"Keine Parolen, keine blöden wie die: Fickt das System!"(Die Sterne, 1992)
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"Sie sind so verdammt beliebt! Sie werden bestimmt in die Popgeschichte eingehen. Scheiße, wir wollen auch in die Popgeschichte eingehen! Was machen wir ihnen gegenüber bloß falsch?"
(Stella-Sängerin Elena in bezug auf Die goldenen Zitronen)
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Beliebter als die sich gern mit Platitüden schmückenden Zitronen und sich somit einen zementierten Platz in der
Popgeschichte schaffend, das sind Die Sterne. Neues Album Irres Licht bei Virgin veröffentlicht, musikalisch sicher ihr
abwechslungsreichstes; und verfügte ich über die musikspezifischen
Kenntnisse der einzelnen Sparten, würde ich mich eventuell genötigt
sehen, eine Lobeshymne auf die musikalischen Qualitäten und ihre
Herleitung zu singen. Aber dies hier ist nicht die Spex (wahlweise auch das PnG
oder ein anderes beliebiges Musikmagazin) und das ist auch, verdammt noch mal,
gut so.
Tja, nicht erst gestern hat die Hamburger Schule das Ziel, welches sie
eigentlich schon immer intendierte, erreicht. Man ist angekommen bei VIVA, MTV
und ihren Ablegern, steht auch schon mal weiter oben in den Verkaufscharts und
kann, so hoffe ich doch, endlich von diesem ganzen Rockquatsch leben. Auf
Seiten der Rezipienten hat sich dadurch eigentlich so gar nichts
verändert. Verstand die vor Jahren versammelte Fangemeinde schon 92 nicht
die Intention eines Brechens mit identitären Aushängeschildern und
Schlagworten, so kann es die stark angewachsene und jünger werdende 2002
nicht einmal in Ansätzen nachvollziehen, haben doch mit Sicherheit die
wenigsten von ihnen auch nur eine politische Hardcore- oder Punkrockscheibe im
Plattenregal.
Doch eine bestimmte Erwartung hatten die Sterne von ihren Hörern
sicherlich nie. Man wollte sich halt irgendwie nicht festlegen lassen, in
irgendwelche Schubladen gezwängt oder politisch vereinnahmt werden. Das
ging ja wohl völlig nach hinten los. Musikalisch die Zuschreibung
Hamburger Schule erhalten, von verschiedensten Medien als eine Art Hoffnung des
deutschen Pop (sic!) abgefeiert und dann auch noch vielerorts die Rezeption des
neuen Songs Du hast die Welt in deiner Hand als
Globalisierungskritik (und noch mal sic!). Wenn man halt fast die gesamte
Verantwortung der Interpretation dem Hörer in die Hände (bzw. Ohren)
legt, betritt man letztlich doch den schmalen Steg über dem Abgrund des
Authentischen. Genau dies jedoch machte die Jungs immer so sympathisch, dieses
beinah konsequente nicht authentisch sein wollen, in einer Zeit, da
Authentizität in der Musikbranche (gerade bei diesem ganzen Indiequatsch)
als Höchstes galt. Jedoch ist das eine offensichtlich nicht ohne das
andere zu haben, der Versuch der Nichtauthentizität eben schon wieder der
Schritt hin zu etwas Authentischem. Dennoch sind die Texte in all ihrer
Vernebeltheit schon irgendwie etwas Wundervolles und die
verzweiflungsschwangere Hymne über ihren Kiez (eigentlich alle Kieze
dieser Welt) allzu gut nur nachzuvollziehen. Ihren Humor haben die Jungs
bestimmt nicht verloren, aber ein wenig älter und nüchterner sind sie
sicher. Dieser Humor zeichnete sie immer schon aus, machte sie ein wenig anders
und deshalb bin wohl auch ich, nicht anders als diese ganzen Studifluffen von
Konzertbesuchern, ein Fan dieser Band.
tim
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