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Wir dokumentieren diesen Text aus einer Zeitung der JungdemokratInnen/Junge Linke zum Thema Rassismus, weil er sich mit dem Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Rassismus auseinandersetzt und eine Kritik an dem in der antirassistischen und antifaschistischen Linken verbreiteten Begriff des „Leistungsrassismus“ entwickelt. Anlaß ist die Euphorie, die sich in Teilen der Linken an das geplante Einwanderungsgesetz knüpft und durch polit-ökonomische Entwicklungen den Rassismus schon in Auflösung sieht. Mehr als einen kurzen Einstieg zur Problematik leistet der Text jedoch nicht.

Legal Aliens

Rassismus und Kapitalismus in der Einwanderungsdebatte

Die aktuelle Diskussion um Einwanderung wird oft verknüpft mit dem staatsoffiziellen und zivilgesellschaftlichen Kampf gegen völkischen Rassismus. Völkischer Rassismus hat zum Ausgangspunkt, dass individuelles Verhalten bestimmt ist von stabilen, vererbbaren Merkmalen. Diese Eigenschaften werden unterschiedlichen „Rassen“, Ethnien oder allgemeiner der Herkunft zugeordnet, zwischen denen eine Beziehung der Unter- und Überlegenheit angenommen wird. Modernisiert stellen sich solche Rassismen dar, wenn an Stelle von biologistischer Überlegenheit verschiedene Formen kultureller Dominanz behauptet werden. Funktion ist neben einer Identitätsstiftung immer auch die Ausgrenzung der als unterlegen gekennzeichneten Menschen.
In der Einwanderungsdebatte werden rassistische Strukturen besonders deutlich am Begriff der „Leitkultur“, der von der CDU ins Feld geführt wurde, um nationale Identität gegen die vermeintlich Anderen zu verteidigen und Dominanz zu behaupten. Das Gerede von „Integration“ und „Toleranz“, mit dem Rot-Grün reagierten und das inzwischen auch bei CDU/CSU vorherrscht, steht dem in Nichts nach. Neu daran sind jedoch allenfalls die Begriffe. Mit ihnen wird lediglich eine lang etablierte Praxis bezeichnet, nicht-deutsche Menschen auszugrenzen.
Bleibt deswegen mit einem Einwanderungsrecht in Sachen Rassismus alles beim Alten? Nicht ganz. Natürlich wird damit nicht jeder staatliche Rassismus beerdigt und erst recht nicht der in der Alltagskultur. Aber es erfolgt doch ein Bruch mit einer bestimmten rassistischen Praxis: dem herrschenden Zuzugsregime, also der Vorstellung, dass hier nur leben dürfe, wer von Deutschen abstamme. Nunmehr soll es egal sein, aus welchem Land Menschen kommen und welcher Abstammung sie sind. In der neuen, positiven Bezugnahme auf Einwanderung ist die Herkunft nicht mehr das bestimmende Kriterium für die Frage des Aufenthaltsrechts. Immerhin wird damit überhaupt erst rechtlich abgesicherte Einwanderung ermöglicht, und die davon begünstigten Menschen sollten nicht weniger als andere die Möglichkeit haben, hier leben zu können.
Das bedeutet freilich nicht, dass ein Weniger an Ausgrenzung stattfindet. Die eingeführten völkischen Rassismen werden ersetzt durch einen anderen Ausgrenzungsmechanismus: Menschen werden nach ihrer Leistung, ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit bewertet. Auch das ist nicht neu. Es wird damit eine Selektion anhand ökonomischer Kriterien betrieben, die der verankerten kapitalistischen Ideologie Rechnung trägt, all diejenigen auszugrenzen, die sich nicht dem wirtschaftlichen System entsprechend verwerten können oder wollen. Unter den verschärften Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft nimmt diese Bewertung von Unter- und Überlegenheit anhand von Nützlichkeitserwägungen im kapitalistischen Interesse extreme Formen an. Wegen des Ausgrenzungscharakters dieser Verwertungsideologie und der darin zu Ausdruck kommenden fundamentalen Ablehnung von als minderwertig angesehenen Menschen wird dieser Prozeß oft als Nützlichkeitsrassismus bezeichnet. Dieser Begriff ist unpassend, da er nicht zwischen den Gründen für die Ausgrenzung differenziert. Während bei allen Formen von Rassismen das bestimmende Moment gerade ist, dass Menschen anhand ihrer Herkunft oder Kultur bewertet werden, erfolgt die Bewertung bei ökonomisch motivierten Ausgrenzungsprozessen ausschließlich anhand ihrer Verwertbarkeit. Der Begriff des Nützlichkeitsrassismus vermischt beides und ist dadurch eine unscharfe Ausweitung des Begriffs Rassismus, der letztlich nichts mehr aussagt. Es handelt sich vielmehr schlicht um ein Wesensmerkmal des Kapitalismus, oder anders: um eine Form des Sozialdarwinismus.
Entscheidend für die Auseinandersetzung mit solchen Einwanderungsregelungen ist, dass durch das Zusammentreffen von kapitalistischer Verwertungsideologie und nationalstaatlichen Rassismen MigrantInnen in besonderem Maße ausgegrenzt werden, weil sie immer von beiden Mechanismen zugleich betroffen sind. Sie sehen sich in der aktuellen Einwanderungsdebatte nicht nur dem darin transportierten rassistischen Abwertungen und Dominanzansprüchen ausgesetzt, sondern sie müssen sich als besonders gut verwertbar im Sinne kapitalistischer Ausbeutungsinteressen erweisen, um überhaupt hier leben zu dürfen. Der Mensch spielt dabei keine Rolle, er ist zum Spielball politischer Interessen degradiert. Damit kann sich fortschrittliche Politik nicht abfinden, dagegen muss sie intervenieren.

Danielle Herrmann



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last modified: 28.3.2007