheint es zu stimmen. Gerade er, auch als DJ Lötfinger bekannt, ist für den uneingeschränkten Triumph des double trouble verantwortlich. Denn ohne DJ kein MC. Ohne Licht kein Schatten. Ohne Stylewarz kein Ferris.

3) Das Imperium schlägt zurück
Und zwar in Form von KC Da Rookee. Eigentlich nichts ungewöhnliches, doch er geht nicht den Weg, den alle gehen, sondern befindet sich geradewegs back to the roots. „Deutsch rappen alle, hier kommt ein native speaker, der weiß, wo der MC den Flow holt.“ Wer oder was sind alle und wo holt man sich denn nun den Flow? Auf die erste Frage gibt es mit Sicherheit keine genauere Angabe als ungläubiges Kopfschütteln. Ja, und wo bekommt man denn nun diesen ach so oft hochstilisierten Fluß, Strom oder diese Flut her, die Underground-Hits bei oben genannten Musiksendern garantieren. Hoffentlich nicht durch Kooperation mit den Fugees, Ice T, Busta Rhymes oder Noreaga. Dabei könnte schon eher die durch Franz Kafka beschriebene Verwandlung in einen Gangsterrapper vollzogen werden. Doch KC Da Rookee war immun, bediente sich seiner jamaikanischen Wurzeln und den Vorgaben der Harlekinz, um eine eigene Mischung, stark geprägt von Reggae-Soundsystemen, zu präsentieren. Und diese Mixtur ist grandios gerade so wie ein Dunking von Michael Jordan. HipHop sind nicht beats und flows sondern rhymin’ and feelin’. HipHop sind KC Da Rookee und DJ Desue. Rookee stands for style.

4) Im Westen nichts Neues
Warum nennt sich eine Band so wie sie sich nennt? Warum heißt man so wie man heißt? Nun, das eine ist nicht wie das andere. Hier ist strikt zwischen freiwillig und unfreiwillig zu unterscheiden. Diese hier jedenfalls nennt sich „Deichkind“ und ihre 12" „Kabeljau Inferno“. Richtig, sie sind in Hamburg-City ansässig und produzieren deutschsprachigen HipHop. Musikalisch nicht schlecht, aber auch nicht so, daß es gleich jeden vom Hocker reißt. Der Text ist gut – gerade deswegen – weil er in Sachen Selbstverwirklichung ein klares „Tu das!“ fordert. Tu das, worauf du Lust hast. Das wird jetzt einfach unterstellt, damit die drei Jungens aus dem Norden wenigstens etwas politisch verquer erscheinen. Ansonsten könnte man schnell zu dem Entschluß kommen, daß „Deichkind“ erfolgreich auf der Welle des zur Zeit angesagten deutschen HipHop mitschwimmen, ohne wirklich etwas besonderes darzustellen. Sie sind bei weitem keine Trittbrettfahrer, denn sie „kommen derber als ‘ne ganze Wohngruppe Psychopaten“. Naja. Teewald



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last modified: 28.3.2007