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Veranstaltungsankündigung:

Nakam – jüdische Rache an NS-Tätern.

„Lasst uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen! Brüder, es ist besser, als freie Kämpfer zu sterben, als von der Gnade der Mörder zu leben“
(Abba Kovner, Partisanenführer und späterer Kopf der jüdischen Rächergruppe Nakam)

jüdischer Widerstand - Nakam, 14.3k Außer dem Warschauer Ghettoaufstand wurde jüdischer Widerstand während der NS-Zeit bisher kaum wahrgenommen. Und selbst dieser wurde der eher als Verzweiflungstat, denn als militanter Widerstand gegen die Nazis betrachtet. Tatsächlich haben sich Juden jedoch vielerorts gegen ihre Vernichtung gewehrt und gegen die deutschen Besatzer gekämpft. Etwa 15.000 jüdische PartisanInnen waren in Litauen, der westlichen Sowjetunion und in Polen aktiv. Außerdem gab es in ca. 40 osteuropäischen Ghettos bewaffnete jüdische Untergrundorganisationen. Außer dem militärischem Kampf führten jüdische Brigaden aber auch schon während des Krieges Racheaktionen durch. Entgegen der nachkriegsdeutschen Legende, daß viele nichts vom Holocaust – der industriellen Vernichtung von über sechs Millionen Juden – gewußt hätten, waren sowohl die Zeichen und Hilferufe der Opfer als auch die Aktionen der Deutschen nicht zu übersehen. An vielen Wänden entdeckten die jüdischen PartisanInnen auch Rufe nach Vergeltung für den Massenmord. „Wir werden ermordet, nehmt Rache!“ (Zitat nach der TV-Dokumentation Revenge von Dan Setton) war eine der letzten Mitteilungen an die Überlebenden. Und bei den Überlebenden war nach Ende des Krieges kein Gefühl so mächtig, wie der Wunsch nach Rache für die ermordeten Verwandten und Freunde. Viele glaubten nur überlebt zu haben, um ihre Verwandten und Freunde rächen zu können. 1951 sagte der Arzt und Historiker Meir Dworzecki: „Wenn ihr mich fragt, was ich vom deutschen Volk will, würde ich sagen, eine Mutter für eine Mutter, einen Vater für einen Vater, ein Kind für ein Kind. Meine Seele würde Frieden finden, wenn ich wüßte, dass sechs Millionen Deutsche für die sechs Millionen Juden sterben müssten.“
Das Bedürfnis nach Rache war verständlicherweise übermächtig – Rache als Mittel, welches den Schmerz über die Verlorenen zwar nicht aufheben, wohl aber dämpfen und lindern kann. Doch nur ein paar Dutzend ehemalige PartisanInnen, KZ-Häftlinge und Angehörige der „Jewish Brigade“ (jüdische Kampfeinheit der britischen Armee) setzten ihre Racheschwüre in die Tat um. Auch Meir Dworzecki relativierte seine Aussage: „Wenn wir das nicht erreichen können, sollten wir ihnen wenigstens ein Leid zufügen, das sie schmerzt wie vergossenes Blut – wir sollten ihnen ins Gesicht spuken“ und lehnte die „Wiedergutmachungszahlungen“ der Bundesrepublik ab. Trotz der bei allen Überlebenden vorhandenen starken Rachegefühle widmete sich ein Großteil lieber dem Aufbau eines autonomen jüdischen Staates, da nur dieser die Juden vor Verfolgung schützen und eine solche Katastrophe wie die fast vollständige Vernichtung des europäischen Judentums unmöglich machen kann.
Die stattgefunden Racheaktionen reichten von spontanen Aktionen (wie z.B. das Erschlagen von SS-Männern und Frauen nach der Befreiung der KZ’s) über gut vorbereitete „Gerichtsverfahren“, bei denen ehemalige TäterInnen nach Geständnis der von ihnen begangen Verbrechen erschossen wurden, bis zu gezielten Aktionen gegen NS-TäterInnen. Verschiedene Rachepläne, die jedoch nie umgesetzt wurden, sahen auch Aktionen gegen die „normale“ Bevölkerung vor. So gab es einen Plan der Gruppe Nakam (hebräisch für Rache), Trinkwasser in verschiedenen Großstädten zu vergiften. Dieser Plan wurde jedoch nie umgesetzt. Dafür führte die Gruppe am 13. April 1946 einen Gift-Anschlag auf ein SS-Internierungslager in Nürnberg durch. Sie bestrichen in einer Nürnberger Bäckerei ca. 3.000 Brote mit Arsen, die an die Gefangenen ausgeliefert wurden. 1.900 Lagerinsassen erkrankten (38 davon schwer), getötet wurde niemand. Ursprünglich sollte die Dosis des Arsens die internierten SS-Angehörigen töten. Doch ein Mitglied der Gruppe verdünnte im Auftrag der Haganah das Arsen, um Todesfälle zu vermeiden. Die Haganah wollte das gute Verhältnis zur US-Besatzungsmacht nicht gefährden und deshalb die Racheaktionen – die sie nicht generell verurteilte – auf kleiner Flamme halten.
Die Autoren des Buches „Nakam – jüdische Rache an NS-Tätern“ Jim G. Tobias und Peter Zinke berichten von den Jüdinnen und Juden, die die Rachegedanken vieler Überlebender in die Tat umgesetzt haben. Des Weiteren versuchen sie die Racheaktionen in den Kontext der geschichtlichen Ereignisse (Flucht der NS-TäterInnen, Ausstellung sogenannter Persilscheine, angebliches nichts-gewußt-haben und immer noch vorhandener Antisemitismus) kurz nach Kriegsende einzuordnen. Den Kontext zur heutigen Zeit stellte die Nürnberger Justiz her, der ein eigenes Kapitel in dem Buch gewidmet ist. Sie nutzte die Recherchen der Autoren, um ein Strafverfahren gegen zwei der ehemaligen Rächer wegen versuchten Mordes einzuleiten. Nachdem die Staatsanwaltschaft bereits 1946, 1968 und 1996 erfolglos ermittelte, hatte sie ja jetzt die Namen der Rächer. Da dieses Verfahren sowohl medial als auch international auf große Empörung stieß, stellte die Staatsanwaltschaft am 08. Mai 2000 das Verfahren mit einer hanebüchenen Begründung ein. Den Eifer, den die Nürnberger Justiz in diesem Verfahren zeigte, hätten sich die ehemaligen Rächer bei der Verfolgung der NS-TäterInnen gewünscht. Auch wenn die ehemaligen Rächer ihren Aktionen heute selbstkritisch gegenüber stehen und froh sind, daß geplante Aktionen gegen die „Zivilbevölkerung“ nicht durchgeführt wurden, sind sie andererseits von der Rechtmäßigkeit der Rache gegen einzelne Täter überzeugt. Auf den Punkt bringt es Ollie Giveon (Mitglied von Nakam): „Wenn bereits ein Staat Israel existiert hätte, wäre den Schuldigen dort der Prozess gemacht worden (...) doch es gab noch keinen Staat und die Täter machten sich aus dem Staub (...) Hätten wir gesehen, dass die Nazis hinter Gitter gewandert wären, dann hätten wir nicht handeln müssen.“

Die Veranstaltung mit den Autoren des Buches findet im Rahmen der jüdischen Woche am 26.06.2001, 19:00 Uhr, in der naTo (Karl-Liebknecht-Str.46) statt.

Bündnis gegen Rechts Leipzig in Zusammenarbeit mit der naTo und Unterstützung des weiterdenken e.V. in der Heinrich-Böll-Stiftung


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last modified: 28.3.2007