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Sparen, sparen, nochmals sparen!

Wie die Fußballklubs im Osten vor der Abschaffung des Geldes stehen und die Insolvenzverwalter als Ehrenpräsidenten fungieren.

Chefetage, 23.7k
In den Verwaltungen wurden bauliche Änderungen vorgenommen, da bekanntlich Zeit immernoch Geld ist.
Das fußballerische Modewort, zumindest von der Regionalliga abwärts, heißt „Insolvenzverfahren“. Aufgrund fehlender Fernseheinnahmen, die den Mitgliedern der 1. und 2. Fußballbundesliga in proportionaler Millionenhöhe regelmäßig zufließen, sind die finanziellen Manöver in den unteren Klassen bislang gewagter als in jedem anderen mittelständischen Gewerbebetrieb. Die neue gesetzliche Regelung, die es überschuldeten Privatpersonen und Unternehmen ermöglichen soll, sich langfristig entschulden zu können, gilt zumindest auch für Sportvereine. Bisher hatten zahlungsunfähige Fußballvereine z.B. nur die Möglichkeit, einen ganz normalen Konkurs anzumelden. Dies zog gleichzeitig das sportliche Aus nach sich, insofern die Mannschaften sofort den Spielbetrieb einstellen mussten. Infolgedessen bestand allenfalls die Möglichkeit, den Club neu zu gründen und in der untersten Liga von vorn anzufangen. Nun übernimmt das Arbeitsamt drei Monate lang die Gehaltszahlungen, und ein Insolvenzverwalter, der nach Möglichkeiten suchen soll, den Verein weiter in der jeweiligen Liga zu halten, schwingt das Zepter ganz nach Belieben. Solche Insolvenzverwalter haben derzeit viel zu tun und sind bisweilen wichtiger als der sportliche Erfolg. In den letzten Jahren hatte gerade im sogenannten „Fußball-Osten“ alle Vereine über ihre Verhältnisse gewirtschaftet, gerade so, als stünde die Abschaffung des Geldes unmittelbar bevor.

VfB Leipzig
(Oberliga Süd)
Der VfB, 1987 noch im Finale des Europacups mit einem 0:1 knapp an Ajax Amsterdam gescheitert, zum Beispiel steht finanziell mehr als schlecht da. Der damalige Schatzmeister hat im Oktober 1999, wohl auch, weil er mit dem Konkurs seines Vereins nicht fertig wurde, Selbstmord verübt, der gefeuerte Trainer Dragoslav Stepanovic prozessiert weiter um ausstehende Gehälter, er soll 35 000 Mark im Monat beim VfB verdient haben. Der Insolvenzverwalter signalisierte ihm damals jedoch bereits: „Bei uns ist nichts mehr zu holen.“ Ein Berliner Torwart, der seine Arbeitskraft dem VfB Leipzig sogar kostenlos zur Verfügung stellte, hilft da auch nur begrenzt weiter. Trainer Achim Steffens nahm das Angebot zwar an, erklärte aber gleichzeitig: „Ideal wäre es, wenn neue Spieler noch Geld mitbringen würden.“

FSV Zwickau
(Oberliga Süd)
In Zwickau ist die Situation ähnlich. Der erste DDR-Landesmeister ist ebenfalls pleite, man brauchte beim Verein allerdings ziemlich lange, bis man die Situation tatsächlich erfasst hatte. Erst als sich die mit vollmundigen Versprechungen angetretene Präsidentin monatelang einfach nicht mehr blicken ließ, erkannte man den Ernst der Lage. Nun versucht ein Not-Präsident, der zuvor vom BFC Dynamo wegen Faulheit gefeuert wurde, zu retten, was vielleicht schon gar nicht mehr zu retten ist. „Wir stellen um auf Feierabend-Kicker“, sagt er, echte Arbeitsplätze für Vollzeit-Fußballer soll es in Zwickau nicht mehr geben.

FSV Lok Altmark Stendal
(Oberliga Nord)
In Stendal bereiten sich Spieler und Trainer ebenfalls auf einen Vereinswechsel vor, falls sich die Lage ihres Vereins nicht entscheidend verbessern sollte. In der Vereinsführung ist ein Machtkampf ausgebrochen, der die Handlungsfähigkeit des Clubs kaum verbessert. Präsident und Stellvertreter bekriegen sich regelrecht, wodurch ein unzumutbares Arbeitsklima entsteht – der neue Manager wurde nach nur zwei Tagen im Amt schon wieder entlassen. Des ganzen Chaos wohl mehr als überdrüssig, gab der Aufsichtsratsvorsitzende daraufhin seinen Posten auf. Jetzt erhalten diese vom wirtschaftlichen Ruin bedrohten Mannschaften ihre Gelder vom Arbeitsamt, worüber sich die wenigen seriös haushaltenden Vereine der Liga sehr ärgern. „Es geht doch wohl nicht, dass sich einige Clubs auf diese Weise sanieren“, erklärte etwa schon der Manager in Eisenhüttenstadt. Es geht doch, zumindest für drei Monate, dann stellt die Behörde die Zahlung des Konkursgeldes ein.

BFC Dynamo
(Oberliga Nord)
„Unsere Lage ist nicht dramatisch“, meinte beispielsweise der Präsident des Berliner FC Dynamo, gelassen, als im Herbst letzten Jahres eine Lücke von 800 000 Mark im 2,3-Millionen-Etat der Hohenschönhausener entdeckt worden war. Seine Begründung: „Uns geht es nicht anders als 80 Prozent der Liga.“
Fast jeder Verein entließ im „Fußballosten“ in der Saison der Oberliga 1999/2000, bundesweit beispiellos, den Trainer. Spieler gingen freiwillig und zogen zum nächsten Club – in der vagen Hoffnung, dort zu besseren Konditionen arbeiten zu können. Das Risiko, am neuen Arbeitsplatz von der nächsten Pleite erwischt zu werden, ist jedoch groß. Zum Fußballproblem Ost kam es hauptsächlich durch den Druck, sich in dieser Saison für die neue, zweigleisige Regionalliga qualifizieren zu müssen. Die Etats für diese Saison wurden in der Hoffnung auf das Erreichen des neunten Platzes in der Abschlusstabelle und die damit verbundene automatische Qualifikation künstlich aufgebläht, während die Einnahmen gleich blieben. Dabei waren die Regionalligen vor Jahren extra als Puffer zwischen Profi- und Amateurklasse gegründet worden, man erhoffte sich durch spannende Lokalderbys auch für Fans attraktive Begegnungen. Umsonst. Die Zuschauerzahlen konnten nicht gesteigert werden, Sponsoren zu finden ist selbst für die Traditionsvereine äußerst schwierig. Dabei hatte schon vor dem Saisonbeginn der Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes, Hans-Georg Moldenhauer, seine Klientel, die fast nur aus ehemaligen DDR-Spitzenclubs besteht, ausdrücklich vor Finanzexperimenten gewarnt: „Es beunruhigt einen schon, was da passiert!“ sagt er inzwischen. Nun, in der Winterpause, reagierte auch der Verband: Die Funktionäre studierten derweil die Spielordnung, um sich auf den drohenden Super-Gau in der Liga vorzubereiten. Falls mehrere Vereine mitten in der Rückrunde den Spielbetrieb einstellen müssen, wollte man vorbereitet sein – schließlich konnte zum ersten Mal die Vergabe der Meisterschaft im Osten von Insolvenzverwaltern entschieden worden sein. Es blieb jedoch dabei, mehr Vereine kamen nicht dazu, obschon sich die finanzielle Lage kaum gebessert haben dürfte. Pfiffige Konzepte sind nun gefragt. Ausgerechnet die Amateure von Tennis Borussia Berlin, einem der wenigen Regionalliga-Clubs, die nicht in finanziellen Schwierigkeiten steckten, machten den anderen Vereinen vor, wie man Kosten sparen kann. Als bei einem Heimspiel gegen Dynamo Dresden in gleich sieben Spielerpässen die Passbilder fehlten, klebte man kurzerhand aus dem Stadionprogramm ausgeschnittene Portraits in die Ausweise. Die zunächst gegen die Charlottenburger vom Verband ausgesprochene Geldstrafe über 2 000 Mark wurde später zurückgezogen, denn in einem Grundsatzurteil wurde entschieden, dass Lichtbilder nicht unbedingt Passbilder sein müssen. Genützt hat auch das nicht – die Profis mussten zwangsabsteigen, und nächste Saison freut man sich in Dresden schon auf ein Wiedersehen. Diesmal in Liga vier.
Teewald



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last modified: 28.3.2007